Wie begründet sich Relevanz?
2024
Gedanken zur “normativen Ästhetik” und Bewertungsmaßstäben gegenwärtiger Kunst
Die Frage einer „normativen Ästhetik“ hat mich beim Betrachten von Werken zeitgenössischer Künstler immer wieder beschäftigt. Der Begriff „normativ“ selbst löst Fragen aus und „Ästhetik“ als gesetzmäßige Schönheit nicht minder. Sicherlich war es für mich in den 60er Jahren noch leichter Kunstwerke meiner Generation zu beurteilen und ihre überzeitliche Bedeutung zu erkennen. Nur kreative Künstler entschlossen sich nach dem Krieg zu diesem Beruf, wohl wissend einer ungewissen wirtschaftlichen Zukunft entgegen zu sehen, wie auch die ihrer Galeristen. Als ich den ersten Kunstmarkt für zeitgenössische Kunst 1967 mitorganisierte, konnte ich in der Bundesrepublik keine Galerien benennen, die nur Werke lebender Künstler ausstellten, wie es heute üblich ist.
Die Abstraktion als Stil war noch nicht abgeschlossen, sondern durch die Zeitspanne des zweiten Weltkriegs nur unterbrochen. Vom Kubismus in Frankreich bis zum Suprematismus in Russland entwickelte sich mit dem Jahrhundert die Abstraktion in Europa und den USA vom schwarzen Quadrat bis zu dem blauen monochromen Bild und zum Konzeptualismus der 60er Jahre. Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden neue Stilrichtungen und erweiterte Möglichkeiten ästhetischer Anschauungen. Seit dem 19. Jahrhundert wurden immer wieder künstlerische Stile begründet, zunächst abgelehnt, aber später als kunsthistorisch relevant eingestuft. So noch in meiner Zeit. Nach jeder Rückkehr aus den USA fragten Journalisten, ob ich wieder Werke einer neuen Stilrichtung gekauft hätte, was ich bis 1968 bejahen konnte.
Neue künstlerische Ansichten hatten sich in Paris und New York in den 50er-Jahren von jungen Künstlerinnen und Künstlern gebildet, die eine veränderte Sicht der abstrakten Kunst hatten. Die Thematisierung des sichtbaren Objekts und das Kunstwerk selber, führten zum kritischen Realismus und Konzeptualismus. Das Jahr 1968 wurde zur kulturellen Wende und veränderte die Wahrnehmung von Kunst und Geschichte. Das Ende der innovativen Abstraktion und Beginn der Postmoderne. Noch galt die abstrakte oder figurative Innovation als Voraussetzung kunsthistorischer Relevanz. Ziel der Künstlerinnen und Künstler war das Museum, selbst wenn sie es noch ablehnten. Das Urteil professioneller Kuratoren galt als unverzichtbar. Der Kunstmarkt wurde entscheidend für den Erfolg der Künstler und nicht nur Kunsthistoriker, sondern auch Sammler bestimmten die Urteilsbildung. Die Auktionen spielten für den Handel mit zeitgenössischer Kunst vor 1968 noch keine Rolle, da bis dahin nur Nachlässe verstorbener Künstler und Sammler versteigert wurden. Das sollte sich 1968 mit dem zweiten Kunstmarkt ändern. Allmählich wurden Auktionen mit zeitgenössischer Kunst marktbestimmend und der nicht mehr kunsthistorisch begründete Auktionspreis bestimmte den Wert. Eine beispiellose Kommerzialisierung der Kunst nahm ihren Verlauf, die noch nicht abgeschlossen ist, aber die persönliche Innovation als Wertmaßstab verlor ihre Bedeutung. Immer mehr Künstler und Künstlerinnen, sowie unzählige Galerien erweiterten den Kunstbegriff und erschweren ein begründetes Urteil. Zeitgeschichtlich oder kunsthistorisch verengte sich zu einer kommerziellen Frage.
Was bedeutet überhaupt kunsthistorische Relevanz? Der Begriff selbst ist zunächst wertfrei und wird durch Kunstgeschichte zum Maßstab. In der griechischen Antike wurden bereits die heutigen Maßstäbe der Ästhetik begründet. Die normative Ästhetik ist weder ethisch noch sozial und nicht ideologisch, sondern nur die intrinsische Bedeutung eines Kunstwerks durch Form, Farbe, Licht, Raum, Zeit und Innovation. Relevant sind Werke, die museal und persönlichen Stil haben. Das Kunstwerk wurde in der Antike zum Abbild der Wirklichkeit und nur scheinbare Realität im Bild, aber auch zur Ikone und einer vertieften Spiritualität. Apelles und Zeuxis, die Mensch und Tier mit ihren Abbildungen täuschen konnten, Künstler der Netzhauttäuschung und Höhepunkt der abbildenden Kunst, wurden aber keine Vorbilder für christliche Künstler. Das Kreuz wurde Zeichen ihres Glaubens und führte zu einer veränderten Spiritualität. Wie einst das goldene Kalb, wurde kurzfristig auch das Abbild zerstört und die Ikone zum christlichen Bild. Das Kreuz führte zu abstrahierten Andachtsbildern auf Goldgrund. Mit der Renaissance kehrte auch das Abbild wieder zurück und mit ihr, die von Leon Battista Alberti begründete perspektivische Ästhetik auf der Suche der gesetzmäßigen Schönheit. Die Suche vom christlichen Glauben als Ikone führte zum Abbild der sichtbaren Wirklichkeit und zur Bildwissenschaft als Ästhetik. Imagination und Erfindungskraft führten zur intelligiblen Schönheit, die sich von Generation zu Generation veränderte und alles andere als normativ war.
Die für den europäischen Raum begriffliche formale Ästhetik versagte endgültig im globalen Raum und in der virtuellen Zeit. Die Ästhetik wurde immer wieder erweitert, schließlich selbst autonom und das Urteil des Betrachters führte zur grenzenlosen Überschreitung, bis hin zur eigenen Bedeutungslosigkeit.
Das Ereignishafte und Soziale bestimmen immer mehr Urteil und Relevanz von Kunstwerken. Aber die Hoffnung bleibt, dass im globalen und virtuellen Zeitalter Künstler und Künstlerinnen in einem veränderten Wertesystem die Sehgewohnheiten und die Kunst verändern werden. Wenn eine „Normative Ästhetik“ nicht mehr maßgeblich ist, wird die kreative Freiheit Normen finden und wieder Entscheidungshilfe beim Betrachten von Kunstwerken sein. Nur kreativ suchendes Denken führt zur Kunst und die Kreativität zu neuen Normen. 1863 fand in Paris der Salon der Refusèes im Palais de L´Industrie statt und wurde zu einem Ort der künstlerischen Zeitenwende. Gleichzeitig wurden private Galerien zu Verkaufsausstellungen zeitgenössischer Künstler und Bürger ihre Sammler. Mit dem Kunsthandel beginnt auch ein Reigen wechselnder Kunstrichtungen und ein zunehmendes Interesse an zeitgenössischer Kunst. Der Industrialismus und Kapitalismus beginnen ihren unaufhaltsamen Siegeszug. Die Ismen akzellerierten und führten mit Beginn des 20. Jahrhunderts zum monochromen schwarzen Quadrat und zur Ikone der Abstraktion.
Die zweite und letze Avantgarde begann nach dem zweiten Weltkrieg und die Kunst wurde zur Ware in einem industriellen globalen Kunstmarkt. Erst mit dem Konzeptualismus und seiner Betrachtung mit sich selbst, hörten die wechselnden Stile auf und führten zu einer grenzenlosen künstlerischen Freiheit. Folgerichtig wurden auch Investoren zu Sammlern und Auktionen von ihnen kontrolliert. Was vor 150 Jahren 1863 in Paris begann, veränderte sich ab 1968 mit einer Repolitisierung und einer zunehmenden Konsumkultur. Der erfolgreich globale Kapitalismus veränderte auch die Gesellschaft und die Migrationen. Nur der Verzicht einer grenzenlosen Individualisierung kann erneut zu einer zweiten Wende und Ethik führen.
Wie begründet sich Relevanz?
Gedanken zur “normativen Ästhetik” und Bewertungsmaßstäben gegenwärtiger Kunst
2024
Die Frage einer „normativen Ästhetik“ hat mich beim Betrachten von Werken zeitgenössischer Künstler immer wieder beschäftigt. Der Begriff „normativ“ selbst löst Fragen aus und „Ästhetik“ als gesetzmäßige Schönheit nicht minder. Sicherlich war es für mich in den 60er Jahren noch leichter Kunstwerke meiner Generation zu beurteilen und ihre überzeitliche Bedeutung zu erkennen. Nur kreative Künstler entschlossen sich nach dem Krieg zu diesem Beruf, wohl wissend einer ungewissen wirtschaftlichen Zukunft entgegen zu sehen, wie auch die ihrer Galeristen. Als ich den ersten Kunstmarkt für zeitgenössische Kunst 1967 mitorganisierte, konnte ich in der Bundesrepublik keine Galerien benennen, die nur Werke lebender Künstler ausstellten, wie es heute üblich ist.
Die Abstraktion als Stil war noch nicht abgeschlossen, sondern durch die Zeitspanne des zweiten Weltkriegs nur unterbrochen. Vom Kubismus in Frankreich bis zum Suprematismus in Russland entwickelte sich mit dem Jahrhundert die Abstraktion in Europa und den USA vom schwarzen Quadrat bis zu dem blauen monochromen Bild und zum Konzeptualismus der 60er Jahre. Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden neue Stilrichtungen und erweiterte Möglichkeiten ästhetischer Anschauungen. Seit dem 19. Jahrhundert wurden immer wieder künstlerische Stile begründet, zunächst abgelehnt, aber später als kunsthistorisch relevant eingestuft. So noch in meiner Zeit. Nach jeder Rückkehr aus den USA fragten Journalisten, ob ich wieder Werke einer neuen Stilrichtung gekauft hätte, was ich bis 1968 bejahen konnte.
Neue künstlerische Ansichten hatten sich in Paris und New York in den 50er-Jahren von jungen Künstlerinnen und Künstlern gebildet, die eine veränderte Sicht der abstrakten Kunst hatten. Die Thematisierung des sichtbaren Objekts und das Kunstwerk selber, führten zum kritischen Realismus und Konzeptualismus. Das Jahr 1968 wurde zur kulturellen Wende und veränderte die Wahrnehmung von Kunst und Geschichte. Das Ende der innovativen Abstraktion und Beginn der Postmoderne. Noch galt die abstrakte oder figurative Innovation als Voraussetzung kunsthistorischer Relevanz. Ziel der Künstlerinnen und Künstler war das Museum, selbst wenn sie es noch ablehnten. Das Urteil professioneller Kuratoren galt als unverzichtbar. Der Kunstmarkt wurde entscheidend für den Erfolg der Künstler und nicht nur Kunsthistoriker, sondern auch Sammler bestimmten die Urteilsbildung. Die Auktionen spielten für den Handel mit zeitgenössischer Kunst vor 1968 noch keine Rolle, da bis dahin nur Nachlässe verstorbener Künstler und Sammler versteigert wurden. Das sollte sich 1968 mit dem zweiten Kunstmarkt ändern. Allmählich wurden Auktionen mit zeitgenössischer Kunst marktbestimmend und der nicht mehr kunsthistorisch begründete Auktionspreis bestimmte den Wert. Eine beispiellose Kommerzialisierung der Kunst nahm ihren Verlauf, die noch nicht abgeschlossen ist, aber die persönliche Innovation als Wertmaßstab verlor ihre Bedeutung. Immer mehr Künstler und Künstlerinnen, sowie unzählige Galerien erweiterten den Kunstbegriff und erschweren ein begründetes Urteil. Zeitgeschichtlich oder kunsthistorisch verengte sich zu einer kommerziellen Frage.
Was bedeutet überhaupt kunsthistorische Relevanz? Der Begriff selbst ist zunächst wertfrei und wird durch Kunstgeschichte zum Maßstab. In der griechischen Antike wurden bereits die heutigen Maßstäbe der Ästhetik begründet. Die normative Ästhetik ist weder ethisch noch sozial und nicht ideologisch, sondern nur die intrinsische Bedeutung eines Kunstwerks durch Form, Farbe, Licht, Raum, Zeit und Innovation. Relevant sind Werke, die museal und persönlichen Stil haben. Das Kunstwerk wurde in der Antike zum Abbild der Wirklichkeit und nur scheinbare Realität im Bild, aber auch zur Ikone und einer vertieften Spiritualität. Apelles und Zeuxis, die Mensch und Tier mit ihren Abbildungen täuschen konnten, Künstler der Netzhauttäuschung und Höhepunkt der abbildenden Kunst, wurden aber keine Vorbilder für christliche Künstler. Das Kreuz wurde Zeichen ihres Glaubens und führte zu einer veränderten Spiritualität. Wie einst das goldene Kalb, wurde kurzfristig auch das Abbild zerstört und die Ikone zum christlichen Bild. Das Kreuz führte zu abstrahierten Andachtsbildern auf Goldgrund. Mit der Renaissance kehrte auch das Abbild wieder zurück und mit ihr, die von Leon Battista Alberti begründete perspektivische Ästhetik auf der Suche der gesetzmäßigen Schönheit. Die Suche vom christlichen Glauben als Ikone führte zum Abbild der sichtbaren Wirklichkeit und zur Bildwissenschaft als Ästhetik. Imagination und Erfindungskraft führten zur intelligiblen Schönheit, die sich von Generation zu Generation veränderte und alles andere als normativ war.
Die für den europäischen Raum begriffliche formale Ästhetik versagte endgültig im globalen Raum und in der virtuellen Zeit. Die Ästhetik wurde immer wieder erweitert, schließlich selbst autonom und das Urteil des Betrachters führte zur grenzenlosen Überschreitung, bis hin zur eigenen Bedeutungslosigkeit.
Das Ereignishafte und Soziale bestimmen immer mehr Urteil und Relevanz von Kunstwerken. Aber die Hoffnung bleibt, dass im globalen und virtuellen Zeitalter Künstler und Künstlerinnen in einem veränderten Wertesystem die Sehgewohnheiten und die Kunst verändern werden. Wenn eine „Normative Ästhetik“ nicht mehr maßgeblich ist, wird die kreative Freiheit Normen finden und wieder Entscheidungshilfe beim Betrachten von Kunstwerken sein. Nur kreativ suchendes Denken führt zur Kunst und die Kreativität zu neuen Normen. 1863 fand in Paris der Salon der Refusèes im Palais de L´Industrie statt und wurde zu einem Ort der künstlerischen Zeitenwende. Gleichzeitig wurden private Galerien zu Verkaufsausstellungen zeitgenössischer Künstler und Bürger ihre Sammler. Mit dem Kunsthandel beginnt auch ein Reigen wechselnder Kunstrichtungen und ein zunehmendes Interesse an zeitgenössischer Kunst. Der Industrialismus und Kapitalismus beginnen ihren unaufhaltsamen Siegeszug. Die Ismen akzellerierten und führten mit Beginn des 20. Jahrhunderts zum monochromen schwarzen Quadrat und zur Ikone der Abstraktion.
Die zweite und letze Avantgarde begann nach dem zweiten Weltkrieg und die Kunst wurde zur Ware in einem industriellen globalen Kunstmarkt. Erst mit dem Konzeptualismus und seiner Betrachtung mit sich selbst, hörten die wechselnden Stile auf und führten zu einer grenzenlosen künstlerischen Freiheit. Folgerichtig wurden auch Investoren zu Sammlern und Auktionen von ihnen kontrolliert. Was vor 150 Jahren 1863 in Paris begann, veränderte sich ab 1968 mit einer Repolitisierung und einer zunehmenden Konsumkultur. Der erfolgreich globale Kapitalismus veränderte auch die Gesellschaft und die Migrationen. Nur der Verzicht einer grenzenlosen Individualisierung kann erneut zu einer zweiten Wende und Ethik führen.
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