Über die Pop-Art in den USA
Wenn Sie auf der Einladung zu meinem Vortrag irrtümlich den Titel Pop (unter Weglassung der Ergänzung Art) in den USA lesen, dann verbirgt sich in dieser kleinen Unterlassung bereits ein allgemeines Merkmal der Pop-Art, das weniger eine bestimmte künstlerische Epoche meint, als vielmehr ein umfassendes, zeitloses, jugendliches Lebensgefühl, wie es nach wie vor als Begriff in der Musikwelt benutzt wird.
Ich bin aber heute eingeladen, über die Pop-Art in den USA zu sprechen, deshalb muß klar sein, daß es sich bei der amerikanischen Pop-Art um ein historisches, nur fünf Jahre dauerndes Phänomen handelt, das mittlerweile 40 Jahre zurückliegt. Vor die Aufgabe gestellt, Ihnen diese historisch abgeschlossene und möglicherweise weitläufig bekannte Epoche noch einmal kunsthistorisch darzustellen ohne auf die Lebendigkeit des damaligen Lebensgefühls verzichten zu wollen, möchte ich Ihnen die damalige Zeit immer wieder an Hand meiner eigenen Erfahrungen nahebringen. Ich möchte versuchen, eine umgekehrte Blickrichtung entlang meiner Erinnerungen zu erzeugen, die ich als Kunsthändler und Galerist und damit als Zeitzeuge für die Pop Art gemacht habe.
I
Entstehung der Pop-Art: Nachkriegszeit in Europa und Amerika
Lassen Sie sich von mir in die künstlerische Nachkriegszeit in Europa und Amerika zurückversetzen, um Ihnen den historischen Hintergrund zu schildern, in den die amerikanische Pop-Art einbrach.
Paris, London, Amsterdam und Mailand waren die drei wichtigsten Städten für moderne Kunst nach dem Krieg in Europa, während Deutschland noch keine Rolle spielte.
Paris wurde 1945 wieder das Zentrum und knüpfte nahtlos an die künstlerischen Entwicklungen der Vorkriegszeit an, nicht zuletzt weil die großen Künstler wie Picasso, Braque, Miro, Chagall und Giacometti u.a. noch lebten und arbeiteten. Ebenso wurden Werke des Konstruktivismus als auch der Abstraktion von Künstler wie Herbin, Bazain, de Stael, Hans Hartung bereits 1945 schon wieder ausgestellt. Gleichzeitig entstand eine riesige neue Bewegung mit dem Informell und seinen Hauptvertretern Fautrier und Wols. Zu erwähnen wäre auch noch der Einzelgänger Jean Dubuffet, der für den amerikanischen Pop Künstler Claes Oldenbourg von Bedeutung werden sollte. Umgekehrt fand die Rezeption der Pop-Art in Frankreich erst mit großem Abstand gegenüber den anderen Kunstzentren in Europa statt.
Auch Mailand konnte an die Kunst der Vorkriegszeit unmittelbar sowohl mit seinen figurativen als auch abstrakten Künstlern wie de Pises, Magnelli oder Vedover anknüpfen. Eine entscheidende Rolle für die Weltoffenheit Italiens spielte die internationale Ausstellung der Biennale von Venedig seit 1948 sowie der Umzug der Sammlung zeitgenössischer Kunst Peggy Guggenheims nach Venedig im selben Jahr. Damit wurden die Grundlagen gelegt für eine neue italienische Kunstrichtung nach der Stunde Null mit Fontana und Burri, sowie für die frühe Rezeption der amerikanischen Pop-Art durch italienische Sammler, besonders aber durch Panza di Biumo.
Im Gegensatz zu Italien spielte Deutschland zwischen 1945 und 1955 international noch keine Rolle bedingt durch den Zivilisationsbruch des Dritten Reiches, die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und die Währungsreform 1948. Gleichzeitig war diese Tabula-rasa Situation und der daraus erwachsene Nachholbedarf jedoch die Voraussetzung dafür, daß die Bundesrepublik sich zehn Jahre später als in Italien zunächst der französischen Ecole de Paris und dann in besonderem Maße der amerikanischen Pop-Art gegenüber aufgeschlossen zeigen sollte.
Eine Kontinuität war auch in Amsterdam gegeben durch den bedeutenden Museumsdirektor des Stedelijk van Abbemuseum, Wilhelm Sandberg, der unmittelbar nach dem Krieg aus Jerusalem zurückkehrte, um an die Vorkriegsmoderne in Europa anzuknüpften. Es ist deshalb auch nicht zufällig und belegt die ungebrochene Internationalität dieser Stadt, daß Sandberg bereits 1948 die Sammlung von Peggy Guggenheim mit wichtigen Werken der amerikanischen Expressionisten ausstellte und zwei Bilder von Pollock aus dieser Sammlung für sein Museum übernahm, die ersten amerikanischen Bilder der Nachkriegskunst in einer europäischen, öffentlichen Sammlung. Kontinuität und Internationalität waren die Voraussetzung für die erste künstlerische Nachkriegsbewegung in Europa: die Gruppe Cobra, die hier in Amsterdam ihren Anfang nahm, aber auch für die erste große Roy Lichtenstein Ausstellung in Europa 1967.
In London wirkte die Kontinuität der zunehmend akademischen Moderne mit Vertretern wie Moore, Hepworth, Sutherland oder Nicholson zwischen 1945 und 55 geradezu hemmend auf die Entwicklung einer neuen Bewegung. Die jüngeren Künstler wie Blake, Paolozzi oder Hamilton wollten an diese englische Tradition nicht mehr anknüpfen, sondern suchten vielmehr den Bruch und andere, neue Einflüsse. Sie interessierten sich vielmehr für die neuen amerikanischen Filme, die Reklame, amerikanische Zeitschriften und Comics, meist für die amerikanisch orientierte Konsumwelt, die gerade England auf Grund der gleichen Sprache und der kulturellen Verbundenheit zuerst eroberte und an der man nun, nach den Jahren der Entbehrung teilnehmen wollte. Diese Künstler organisierten 1956 eine Ausstellung mit dem Titel: „This is tomorrow“, in der Hamilton seine heute berühmte Collage „Just what is it that makes today’s homes so different so appealing“ ausstellte, die auch als Plakatvorlage für diese Ausstellung diente.
Diese Collage veranschaulicht programmatisch die veränderte Wahrnehmung und Darstellung. Alles was bis dato nicht darstellungswürdig war wie Massenmedien, Kino, Plakat, Fernsehen, Zeitung, Comic, aber auch Zivilisationssymbole wie Automarken, Staubsauger, Tonbandgerät oder Bodybuilder und Sexidole verdichtet sich in dieser kleinen Collage. Dabei weist die Anhäufung der Motive innerhalb der Privatsphäre „Wohnung“, die das Alphabet der Popikonographie bereits durchdekliniert, durchaus auf eine kritische Perspektive gegenüber den Errungenschaften und Verführungen der Konsum- und Medienwelt, die auch in dem Ausstellungs- und Bildtitel zum Ausdruck kommt. Diese dezidiert kritische Perspektive, wie sie auch in Hamiltons „She“ von 1958 zum Ausdruck kommt, ist typisch für die englische Pop-Art, die sehr stark im kritisch europäischen Denken wurzelt und damit im Gegensatz zu der affirmativen bis ambivalenten Perspektive der amerikanischen Pop-Art stehen wird.
Zum ersten Mal in der bildenden Kunst taucht hier das Wort „Pop“ auf, das bis dahin nur in der Musikbranche üblich war, bezeichnenderweise auf einem gigantisch vergrößerten Lutscher, der ebenso als Tennisschläger oder Phallussymbol gesehen werden muß.
Ich zitiere Hamilton: „Was wir brauchen ist nicht die Bestimmung einer bedeutungsvollen Bilderwelt, sondern die Entwicklung unseres Empfangspotentials, damit wir die ständige Bereicherung des visuellen Materials annehmen und gebrauchen können.“
Mit diesem Kommentar bleibt Hamilton nicht bei einer eindimensionalen kritischen Perspektive stehen, sondern sieht die ungeheuren Auswirkungen der medialen Bilderflut und der ungebremsten Konsumgüterindustrie auf uns zu kommen, die er hier bereits als Vision einer modernen Medientheorie formuliert.
Damit wurde Hamilton auch zum Theoretiker der englischen Pop-Art, der sich als einer der ersten bildenden Künstler nach dem Krieg mit dem fast vergessenen Werk von Marcel Duchamp auseinandersetzte und dessen beschädigtes Hauptwerk „Das große Glas“ nachbaute. Nach der Erfahrung von zwei Weltkriegen war die radikale Geste Duchamps vergessen worden, mit der er 1913 in seinem Atelier eine Fahrradgabel mit Rad auf einen weißen Hocker montierte und 1917 das Urinoir in New York ausstellen wollte (was jedoch abgelehnt wurde). Die Realität des Krieges hatte den Sinn für die Realität in der Kunst verschüttet und verlangte nach ihrer Sublimierung. Mit dem Vordringen der medialen Wirklichkeit entstand jedoch eine artifizielle Form von Wirklichkeit, die wieder der Radikalität von Duchamps Readymade bedurfte, um den Schleier aus Täuschungen und Verführungen zu zerreißen.
Auch in Paris richtete sich Ende der 50er Jahre das Interesse der jungen Künstler wieder auf das Werk von Marcel Duchamp und damit auf eine „neue Realität“ im Gegensatz zur vorherrschenden abstrakten und informellen Malerei. So schrieb der Theoretiker der Nouveau Realists Pierre Restany in seinem Manifest 1960:
„Die Neuen Realisten betrachten die Welt als ein Bild, als das große fundamentale Meisterwerk, dem sie Fragmente von universeller Bedeutung entnehmen.“
Und etwas weiter erklärt er darin:
„In unserem gegenwärtigen Kontext gewinnen Duchamps Readymades eine neue Bedeutung. Sie verdeutlichen das Recht auf die unmittelbare Beschreibung eines ganzen organischen Bereichs des menschlichen Lebens, nämlich der Stadt, der Straße, der Fabrik, der Massenproduktion. Duchamps Antikunst wird von jetzt an positiv sein. Das Readymade bedeutet nicht mehr Höhepunkt der Negation, sondern Grundlage für eine neue ausdrucksvolle Formulierung.“
II
Die Wegbereiter Pop-Art in New York: Robert Rauschenberg und Jasper Johns
Nach dieser stark verkürzten Tour d’Horizon durch Europa möchte ich nun auf das eigentliche Thema dieses Abends zu sprechen kommen und den Blick auf die amerikanische Entwicklung und damit auf die Pop-Art in den USA, genauer gesagt die Pop-Art in New York richten und deren wichtigste Wegbereiter: Jasper Johns und Robert Rauschenberg.
Beide Künstler zogen 1955 nach New York, lernten sich dort kennen und mieteten im gleichen Gebäude ihre Ateliers an, wo sie sich auch täglich zum Gedankenaustausch trafen. Nur in New York gab es einen internationalen Kunsthandel, der gerade im Begriff war die Vorherrschaft von Paris zu brechen und die Kunst der amerikanischen Expressionisten auch in Europa international durchzusetzen. Nur hier, und nicht in den anderen amerikanischen Großstädten wie in Chicago oder Los Angeles fand ein internationaler Dialog zwischen Amerika und Europa statt. Und nur in dieser Stadt fanden die aus vielen Teilen Amerikas zugezogenen Künstler zu ihrem künstlerischen Ausdruck, der auch international wahrgenommen wurde.
Auch Jasper Johns und Robert Rauschenberg beschäftigten sich in dieser Zeit intensiv mit dem Werk Duchamps. Beide Künstler waren nicht nur an der amerikanischen realistischen Malerei der 20er und 30er Jahre eines Gerald Murphys oder Stuard Davis interessiert, sondern auch an europäischen Künstlern wie Picabia und Schwitters. Das Werk von Marcel Duchamp war in der Ahrensberg Collection in Philadelphia umfangreich vertreten und auch öffentlich zugänglich.. In diesen Jahren entstanden die ersten Combine-Bilder Rauschenbergs, die die Realität durch integrierte Alltagsobjekte unmittelbar ins Bild setzten wollten. Mit seinen Combine-Bildern bereitet Rauschenberg den Weg für die Assemblagetechnik der Pop-Art, besonders im Werk von Rosenquist und Wesselmann, auf die ich später zu sprechen komme.
Jasper Johns malte gleichzeitig Zielscheiben, Flaggen oder Nummernbilder, die wie künstliche Readymades wirkten.
In einer Umkehrung der Duchampschen Geste wählte er die einfachsten emblematischen Zeichen als Motiv für seiner Bilder, die er in der ältesten uns bekannen Technik, der Enkaustik (eingefärbtes Wachs auf Bildträger) zu einer höchst differenzierten Malerei entwickelte. Die unmittelbare Wiedererkennbarkeit des vermeintlichen Readymades war die Voraussetzung für die Akzentverschiebung zu Gunsten einer Malerei, die weder heroisch, noch gestisch sein sollte, sondern gerade in ihrer Gebundenheit an das Emblem, die Wahrnehmung auf die malerischen Qualitäten lenkte.
Zitat: „ Dinge, die bereits bekannt sind, geben mir Raum auf einer anderen Ebene zu arbeiten.“
Die emblematische Motivwahl von Jasper Johns sollte ebenso wegweisend für die Pop-Art werden, besonders im Werk von Warhol und Lichtenstein. Noch deutlicher wird der Readymade Charakter bei Johns Objekten wie seiner Taschenlampe, der Glühbirne, den Bierbüchsen etc., die er mit Modelliermetall bearbeitete oder in Bronze gegossen und bemalt hatte und auf einem Sockel als Kunstwerk montierte.
Die Bilder von Jasper John wurden 1958 bei Leo Castelli ausgestellt und hatten einen unerwarteten Erfolg sowohl bei der Kritik, als auch bei Sammlern. Der Leiter des Museums of Modern Art in New York, Alfred Barr, kaufte gleich zwei Werke für das MOMA. An dieser Ausstellung und ihrem Erfolg orientierten sich die noch unbekannten jungen Künstler, die im Gegensatz zum abstrakten Expressionismus, der sonst überall zu sehen war, in dieser Ausstellung etwas ganz Neues sahen. Der erfolgreiche Werbedesigner Andy Warhol erwarb bereits 1958 für seine Sammlung eine Zeichnung der Glühbirne von Jasper Johns. Bei aller Radikalität ihrer Bilderfindung standen Johns und Rauschenberg dennoch in der Tradition der europäischen und amerikanischen Kunst, die in der Ausstellung im MOMA „Art of Assemblage“ 1961 sichtbar wurde. Künstler dieser Ausstellung waren neben Johns und Rauschenberg die Amerikaner Bruce Connor und Edward Kienholz, sowie aus Europa Rotella, Arman, Christo und Tinguely.
Das Material der ausgestellten Werke war häufig Schrott, akkumulierte Gebrauchsgegenstände oder abgerissene Plakatwände. Die Objekte der Umwelt, der Abfall der Konsumgesellschaft wurde sowohl von den französischen Nouveau Realisten, als auch von den amerikanischen Neo-Dadaisten verarbeitet. Dabei wurde der Begriff „Pop“, so wie er von Hamilton in England und später von Alloway benutzt wurde, noch nicht auf die Künstler und ihre Werke bezogen. Genau in diesem Zeitabschnitt zwischen den Ausstellungen von Rauschenberg und Johns bei Castelli 1958 und der internationalen Assemblage Ausstellung 1961 im MOMA in New York wurden die Koordinaten für die Pop-Art gesetzt.
Ich selbst lebte 1958 für ein Jahr in Paris und sah die Werke der damals noch sehr jungen Künstler Arman, Cesar und Tinguely in Pariser Galerien und – der für mich größte Schock – Bilder und Objekte von Jasper Johns in der Galerie Rive Droit. Dieser Schock sollte sich noch steigern, als ich sechs Monate später als Generalsekretär der 2. Documenta in Kassel ein Werk von Robert Rauschenberg auspacken half, das wie der gesamte amerikanische Beitrag zur documenta von dem Kurator des MOMA ausgewählt worden war. Es handelte sich um das Werk „Das Bett“ 1955.
Diese Arbeit wirkte nicht nur auf mich schockierend, sondern führte dazu, daß es entgegen der Absprache mit dem Museum of Modern Art nicht ausgestellt wurde. Um es dennoch für bestimmte Besucher sichtbar zu machen, hängte ich es in meinem Büro auf. Die reale Bettdecke und das Kopfkissen als unmittelbarer Träger für die Malerei wirkte wie eine Schmiererei auf dem reinen und intimen Privatbereich eines Bettes.
Nicht zuletzt mit diesem Bild vollzog sich für mich ein Paradigmenwechsel, der bald auch vom internationalen Kunsthandel vollzogen wurde, weg von der abstrakten Malerei der Ecole de Paris hin zur den amerikanischen Expressionisten und der amerikanischen Pop-Art.
Doch zurück in die Stadt New York, die ich erst 1963, auf dem Höhepunkt der Pop-Art, erstmals besuchen sollte.
Seit 1960 lehrten die Künstler Lichtenstein, Kaprow, Segal und Watts an der Rütgers Universität in New Jersey und es war vor allem Allan Kaprow, der mit seinen theoretischen Schriften und seinen Happenings für diese Gruppe und für viele Künstler in New York einflußreich wurde. Kaprow schärfte den Blick für die Objekte der Industriegesellschaft, der Städte und der Straßen, wie es gleichzeitig auch Pierre Restany in seinem Manifest gefordert hatte.
In Kaprows Artikel für eine eine amerikanische Kunstzeitschrift „Das Erbe von Jackson Pollock“ aus dem Jahre 1958 schrieb er:
„Pollocks beinahe Zerstörung des Tafelbildes könnte durchaus eine Rückkehr zu dem Punkt bedeuten, wo Kunst aktiver mit Ritual, Magie und Leben verbunden war, als wir dies in jüngerer Vergangenheit erlebt haben. Falls es so ist, handelt es sich um einen äußerst wichtigen Schritt, der eine befriedigende Antwort auf die Klagen derer anbietet, die gerne hätten, daß wir ein Stück Leben in die Kunst hineinbringen. Was also machen wir nun? Entweder gehen wir auf diesem Weg weiter oder wir hören überhaupt auf zu malen.“
Damit war der entscheidende Wendepunkt erreicht, der im Rückgriff auf den Malereiverzicht Duchamps, das Leben in seiner unvermittelten Realität in die Kunst einzubringen versuchte. Und etwas weiter schreibt er in diesem Artikel:
„Diese verwegenen Künstler werden uns die Welt zeigen, die uns umgibt und die wir nur nicht wahrgenommen haben. Sie werden uns auch ganz unerhörte Vorgänge und Ereignisse enthüllen, die sie in Abfalleimern, Polizeiakten, Hotelhallen finden, in Schaufensterauslagen und auf der Straße entdecken, in Träumen und bei schrecklichen Unfällen empfinden.“
Diese Aufzählung liest sich nachträglich wie eine prophetische Vision des ikonographischen Repertoirs der Pop-Art, die ich nun in ihren wichtigsten Vertretern vorstellen möchte: Oldenbourg, Lichtenstein, Rosenquist, Wesselmann, Warhol.
III
Die wichtigsten Vertreter der Pop-Art
Der ungeheure und schnelle Erfolg der Pop-Art lag zunächst in seiner Ikonographie begründet, die sofort verstanden und als spezifisch amerikanische Kunst begrüßt wurde. Die qualitativen Unterschiede zwischen den heutigen Hauptvertretern der Pop Art Lichtenstein, Oldenburg, Rosenquist, Wesslmann und Warhol und den vielen New Yorker sogenannten Pop Künstlern waren am Anfang schwer zu sehen. Aus heutiger Sicht weniger wichtige Künstler wie Mel Ramos, Allen Darcangelo, Jim Dine oder Robert Indiana hatten zunächst ebenso Erfolg und fanden die gleiche Beachtung. Es war die Gruppe, die den Begriff der Pop-Art als einen spezifischen New Yorker Stil prägten. Dabei wurden realistische Künstler wie Segal unter dem Verkaufslabel der Pop-Art gehandelt, wie die Designer D’Arcangelo oder Robert Indiana.
Claes Oldenbourg
Oldenbourg ist der europäischste der amerikanischen Popkünstler, der 1929 in Schweden geboren wurde und als Kind in die USA kam. Er zog 1956 von Chicago nach New York, wo er wie bereits erwähnt mit Allan Kaprow und seinen Künstlerfreunden in Kontakt kam.
Oldenbourg war der erste der eigentliche Pop Künstler, der bereits 1960 seine spezifischen Pop Werke unter dem Titel die Straße „Street“ in New York ausstellte. Aus billigem Material der Straße wie Wellpappe, Jutesäcke, Gips oder Draht entstanden Objekte des täglichen Lebens, die man in der Straße sehen konnte.
Er selbst äußert sich so dazu: „Mich faszinieren ganz besonders die Straße. Sie schienen ein ganz eigenes Leben zu haben und ich entdeckte in ihnen eine Welt voller Objekte, die ich vorher nie gekannt hatte. In meinen Augen wurden ganz gewöhnliche Verpackungen zu Skulpturen und in Straßenabfällen sah ich vollendete Kompositionen des Zufalls.“
Oldenbourg war angeregt worden durch die Kunst Dubuffets und dessen Vortrag über die L’Art Brut, den er 1958 in Chicago hielt. Darin proklamierte Dubuffet eine Orientierung an einer unverstellten Kunst, wie er sie in der Kunst von Kindern, Geisteskranken oder Ureinwohnern erkannte und sammelte.
In seiner zweiten Ausstellung 1961 trat dem Manifest Kaprows folgend zu dem Schauplatz und Fundort der Straße, nun der Ausstellungsraum und Konsumanreiz des Schaufensters.
Die farbigen Gipsobjekte bekommen trotz ihrer Ähnlichkeit zu den Vorbildern etwas Geisterhaftes und Unwirkliches. Oldenbourgs subtile Farbgebung zeigen den Unterschied zum Readymade. Diese Differenz steigerte Oldenbourg noch mit seinen gigantischen weichen Skulpturen, mit denen er die Grenzen der bisher in der Plastik benutzten Werkstoffe ebenso erweiterte wie unsere Sehgewohnheiten. Die weichen Waschbecken, Tortenstücke oder Hamburger in den Maßen 1,50 x 2,50 befremden und machen die Abnormität der Warenwelt bewußt. Noch 1960 und 61 konnten diese Objekte nicht als Kunstwerke wahrgenommen werden, so daß er sie nur in seinem Atelier und in einer unkommerziellen Kellergalerie unter einer Kirche ausstellen konnte. Jedoch 1962, dem eigentlichen Jahr der Pop-Art hatte sich die Situation in New York grundlegend verändert und auch Oldenbourg konnte nun seine Arbeiten in einer renommierten Galerie in der 57ten Straße zeigen und auch verkaufen.
Roy Lichtenstein
Roy Lichtenstein begann 1961 in seinen noch expressionistisch gemalten Bildern Comicfiguren zu verstecken, wie Micky Mouse, Donald Duck, Bucks Bunny. Für seine Kinder malte er Kaugummi-Papiere ab und begann eines dieser Papiere ganz groß auf einer Leinwand zu reproduzieren. Fasziniert von der Welt der Warenzeichen und des Comics wandte er sich nun ausschließlich diesem Thema zu, als Vorlage für seine Bilder.
Lichtenstein wurde sehr schnell als der bedeutendste Maler dieser Generation angesehen und galt als der typische Vertreter für die Pop Art. Lichtenstein veränderte und vereinheitlichte seine Vorlagen, indem er Details vermied, die die Komposition stören könnten, und beschränkte sich auf einfache Formen und wenige Primärfarben. Seine schablonierten Raster in unterschiedlicher Dichte suggerierten das Abmalen einer gedruckten Vorlage und wurden zu seinem Erkennungszeichen. Die unterschiedliche Dichte des Rasters war für den Künstler jedoch eine malerische Nuancierung. Lichtenstein verzichtete bewußt auf Emotionen und Peinture und setzte den Text als ein kompositorisches Element ein. Gerade dieses persönliche Stilmoment erschwerte es dem Betrachter zunächst, seine kompositorische und malerische Bedeutung und die Nähe zum Spätwerk Legers zu erkennen.
Die Pop Periode, in der er Gegenstände des täglichen Lebens aus Katalogen oder nach Comicvorlagen abmalt dauert nur fünf Jahre.
James Rosenquist
Rosenquist war in den 50er Jahren Reklamemaler und malte riesige Tafeln, die oft nicht mit einem Blick zu sehen waren. Die komplexe Malerei von Einzelbildern in verschiedenen Maßstäben wurden zu einer komplizierten formalen Einheit verwoben. Die geometrische Aufteilung der Flächen bestimmte den Rhythmus im Wechsel der Maßstäbe. Ein zwei Meter Bild stellt die Realität des Bildes in Frage.
Dieses größte Pop Bild der Welt wird von dem Bild eines Düsenbombers die Wand entlang gejagt und von Vertikalen geteilt, die einen Autoreifen, eine Trockenhaube mit Kind, einen Regenschirm und Spaghetti zeigen. Ein assoziatives Sehen, wie es schon im ersten surrealistischen Manifest von Breton gefordert wurde, wird nun mit Gegenständen der Konsumwelt erzeugt.
Tom Wesselmann
Wesselmann, der an der New Yorker Cooper Union Art School von 1957-60 studierte, begann seine Karriere mit zwei überaus traditionellen Themen: Dem Akt und dem Stilleben. Der Künstler entnahm die Stilleben und Landschaften den Reklameanzeigen und malte in diese künstliche und gedruckte Landschaft seine weiblichen Akte.
Diese „great american nudes“, wie der Künstler alle seine Bilder mit Akten nennt, werden immer kühner und effektvoller, indem er reale Gegenstände, wie eingeschaltete Radios oder Fernsehapparate sowie ganze Raumeinrichtungen in einen strengen geometrischen Rahmen mit seinen Akten verbindet. Wesselmann liebte die Wechselwirkung zwischen gemaltem und collagiertem Bild, der Kunstgeschichte und Reklamewelt, einer optischen Täuschung und illusionistischer Wirklichkeit.
Andy Warhol
In großen Kunstströmungen verdichtet sich der Zeitgeist oft im Werk eines einzigen Künstlers, der die Zeit prägt und symbolhaft für sie steht. Dieses Genie der Pop Art war Andy Warhol, der alles, was über Pop Art zu sagen wäre, in seinem Werk und seinen Aussagen vereint.
Andy Warhol war in den 50er Jahren bereits ein erfolgreicher Werbedesigner mit mehreren Mitarbeitern, der seinen Erfolg seinen klassischen, Matisse ähnlichen Zeichnungen und seinem untrüglichen Gefühl für das, was eine Art Direktor von einem Designer erwartet, verdankt.
1960 entstanden die ersten Gemälde mit Comicstrip Figuren wie Batman, Dick Tracy, Popeye oder Superman, noch in einem malerischen Stil und dem obligaten Dripping, das damalige Erkennungszeichen für zeitgenössische Kunst.
Andy Warhol, der 1961 am liebsten schon bei Castelli ausgestellt hätte, glaubte damals noch, ein Kunstwerk müsse malerische Partien aufweisen, um überhaupt in einer Kunstgalerie ausgestellt werden zu können. Bei Leo Castelli sah er jedoch im gleichen Jahr ein Bild von Roy Lichtenstein und war überrascht, daß außer ihm noch jemand anderes diese Thematik aufgegriffen hatte und sich bereits in einer angesehenen Galerie befand. Andy Warhol, Kunde der Galerie Castelli, lud daraufhin den Direktor der Galerie, Iwan Carp in sein Atelier ein, um ihm seine Comicbilder zu zeigen. Carp war beeindruckt, doch Leo Castelli wollte keinen zweiten Künstler mit ähnlicher Thematik. Deshalb empfahl Iwan Carp, nicht nur Sammlern und Kritikern, sondern auch einem jungen Kollegen aus Los Angeles einen Atelierbesuch bei Warhol. Erwin Blum sah bereits außer den besagten Comicbildern abgemalte Campellsuppen-Bilder, noch malerisch mit obligatem Dripping. Er war ebenfalls beeindruckt und versprach wiederzukommen. Schon kurze Zeit darauf sah er dieselben Campellsuppen-Bilder, nun jedoch fotografisch genau abgemalt, die gesamte Produktpalette, insgesamt 32 verschiedene Suppen. Der Kunsthändler war begeistert und verabredete eine Ausstellung für 1962. Auf seine erste Ausstellung mit diesen Bildern und seinen Erfolg komme ich später zu sprechen. 1962 entstanden bereits die berühmten Pop Ikonen, die Desaster Bilder, Do it yourself, Elvis und Marylin Portraits.
Die ersten Bilder wurden noch nach Vorlage abgemalt, was ihm als gelernten Graphiker nicht schwer fiel, aber zu langsam ging, so daß er zunächst noch einen Gummistempel benutzte, um dann aber bald noch im gleichen Jahr zu seiner berühmten Siebdrucktechnik überzugehen. Er selbst erklärte dazu: „Ich male in dieser Art, weil ich eine Maschine sein möchte.“
1962 hatte Warhol seine ersten Einzelausstellungen in Los Angeles und New York und nahm an der bedeutenden Gruppenausstellung „The New Realists“ bei Sidney Jannis teil. Mit diesen drei Ausstellungen in den USA begann eine bis dahin noch nie dagewesene Erfolgsstory, die die Kunstgeschichte und den Kunsthandel veränderte. 1963 verlegte Warhol sein Atelier und nannte die neuen Räume „Factory“, die er vollständig mit Silberfolie auskleiden ließ und zum Treffpunkt für Kritiker, Sammler, Hippies und Berühmtheiten aus Film und Mode werden ließ. Warhol selbst und seine Statements wurden für die Medien so wichtig wie seine Kunst für die Galerien.
Es waren gerade diese hintergründigen Statements, die so populär wurden wie seine Bilder und das Interesse der Medien an der Pop-Art begründeten.
Bereits 1964 erklärte Warhol, nur noch zu filmen und die Malerei aufzugeben, was er tatsächlich 1967 auch für zehn Jahre tat. 1966 stellte er zum letzten Mal bei Leo Castelli aus und tapezierte bezeichnenderweise die Galerie mit Kuhtapeten und ließ Helium gefüllte Kissen aus Alufolie in den Räumen schweben.
Die innovative Periode der Pop Art ging damit für ihn schon nach fünf Jahren zu Ende.
Zitat: „Meine Bilder werden nie so, wie ich es erwartet hätte, aber ich bin nie überrascht.“
Diese Äußerung belegt, daß Andy Warhol nie das Readymade wollte. Er war und bleibt zu allererst ein Maler, wie sein Spätwerk noch einmal eindrucksvoll belegt.
Schon die Umbenennung seines Ateliers in eine Factory hatte programmatischen Charakter, ebenso die Anwendung von Siebdrucken und die Herstellung von Bildern in unbestimmter Auflage. Die Signatur verlor ihre Bedeutung. Signiert wurden die Bilder von ihm oder seinen Mitarbeitern oder auch überhaupt nicht. Bei seiner zweiten Ausstellung in Los Angeles mit Portraits von Elvis Presley wollte der Künstler die Leinwandrolle mit den gedruckten Portraits unzerschnitten ausstellen, um dem einzelnen Werk seine Aura zu nehmen und auf den seriellen Herstellungscharakter seiner Werke hinzuweisen. Diese radikale Ausstellungsmethode wurde aber vom Galeristen Irvin Blum abgelehnt, der die Portraits nach wie vor isolierte und auf Keilrahmen aufziehen ließ. Bei Leo Castelli 1966 und auch in meiner Galerie 1967 wurden die Kuhmotive auf Tapetenrollen gedruckt und zur Ausstellung auf die Wand tapeziert. Warhol überschritt damit die Grenzen, die der Kunsthandel bis dahin gesetzt hatte und die für die Präsentation und Vermarktung von Kunst essentiell erschienen. Er selbst schien bei all seinen Strategien scheinbar unbeteiligt, jedenfalls vermied er eine programmatische oder gar eine dogmatische Ansicht. Es wurde nie klar, ob er mit seinen Bildern aus der Konsum- oder Medienindustrie eine affirmative oder kritische bis ablehnende Haltung vertrat. Ich denke dabei an seine Desaster oder Electric Chair Bilder oder die Portraitserie der Most Wanted Man, die bereits in dem schon zitierten Artikel Kaprows als neues Bildthema angekündigt worden waren. Die kritische Brisanz der „Most Wanted Man“ wird besonders deutlich in ihrer ursprünglichen Bestimmung und Ablehnung als Installation am New York State Pavillion auf der Weltausstellung in New York 1964.
Auch die Anwendung des Photomaton für seine Selbstportraits wie auch für die meisten seiner Auftragsportraits versuchen eine neutrale, fast maschinelle Indifferenz dem Bild zu übertragen. Der Tod in seinen vielen Erscheinungen, besonders der Tod der Namenlosen, war neben seinen glamourösen Portaits von Berühmtheiten ein offensichtlicher Hinweis auf die Kehrseite von Konsum, Ruhm und Erfolg. Ein ähnliche ambivalentes Wechselspiel vollzog Warhol auch in seinem Verhältnis zur künstlerischen Aura. Obwohl er diese in seinen Werken weitgehend vermied, umgab er sich selbst mit einer Aura, die er in den Dienst seines Personenkultes stellte und dem von ihm so bewunderten Hollywood Stars in nichts nachstand. Als die Tate Gallery in London eine Retrospektive seines Werkes plante, schlug Warhol vor, nur seine 32 Campellsuppen Bilder zu zeigen. Er übernahm aus der Werbung das Prinzip der Serie, das das Motiv in ähnlicher Ambivalenz wie gegenüber dem Tod und der Aura gleichzeitig verstärkte und verflachte.
Gerade in dem intendierten Gegensatz zwischen der forcierten Oberflächlichkeit seiner Werke und der Hintergründigkeit seiner Statements liegt nachträglich die eigentliche Bedeutung von Andy Warhol als konzeptueller Künstler. Wie auch Marcel Duchamp trieb er die Kunst an ihre eigene Grenze. Während Duchamp mit dem Readymade die Kunst auf die Definition des Künstlers reduzierte, produziert Warhol die Kunst als Ware.
IV
Wirkung und Rezeption der Pop-Art
„Buisiness-Kunst ist der Schritt, der nach der Kunst kommt. Ich habe als Werbekünstler begonnen und möchte als Buisiness-Künstler enden. Nachdem ich mich mit „Kunst“ (oder wie immer man das nennt) beschäftigt hatte, ging ich in die Buisiness-Kunst. Ich wollte ein Kunst-Buisinessman werden oder ein Buisiness Künstler. Im Buisiness gut zu sein, ist die faszinierendste Art von Kunst.“
In der Tat hat Warhol dieses Ziel erreicht und damit den Kunsthandel radikal verändert. Lassen Sie mich darum nur an einem Beispiel seiner ersten Ausstellung der 32 Campell Suppen in der Ferus Gallery von Erwin Blum 1962 in Los Angeles die unvorstellbare Preisentwicklung erzählen. Schon die Art der Präsentation der Bilder auf einer vorspringenden Leiste stehend wie auf einem Warenregal machte überdeutlich, daß hier nicht nur Bilder ausgestellt, sondern auch Waren zum Verkauf angeboten wurden.
Der mit der Präsentation verbundene Tabubruch gegenüber der sonst üblichen Auratisierung von Kunstwerken in einer Galerie führte zunächst zu einem kommerziellen Mißerfolg trotz der günstigen Offerte von 200 $ pro Bild, so daß der Rücktransport der unverkauften Bilder für den Kunsthändler fast so teuer geworden wäre wie die Übernahme der gesamten Ausstellung. Auf Wunsch des Künstlers kaufte der Kunsthändler die drei verkauften Arbeiten zurück, um sie nunmehr zu behalten und später ein Werk zu verkaufen. Daran tat er gut, denn er verkaufte die Serie geschlossen 1997 an das Museum of Modern Art in New York für 15 Millionen Dollar. Diese ungeheure Gewinnspanne steht stellvertretend für die Anerkennung Warhols und die enorme Vergrößerung des Kunstmarktes. Noch 1968 wurde die damals bedeutendste und größte Pop-Sammlung Kraushars mit 150 Werke an den deutschen Sammler Ströher für 1,2 Millionen DM geschlossen verkauft (nur die „Marilyn Monroe“ von Andy Warhol aus dieser Sammlung allein brachte kürzlich 17 Millionen Dollar).
Auch der Galerieraum veränderte sich in demselben Sinne wie sich Warhols Atelier zur Factory wandelte. Während in den 60er Jahren die Galerien eher vornehmen Salons mit entsprechendem Mobiliar ähnelten, wurde die neue Galerie zu einem neutralen, funktionalen und professionellen Ausstellungs- , Herstellungs- und Verkaufsraum. Fabriketagen wurden für die neuen Formate und Materialien der Kunstwerke umgebaut oder spezifische Galeriearchitekturen mit professioneller Beleuchtung, Ausstellungstechnik und Lagerhaltung entwickelt, wie es Doherty in dem Begriff des White Cube zusammengefaßt hat.
Was 1962 mit Warhols Präsentationsform noch als Tabubruch empfunden wurde, wurde fünf Jahre später bereits ganz unverholen zur Grundlage des ersten Kunstmarktes zeitgenössischer Kunst. Obwohl diese unverblümte Kommerzialisierung der Kunst von der älteren Generation von Kunsthändlern und Vermittlern noch als schockierend empfunden wurde, gab der unerwartete öffentliche wie kommerzielle Erfolg dieser Strategie Recht: Statt der erwarteten 2000 Besucher kamen 20000 in nur vier Tagen zum ersten Kölner Kunstmarkt. Mit der Kommerzialisierung ging also eine Popularisierung einher, die zu einer damals noch ungeahnten Zahl von Galerieneugründungen führte. Während der erste Kölner Kunstmarkt nur 17 Teilnehmer hatte, sind es heute mehrere hundert, so daß sich die Messe immer wieder genötigt sieht, Bewerber auszujurieren. Auch die Vermarktungsform der Kunst auf einer Messe machte in einer Weise Schule, daß sie heute zur wichtigsten Vertriebsform des Kunsthandels überhaupt geworden ist.
Erst aus diesem Boom entwickelte sich die andere wichtige Vertriebsform für zeitgenössische Kunst, die Auktion. Bezeichnenderweise war es die zweite bedeutende New Yorker Pop Sammlung von Scull, die 1973 als erste Auktion mit zeitgenössischer Kunst in New York versteigert wurde. Seitdem veranstalten nicht nur die beiden großen Marktführer Sotheby’s und Christies, sondern auch alle anderen Auktionshäuser, zweimal im Jahr Versteigerungen von Werken zeitgenössischer Kunst, die oftmals erst im selben Jahr entstanden sind.
Nicht nur der Galerist und der Auktionator haben Warhols Botschaft der Buisiness- Kunst verstanden und in die Tat umgesetzt, sondern auch der Sammler. Hatte schon Peter Ludwig als Schokoladenfabrikant mit Sinn für die Bedeutung der Verpackung die Werbestrategie der Pop-Art richtig erkannt, so wurde der Sammler und Werbefachmann Saatchi mit der Erfindung des Labels Young British Art gewissermaßen selbst zum Schöpfer, Verkäufer und Sammler seiner eigenen Erfindung. Warhol: „Im Buisiness gut zu sein, ist die faszinierendste Art von Kunst.“
Über die Pop-Art in den USA
2004
Wenn Sie auf der Einladung zu meinem Vortrag irrtümlich den Titel Pop (unter Weglassung der Ergänzung Art) in den USA lesen, dann verbirgt sich in dieser kleinen Unterlassung bereits ein allgemeines Merkmal der Pop-Art, das weniger eine bestimmte künstlerische Epoche meint, als vielmehr ein umfassendes, zeitloses, jugendliches Lebensgefühl, wie es nach wie vor als Begriff in der Musikwelt benutzt wird.
Ich bin aber heute eingeladen, über die Pop-Art in den USA zu sprechen, deshalb muß klar sein, daß es sich bei der amerikanischen Pop-Art um ein historisches, nur fünf Jahre dauerndes Phänomen handelt, das mittlerweile 40 Jahre zurückliegt. Vor die Aufgabe gestellt, Ihnen diese historisch abgeschlossene und möglicherweise weitläufig bekannte Epoche noch einmal kunsthistorisch darzustellen ohne auf die Lebendigkeit des damaligen Lebensgefühls verzichten zu wollen, möchte ich Ihnen die damalige Zeit immer wieder an Hand meiner eigenen Erfahrungen nahebringen. Ich möchte versuchen, eine umgekehrte Blickrichtung entlang meiner Erinnerungen zu erzeugen, die ich als Kunsthändler und Galerist und damit als Zeitzeuge für die Pop Art gemacht habe.
Entstehung der Pop-Art: Nachkriegszeit in Europa und Amerika
Lassen Sie sich von mir in die künstlerische Nachkriegszeit in Europa und Amerika zurückversetzen, um Ihnen den historischen Hintergrund zu schildern, in den die amerikanische Pop-Art einbrach.
Paris, London, Amsterdam und Mailand waren die drei wichtigsten Städten für moderne Kunst nach dem Krieg in Europa, während Deutschland noch keine Rolle spielte.
Paris wurde 1945 wieder das Zentrum und knüpfte nahtlos an die künstlerischen Entwicklungen der Vorkriegszeit an, nicht zuletzt weil die großen Künstler wie Picasso, Braque, Miro, Chagall und Giacometti u.a. noch lebten und arbeiteten. Ebenso wurden Werke des Konstruktivismus als auch der Abstraktion von Künstler wie Herbin, Bazain, de Stael, Hans Hartung bereits 1945 schon wieder ausgestellt. Gleichzeitig entstand eine riesige neue Bewegung mit dem Informell und seinen Hauptvertretern Fautrier und Wols. Zu erwähnen wäre auch noch der Einzelgänger Jean Dubuffet, der für den amerikanischen Pop Künstler Claes Oldenbourg von Bedeutung werden sollte. Umgekehrt fand die Rezeption der Pop-Art in Frankreich erst mit großem Abstand gegenüber den anderen Kunstzentren in Europa statt.
Auch Mailand konnte an die Kunst der Vorkriegszeit unmittelbar sowohl mit seinen figurativen als auch abstrakten Künstlern wie de Pises, Magnelli oder Vedover anknüpfen. Eine entscheidende Rolle für die Weltoffenheit Italiens spielte die internationale Ausstellung der Biennale von Venedig seit 1948 sowie der Umzug der Sammlung zeitgenössischer Kunst Peggy Guggenheims nach Venedig im selben Jahr. Damit wurden die Grundlagen gelegt für eine neue italienische Kunstrichtung nach der Stunde Null mit Fontana und Burri, sowie für die frühe Rezeption der amerikanischen Pop-Art durch italienische Sammler, besonders aber durch Panza di Biumo.
Im Gegensatz zu Italien spielte Deutschland zwischen 1945 und 1955 international noch keine Rolle bedingt durch den Zivilisationsbruch des Dritten Reiches, die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und die Währungsreform 1948. Gleichzeitig war diese Tabula-rasa Situation und der daraus erwachsene Nachholbedarf jedoch die Voraussetzung dafür, daß die Bundesrepublik sich zehn Jahre später als in Italien zunächst der französischen Ecole de Paris und dann in besonderem Maße der amerikanischen Pop-Art gegenüber aufgeschlossen zeigen sollte.
Eine Kontinuität war auch in Amsterdam gegeben durch den bedeutenden Museumsdirektor des Stedelijk van Abbemuseum, Wilhelm Sandberg, der unmittelbar nach dem Krieg aus Jerusalem zurückkehrte, um an die Vorkriegsmoderne in Europa anzuknüpften. Es ist deshalb auch nicht zufällig und belegt die ungebrochene Internationalität dieser Stadt, daß Sandberg bereits 1948 die Sammlung von Peggy Guggenheim mit wichtigen Werken der amerikanischen Expressionisten ausstellte und zwei Bilder von Pollock aus dieser Sammlung für sein Museum übernahm, die ersten amerikanischen Bilder der Nachkriegskunst in einer europäischen, öffentlichen Sammlung. Kontinuität und Internationalität waren die Voraussetzung für die erste künstlerische Nachkriegsbewegung in Europa: die Gruppe Cobra, die hier in Amsterdam ihren Anfang nahm, aber auch für die erste große Roy Lichtenstein Ausstellung in Europa 1967.
In London wirkte die Kontinuität der zunehmend akademischen Moderne mit Vertretern wie Moore, Hepworth, Sutherland oder Nicholson zwischen 1945 und 55 geradezu hemmend auf die Entwicklung einer neuen Bewegung. Die jüngeren Künstler wie Blake, Paolozzi oder Hamilton wollten an diese englische Tradition nicht mehr anknüpfen, sondern suchten vielmehr den Bruch und andere, neue Einflüsse. Sie interessierten sich vielmehr für die neuen amerikanischen Filme, die Reklame, amerikanische Zeitschriften und Comics, meist für die amerikanisch orientierte Konsumwelt, die gerade England auf Grund der gleichen Sprache und der kulturellen Verbundenheit zuerst eroberte und an der man nun, nach den Jahren der Entbehrung teilnehmen wollte. Diese Künstler organisierten 1956 eine Ausstellung mit dem Titel: „This is tomorrow“, in der Hamilton seine heute berühmte Collage „Just what is it that makes today’s homes so different so appealing“ ausstellte, die auch als Plakatvorlage für diese Ausstellung diente.
Diese Collage veranschaulicht programmatisch die veränderte Wahrnehmung und Darstellung. Alles was bis dato nicht darstellungswürdig war wie Massenmedien, Kino, Plakat, Fernsehen, Zeitung, Comic, aber auch Zivilisationssymbole wie Automarken, Staubsauger, Tonbandgerät oder Bodybuilder und Sexidole verdichtet sich in dieser kleinen Collage. Dabei weist die Anhäufung der Motive innerhalb der Privatsphäre „Wohnung“, die das Alphabet der Popikonographie bereits durchdekliniert, durchaus auf eine kritische Perspektive gegenüber den Errungenschaften und Verführungen der Konsum- und Medienwelt, die auch in dem Ausstellungs- und Bildtitel zum Ausdruck kommt. Diese dezidiert kritische Perspektive, wie sie auch in Hamiltons „She“ von 1958 zum Ausdruck kommt, ist typisch für die englische Pop-Art, die sehr stark im kritisch europäischen Denken wurzelt und damit im Gegensatz zu der affirmativen bis ambivalenten Perspektive der amerikanischen Pop-Art stehen wird.
Zum ersten Mal in der bildenden Kunst taucht hier das Wort „Pop“ auf, das bis dahin nur in der Musikbranche üblich war, bezeichnenderweise auf einem gigantisch vergrößerten Lutscher, der ebenso als Tennisschläger oder Phallussymbol gesehen werden muß.
Ich zitiere Hamilton: „Was wir brauchen ist nicht die Bestimmung einer bedeutungsvollen Bilderwelt, sondern die Entwicklung unseres Empfangspotentials, damit wir die ständige Bereicherung des visuellen Materials annehmen und gebrauchen können.“
Mit diesem Kommentar bleibt Hamilton nicht bei einer eindimensionalen kritischen Perspektive stehen, sondern sieht die ungeheuren Auswirkungen der medialen Bilderflut und der ungebremsten Konsumgüterindustrie auf uns zu kommen, die er hier bereits als Vision einer modernen Medientheorie formuliert.
Damit wurde Hamilton auch zum Theoretiker der englischen Pop-Art, der sich als einer der ersten bildenden Künstler nach dem Krieg mit dem fast vergessenen Werk von Marcel Duchamp auseinandersetzte und dessen beschädigtes Hauptwerk „Das große Glas“ nachbaute. Nach der Erfahrung von zwei Weltkriegen war die radikale Geste Duchamps vergessen worden, mit der er 1913 in seinem Atelier eine Fahrradgabel mit Rad auf einen weißen Hocker montierte und 1917 das Urinoir in New York ausstellen wollte (was jedoch abgelehnt wurde). Die Realität des Krieges hatte den Sinn für die Realität in der Kunst verschüttet und verlangte nach ihrer Sublimierung. Mit dem Vordringen der medialen Wirklichkeit entstand jedoch eine artifizielle Form von Wirklichkeit, die wieder der Radikalität von Duchamps Readymade bedurfte, um den Schleier aus Täuschungen und Verführungen zu zerreißen.
Auch in Paris richtete sich Ende der 50er Jahre das Interesse der jungen Künstler wieder auf das Werk von Marcel Duchamp und damit auf eine „neue Realität“ im Gegensatz zur vorherrschenden abstrakten und informellen Malerei. So schrieb der Theoretiker der Nouveau Realists Pierre Restany in seinem Manifest 1960:
„Die Neuen Realisten betrachten die Welt als ein Bild, als das große fundamentale Meisterwerk, dem sie Fragmente von universeller Bedeutung entnehmen.“
Und etwas weiter erklärt er darin:
„In unserem gegenwärtigen Kontext gewinnen Duchamps Readymades eine neue Bedeutung. Sie verdeutlichen das Recht auf die unmittelbare Beschreibung eines ganzen organischen Bereichs des menschlichen Lebens, nämlich der Stadt, der Straße, der Fabrik, der Massenproduktion. Duchamps Antikunst wird von jetzt an positiv sein. Das Readymade bedeutet nicht mehr Höhepunkt der Negation, sondern Grundlage für eine neue ausdrucksvolle Formulierung.“
Die Wegbereiter Pop-Art in New York: Robert Rauschenberg und Jasper Johns
Nach dieser stark verkürzten Tour d’Horizon durch Europa möchte ich nun auf das eigentliche Thema dieses Abends zu sprechen kommen und den Blick auf die amerikanische Entwicklung und damit auf die Pop-Art in den USA, genauer gesagt die Pop-Art in New York richten und deren wichtigste Wegbereiter: Jasper Johns und Robert Rauschenberg.
Beide Künstler zogen 1955 nach New York, lernten sich dort kennen und mieteten im gleichen Gebäude ihre Ateliers an, wo sie sich auch täglich zum Gedankenaustausch trafen. Nur in New York gab es einen internationalen Kunsthandel, der gerade im Begriff war die Vorherrschaft von Paris zu brechen und die Kunst der amerikanischen Expressionisten auch in Europa international durchzusetzen. Nur hier, und nicht in den anderen amerikanischen Großstädten wie in Chicago oder Los Angeles fand ein internationaler Dialog zwischen Amerika und Europa statt. Und nur in dieser Stadt fanden die aus vielen Teilen Amerikas zugezogenen Künstler zu ihrem künstlerischen Ausdruck, der auch international wahrgenommen wurde.
Auch Jasper Johns und Robert Rauschenberg beschäftigten sich in dieser Zeit intensiv mit dem Werk Duchamps. Beide Künstler waren nicht nur an der amerikanischen realistischen Malerei der 20er und 30er Jahre eines Gerald Murphys oder Stuard Davis interessiert, sondern auch an europäischen Künstlern wie Picabia und Schwitters. Das Werk von Marcel Duchamp war in der Ahrensberg Collection in Philadelphia umfangreich vertreten und auch öffentlich zugänglich.. In diesen Jahren entstanden die ersten Combine-Bilder Rauschenbergs, die die Realität durch integrierte Alltagsobjekte unmittelbar ins Bild setzten wollten. Mit seinen Combine-Bildern bereitet Rauschenberg den Weg für die Assemblagetechnik der Pop-Art, besonders im Werk von Rosenquist und Wesselmann, auf die ich später zu sprechen komme.
Jasper Johns malte gleichzeitig Zielscheiben, Flaggen oder Nummernbilder, die wie künstliche Readymades wirkten.
In einer Umkehrung der Duchampschen Geste wählte er die einfachsten emblematischen Zeichen als Motiv für seiner Bilder, die er in der ältesten uns bekannen Technik, der Enkaustik (eingefärbtes Wachs auf Bildträger) zu einer höchst differenzierten Malerei entwickelte. Die unmittelbare Wiedererkennbarkeit des vermeintlichen Readymades war die Voraussetzung für die Akzentverschiebung zu Gunsten einer Malerei, die weder heroisch, noch gestisch sein sollte, sondern gerade in ihrer Gebundenheit an das Emblem, die Wahrnehmung auf die malerischen Qualitäten lenkte.
Zitat: „ Dinge, die bereits bekannt sind, geben mir Raum auf einer anderen Ebene zu arbeiten.“
Die emblematische Motivwahl von Jasper Johns sollte ebenso wegweisend für die Pop-Art werden, besonders im Werk von Warhol und Lichtenstein. Noch deutlicher wird der Readymade Charakter bei Johns Objekten wie seiner Taschenlampe, der Glühbirne, den Bierbüchsen etc., die er mit Modelliermetall bearbeitete oder in Bronze gegossen und bemalt hatte und auf einem Sockel als Kunstwerk montierte.
Die Bilder von Jasper John wurden 1958 bei Leo Castelli ausgestellt und hatten einen unerwarteten Erfolg sowohl bei der Kritik, als auch bei Sammlern. Der Leiter des Museums of Modern Art in New York, Alfred Barr, kaufte gleich zwei Werke für das MOMA. An dieser Ausstellung und ihrem Erfolg orientierten sich die noch unbekannten jungen Künstler, die im Gegensatz zum abstrakten Expressionismus, der sonst überall zu sehen war, in dieser Ausstellung etwas ganz Neues sahen. Der erfolgreiche Werbedesigner Andy Warhol erwarb bereits 1958 für seine Sammlung eine Zeichnung der Glühbirne von Jasper Johns. Bei aller Radikalität ihrer Bilderfindung standen Johns und Rauschenberg dennoch in der Tradition der europäischen und amerikanischen Kunst, die in der Ausstellung im MOMA „Art of Assemblage“ 1961 sichtbar wurde. Künstler dieser Ausstellung waren neben Johns und Rauschenberg die Amerikaner Bruce Connor und Edward Kienholz, sowie aus Europa Rotella, Arman, Christo und Tinguely.
Das Material der ausgestellten Werke war häufig Schrott, akkumulierte Gebrauchsgegenstände oder abgerissene Plakatwände. Die Objekte der Umwelt, der Abfall der Konsumgesellschaft wurde sowohl von den französischen Nouveau Realisten, als auch von den amerikanischen Neo-Dadaisten verarbeitet. Dabei wurde der Begriff „Pop“, so wie er von Hamilton in England und später von Alloway benutzt wurde, noch nicht auf die Künstler und ihre Werke bezogen. Genau in diesem Zeitabschnitt zwischen den Ausstellungen von Rauschenberg und Johns bei Castelli 1958 und der internationalen Assemblage Ausstellung 1961 im MOMA in New York wurden die Koordinaten für die Pop-Art gesetzt.
Ich selbst lebte 1958 für ein Jahr in Paris und sah die Werke der damals noch sehr jungen Künstler Arman, Cesar und Tinguely in Pariser Galerien und – der für mich größte Schock – Bilder und Objekte von Jasper Johns in der Galerie Rive Droit. Dieser Schock sollte sich noch steigern, als ich sechs Monate später als Generalsekretär der 2. Documenta in Kassel ein Werk von Robert Rauschenberg auspacken half, das wie der gesamte amerikanische Beitrag zur documenta von dem Kurator des MOMA ausgewählt worden war. Es handelte sich um das Werk „Das Bett“ 1955.
Diese Arbeit wirkte nicht nur auf mich schockierend, sondern führte dazu, daß es entgegen der Absprache mit dem Museum of Modern Art nicht ausgestellt wurde. Um es dennoch für bestimmte Besucher sichtbar zu machen, hängte ich es in meinem Büro auf. Die reale Bettdecke und das Kopfkissen als unmittelbarer Träger für die Malerei wirkte wie eine Schmiererei auf dem reinen und intimen Privatbereich eines Bettes.
Nicht zuletzt mit diesem Bild vollzog sich für mich ein Paradigmenwechsel, der bald auch vom internationalen Kunsthandel vollzogen wurde, weg von der abstrakten Malerei der Ecole de Paris hin zur den amerikanischen Expressionisten und der amerikanischen Pop-Art.
Doch zurück in die Stadt New York, die ich erst 1963, auf dem Höhepunkt der Pop-Art, erstmals besuchen sollte.
Seit 1960 lehrten die Künstler Lichtenstein, Kaprow, Segal und Watts an der Rütgers Universität in New Jersey und es war vor allem Allan Kaprow, der mit seinen theoretischen Schriften und seinen Happenings für diese Gruppe und für viele Künstler in New York einflußreich wurde. Kaprow schärfte den Blick für die Objekte der Industriegesellschaft, der Städte und der Straßen, wie es gleichzeitig auch Pierre Restany in seinem Manifest gefordert hatte.
In Kaprows Artikel für eine eine amerikanische Kunstzeitschrift „Das Erbe von Jackson Pollock“ aus dem Jahre 1958 schrieb er:
„Pollocks beinahe Zerstörung des Tafelbildes könnte durchaus eine Rückkehr zu dem Punkt bedeuten, wo Kunst aktiver mit Ritual, Magie und Leben verbunden war, als wir dies in jüngerer Vergangenheit erlebt haben. Falls es so ist, handelt es sich um einen äußerst wichtigen Schritt, der eine befriedigende Antwort auf die Klagen derer anbietet, die gerne hätten, daß wir ein Stück Leben in die Kunst hineinbringen. Was also machen wir nun? Entweder gehen wir auf diesem Weg weiter oder wir hören überhaupt auf zu malen.“
Damit war der entscheidende Wendepunkt erreicht, der im Rückgriff auf den Malereiverzicht Duchamps, das Leben in seiner unvermittelten Realität in die Kunst einzubringen versuchte. Und etwas weiter schreibt er in diesem Artikel:
„Diese verwegenen Künstler werden uns die Welt zeigen, die uns umgibt und die wir nur nicht wahrgenommen haben. Sie werden uns auch ganz unerhörte Vorgänge und Ereignisse enthüllen, die sie in Abfalleimern, Polizeiakten, Hotelhallen finden, in Schaufensterauslagen und auf der Straße entdecken, in Träumen und bei schrecklichen Unfällen empfinden.“
Diese Aufzählung liest sich nachträglich wie eine prophetische Vision des ikonographischen Repertoirs der Pop-Art, die ich nun in ihren wichtigsten Vertretern vorstellen möchte: Oldenbourg, Lichtenstein, Rosenquist, Wesselmann, Warhol.
Die wichtigsten Vertreter der Pop-Art
Der ungeheure und schnelle Erfolg der Pop-Art lag zunächst in seiner Ikonographie begründet, die sofort verstanden und als spezifisch amerikanische Kunst begrüßt wurde. Die qualitativen Unterschiede zwischen den heutigen Hauptvertretern der Pop Art Lichtenstein, Oldenburg, Rosenquist, Wesslmann und Warhol und den vielen New Yorker sogenannten Pop Künstlern waren am Anfang schwer zu sehen. Aus heutiger Sicht weniger wichtige Künstler wie Mel Ramos, Allen Darcangelo, Jim Dine oder Robert Indiana hatten zunächst ebenso Erfolg und fanden die gleiche Beachtung. Es war die Gruppe, die den Begriff der Pop-Art als einen spezifischen New Yorker Stil prägten. Dabei wurden realistische Künstler wie Segal unter dem Verkaufslabel der Pop-Art gehandelt, wie die Designer D’Arcangelo oder Robert Indiana.
Claes Oldenbourg
Oldenbourg ist der europäischste der amerikanischen Popkünstler, der 1929 in Schweden geboren wurde und als Kind in die USA kam. Er zog 1956 von Chicago nach New York, wo er wie bereits erwähnt mit Allan Kaprow und seinen Künstlerfreunden in Kontakt kam.
Oldenbourg war der erste der eigentliche Pop Künstler, der bereits 1960 seine spezifischen Pop Werke unter dem Titel die Straße „Street“ in New York ausstellte. Aus billigem Material der Straße wie Wellpappe, Jutesäcke, Gips oder Draht entstanden Objekte des täglichen Lebens, die man in der Straße sehen konnte.
Er selbst äußert sich so dazu: „Mich faszinieren ganz besonders die Straße. Sie schienen ein ganz eigenes Leben zu haben und ich entdeckte in ihnen eine Welt voller Objekte, die ich vorher nie gekannt hatte. In meinen Augen wurden ganz gewöhnliche Verpackungen zu Skulpturen und in Straßenabfällen sah ich vollendete Kompositionen des Zufalls.“
Oldenbourg war angeregt worden durch die Kunst Dubuffets und dessen Vortrag über die L’Art Brut, den er 1958 in Chicago hielt. Darin proklamierte Dubuffet eine Orientierung an einer unverstellten Kunst, wie er sie in der Kunst von Kindern, Geisteskranken oder Ureinwohnern erkannte und sammelte.
In seiner zweiten Ausstellung 1961 trat dem Manifest Kaprows folgend zu dem Schauplatz und Fundort der Straße, nun der Ausstellungsraum und Konsumanreiz des Schaufensters.
Die farbigen Gipsobjekte bekommen trotz ihrer Ähnlichkeit zu den Vorbildern etwas Geisterhaftes und Unwirkliches. Oldenbourgs subtile Farbgebung zeigen den Unterschied zum Readymade. Diese Differenz steigerte Oldenbourg noch mit seinen gigantischen weichen Skulpturen, mit denen er die Grenzen der bisher in der Plastik benutzten Werkstoffe ebenso erweiterte wie unsere Sehgewohnheiten. Die weichen Waschbecken, Tortenstücke oder Hamburger in den Maßen 1,50 x 2,50 befremden und machen die Abnormität der Warenwelt bewußt. Noch 1960 und 61 konnten diese Objekte nicht als Kunstwerke wahrgenommen werden, so daß er sie nur in seinem Atelier und in einer unkommerziellen Kellergalerie unter einer Kirche ausstellen konnte. Jedoch 1962, dem eigentlichen Jahr der Pop-Art hatte sich die Situation in New York grundlegend verändert und auch Oldenbourg konnte nun seine Arbeiten in einer renommierten Galerie in der 57ten Straße zeigen und auch verkaufen.
Roy Lichtenstein
Roy Lichtenstein begann 1961 in seinen noch expressionistisch gemalten Bildern Comicfiguren zu verstecken, wie Micky Mouse, Donald Duck, Bucks Bunny. Für seine Kinder malte er Kaugummi-Papiere ab und begann eines dieser Papiere ganz groß auf einer Leinwand zu reproduzieren. Fasziniert von der Welt der Warenzeichen und des Comics wandte er sich nun ausschließlich diesem Thema zu, als Vorlage für seine Bilder.
Lichtenstein wurde sehr schnell als der bedeutendste Maler dieser Generation angesehen und galt als der typische Vertreter für die Pop Art. Lichtenstein veränderte und vereinheitlichte seine Vorlagen, indem er Details vermied, die die Komposition stören könnten, und beschränkte sich auf einfache Formen und wenige Primärfarben. Seine schablonierten Raster in unterschiedlicher Dichte suggerierten das Abmalen einer gedruckten Vorlage und wurden zu seinem Erkennungszeichen. Die unterschiedliche Dichte des Rasters war für den Künstler jedoch eine malerische Nuancierung. Lichtenstein verzichtete bewußt auf Emotionen und Peinture und setzte den Text als ein kompositorisches Element ein. Gerade dieses persönliche Stilmoment erschwerte es dem Betrachter zunächst, seine kompositorische und malerische Bedeutung und die Nähe zum Spätwerk Legers zu erkennen.
Die Pop Periode, in der er Gegenstände des täglichen Lebens aus Katalogen oder nach Comicvorlagen abmalt dauert nur fünf Jahre.
James Rosenquist
Rosenquist war in den 50er Jahren Reklamemaler und malte riesige Tafeln, die oft nicht mit einem Blick zu sehen waren. Die komplexe Malerei von Einzelbildern in verschiedenen Maßstäben wurden zu einer komplizierten formalen Einheit verwoben. Die geometrische Aufteilung der Flächen bestimmte den Rhythmus im Wechsel der Maßstäbe. Ein zwei Meter Bild stellt die Realität des Bildes in Frage.
Dieses größte Pop Bild der Welt wird von dem Bild eines Düsenbombers die Wand entlang gejagt und von Vertikalen geteilt, die einen Autoreifen, eine Trockenhaube mit Kind, einen Regenschirm und Spaghetti zeigen. Ein assoziatives Sehen, wie es schon im ersten surrealistischen Manifest von Breton gefordert wurde, wird nun mit Gegenständen der Konsumwelt erzeugt.
Tom Wesselmann
Wesselmann, der an der New Yorker Cooper Union Art School von 1957-60 studierte, begann seine Karriere mit zwei überaus traditionellen Themen: Dem Akt und dem Stilleben. Der Künstler entnahm die Stilleben und Landschaften den Reklameanzeigen und malte in diese künstliche und gedruckte Landschaft seine weiblichen Akte.
Diese „great american nudes“, wie der Künstler alle seine Bilder mit Akten nennt, werden immer kühner und effektvoller, indem er reale Gegenstände, wie eingeschaltete Radios oder Fernsehapparate sowie ganze Raumeinrichtungen in einen strengen geometrischen Rahmen mit seinen Akten verbindet. Wesselmann liebte die Wechselwirkung zwischen gemaltem und collagiertem Bild, der Kunstgeschichte und Reklamewelt, einer optischen Täuschung und illusionistischer Wirklichkeit.
Andy Warhol
In großen Kunstströmungen verdichtet sich der Zeitgeist oft im Werk eines einzigen Künstlers, der die Zeit prägt und symbolhaft für sie steht. Dieses Genie der Pop Art war Andy Warhol, der alles, was über Pop Art zu sagen wäre, in seinem Werk und seinen Aussagen vereint.
Andy Warhol war in den 50er Jahren bereits ein erfolgreicher Werbedesigner mit mehreren Mitarbeitern, der seinen Erfolg seinen klassischen, Matisse ähnlichen Zeichnungen und seinem untrüglichen Gefühl für das, was eine Art Direktor von einem Designer erwartet, verdankt.
1960 entstanden die ersten Gemälde mit Comicstrip Figuren wie Batman, Dick Tracy, Popeye oder Superman, noch in einem malerischen Stil und dem obligaten Dripping, das damalige Erkennungszeichen für zeitgenössische Kunst.
Andy Warhol, der 1961 am liebsten schon bei Castelli ausgestellt hätte, glaubte damals noch, ein Kunstwerk müsse malerische Partien aufweisen, um überhaupt in einer Kunstgalerie ausgestellt werden zu können. Bei Leo Castelli sah er jedoch im gleichen Jahr ein Bild von Roy Lichtenstein und war überrascht, daß außer ihm noch jemand anderes diese Thematik aufgegriffen hatte und sich bereits in einer angesehenen Galerie befand. Andy Warhol, Kunde der Galerie Castelli, lud daraufhin den Direktor der Galerie, Iwan Carp in sein Atelier ein, um ihm seine Comicbilder zu zeigen. Carp war beeindruckt, doch Leo Castelli wollte keinen zweiten Künstler mit ähnlicher Thematik. Deshalb empfahl Iwan Carp, nicht nur Sammlern und Kritikern, sondern auch einem jungen Kollegen aus Los Angeles einen Atelierbesuch bei Warhol. Erwin Blum sah bereits außer den besagten Comicbildern abgemalte Campellsuppen-Bilder, noch malerisch mit obligatem Dripping. Er war ebenfalls beeindruckt und versprach wiederzukommen. Schon kurze Zeit darauf sah er dieselben Campellsuppen-Bilder, nun jedoch fotografisch genau abgemalt, die gesamte Produktpalette, insgesamt 32 verschiedene Suppen. Der Kunsthändler war begeistert und verabredete eine Ausstellung für 1962. Auf seine erste Ausstellung mit diesen Bildern und seinen Erfolg komme ich später zu sprechen. 1962 entstanden bereits die berühmten Pop Ikonen, die Desaster Bilder, Do it yourself, Elvis und Marylin Portraits.
Die ersten Bilder wurden noch nach Vorlage abgemalt, was ihm als gelernten Graphiker nicht schwer fiel, aber zu langsam ging, so daß er zunächst noch einen Gummistempel benutzte, um dann aber bald noch im gleichen Jahr zu seiner berühmten Siebdrucktechnik überzugehen. Er selbst erklärte dazu: „Ich male in dieser Art, weil ich eine Maschine sein möchte.“
1962 hatte Warhol seine ersten Einzelausstellungen in Los Angeles und New York und nahm an der bedeutenden Gruppenausstellung „The New Realists“ bei Sidney Jannis teil. Mit diesen drei Ausstellungen in den USA begann eine bis dahin noch nie dagewesene Erfolgsstory, die die Kunstgeschichte und den Kunsthandel veränderte. 1963 verlegte Warhol sein Atelier und nannte die neuen Räume „Factory“, die er vollständig mit Silberfolie auskleiden ließ und zum Treffpunkt für Kritiker, Sammler, Hippies und Berühmtheiten aus Film und Mode werden ließ. Warhol selbst und seine Statements wurden für die Medien so wichtig wie seine Kunst für die Galerien.
Es waren gerade diese hintergründigen Statements, die so populär wurden wie seine Bilder und das Interesse der Medien an der Pop-Art begründeten.
Bereits 1964 erklärte Warhol, nur noch zu filmen und die Malerei aufzugeben, was er tatsächlich 1967 auch für zehn Jahre tat. 1966 stellte er zum letzten Mal bei Leo Castelli aus und tapezierte bezeichnenderweise die Galerie mit Kuhtapeten und ließ Helium gefüllte Kissen aus Alufolie in den Räumen schweben.
Die innovative Periode der Pop Art ging damit für ihn schon nach fünf Jahren zu Ende.
Zitat: „Meine Bilder werden nie so, wie ich es erwartet hätte, aber ich bin nie überrascht.“
Diese Äußerung belegt, daß Andy Warhol nie das Readymade wollte. Er war und bleibt zu allererst ein Maler, wie sein Spätwerk noch einmal eindrucksvoll belegt.
Schon die Umbenennung seines Ateliers in eine Factory hatte programmatischen Charakter, ebenso die Anwendung von Siebdrucken und die Herstellung von Bildern in unbestimmter Auflage. Die Signatur verlor ihre Bedeutung. Signiert wurden die Bilder von ihm oder seinen Mitarbeitern oder auch überhaupt nicht. Bei seiner zweiten Ausstellung in Los Angeles mit Portraits von Elvis Presley wollte der Künstler die Leinwandrolle mit den gedruckten Portraits unzerschnitten ausstellen, um dem einzelnen Werk seine Aura zu nehmen und auf den seriellen Herstellungscharakter seiner Werke hinzuweisen. Diese radikale Ausstellungsmethode wurde aber vom Galeristen Irvin Blum abgelehnt, der die Portraits nach wie vor isolierte und auf Keilrahmen aufziehen ließ. Bei Leo Castelli 1966 und auch in meiner Galerie 1967 wurden die Kuhmotive auf Tapetenrollen gedruckt und zur Ausstellung auf die Wand tapeziert. Warhol überschritt damit die Grenzen, die der Kunsthandel bis dahin gesetzt hatte und die für die Präsentation und Vermarktung von Kunst essentiell erschienen. Er selbst schien bei all seinen Strategien scheinbar unbeteiligt, jedenfalls vermied er eine programmatische oder gar eine dogmatische Ansicht. Es wurde nie klar, ob er mit seinen Bildern aus der Konsum- oder Medienindustrie eine affirmative oder kritische bis ablehnende Haltung vertrat. Ich denke dabei an seine Desaster oder Electric Chair Bilder oder die Portraitserie der Most Wanted Man, die bereits in dem schon zitierten Artikel Kaprows als neues Bildthema angekündigt worden waren. Die kritische Brisanz der „Most Wanted Man“ wird besonders deutlich in ihrer ursprünglichen Bestimmung und Ablehnung als Installation am New York State Pavillion auf der Weltausstellung in New York 1964.
Auch die Anwendung des Photomaton für seine Selbstportraits wie auch für die meisten seiner Auftragsportraits versuchen eine neutrale, fast maschinelle Indifferenz dem Bild zu übertragen. Der Tod in seinen vielen Erscheinungen, besonders der Tod der Namenlosen, war neben seinen glamourösen Portaits von Berühmtheiten ein offensichtlicher Hinweis auf die Kehrseite von Konsum, Ruhm und Erfolg. Ein ähnliche ambivalentes Wechselspiel vollzog Warhol auch in seinem Verhältnis zur künstlerischen Aura. Obwohl er diese in seinen Werken weitgehend vermied, umgab er sich selbst mit einer Aura, die er in den Dienst seines Personenkultes stellte und dem von ihm so bewunderten Hollywood Stars in nichts nachstand. Als die Tate Gallery in London eine Retrospektive seines Werkes plante, schlug Warhol vor, nur seine 32 Campellsuppen Bilder zu zeigen. Er übernahm aus der Werbung das Prinzip der Serie, das das Motiv in ähnlicher Ambivalenz wie gegenüber dem Tod und der Aura gleichzeitig verstärkte und verflachte.
Gerade in dem intendierten Gegensatz zwischen der forcierten Oberflächlichkeit seiner Werke und der Hintergründigkeit seiner Statements liegt nachträglich die eigentliche Bedeutung von Andy Warhol als konzeptueller Künstler. Wie auch Marcel Duchamp trieb er die Kunst an ihre eigene Grenze. Während Duchamp mit dem Readymade die Kunst auf die Definition des Künstlers reduzierte, produziert Warhol die Kunst als Ware.
Wirkung und Rezeption der Pop-Art
„Buisiness-Kunst ist der Schritt, der nach der Kunst kommt. Ich habe als Werbekünstler begonnen und möchte als Buisiness-Künstler enden. Nachdem ich mich mit „Kunst“ (oder wie immer man das nennt) beschäftigt hatte, ging ich in die Buisiness-Kunst. Ich wollte ein Kunst-Buisinessman werden oder ein Buisiness Künstler. Im Buisiness gut zu sein, ist die faszinierendste Art von Kunst.“
In der Tat hat Warhol dieses Ziel erreicht und damit den Kunsthandel radikal verändert. Lassen Sie mich darum nur an einem Beispiel seiner ersten Ausstellung der 32 Campell Suppen in der Ferus Gallery von Erwin Blum 1962 in Los Angeles die unvorstellbare Preisentwicklung erzählen. Schon die Art der Präsentation der Bilder auf einer vorspringenden Leiste stehend wie auf einem Warenregal machte überdeutlich, daß hier nicht nur Bilder ausgestellt, sondern auch Waren zum Verkauf angeboten wurden.
Der mit der Präsentation verbundene Tabubruch gegenüber der sonst üblichen Auratisierung von Kunstwerken in einer Galerie führte zunächst zu einem kommerziellen Mißerfolg trotz der günstigen Offerte von 200 $ pro Bild, so daß der Rücktransport der unverkauften Bilder für den Kunsthändler fast so teuer geworden wäre wie die Übernahme der gesamten Ausstellung. Auf Wunsch des Künstlers kaufte der Kunsthändler die drei verkauften Arbeiten zurück, um sie nunmehr zu behalten und später ein Werk zu verkaufen. Daran tat er gut, denn er verkaufte die Serie geschlossen 1997 an das Museum of Modern Art in New York für 15 Millionen Dollar. Diese ungeheure Gewinnspanne steht stellvertretend für die Anerkennung Warhols und die enorme Vergrößerung des Kunstmarktes. Noch 1968 wurde die damals bedeutendste und größte Pop-Sammlung Kraushars mit 150 Werke an den deutschen Sammler Ströher für 1,2 Millionen DM geschlossen verkauft (nur die „Marilyn Monroe“ von Andy Warhol aus dieser Sammlung allein brachte kürzlich 17 Millionen Dollar).
Auch der Galerieraum veränderte sich in demselben Sinne wie sich Warhols Atelier zur Factory wandelte. Während in den 60er Jahren die Galerien eher vornehmen Salons mit entsprechendem Mobiliar ähnelten, wurde die neue Galerie zu einem neutralen, funktionalen und professionellen Ausstellungs- , Herstellungs- und Verkaufsraum. Fabriketagen wurden für die neuen Formate und Materialien der Kunstwerke umgebaut oder spezifische Galeriearchitekturen mit professioneller Beleuchtung, Ausstellungstechnik und Lagerhaltung entwickelt, wie es Doherty in dem Begriff des White Cube zusammengefaßt hat.
Was 1962 mit Warhols Präsentationsform noch als Tabubruch empfunden wurde, wurde fünf Jahre später bereits ganz unverholen zur Grundlage des ersten Kunstmarktes zeitgenössischer Kunst. Obwohl diese unverblümte Kommerzialisierung der Kunst von der älteren Generation von Kunsthändlern und Vermittlern noch als schockierend empfunden wurde, gab der unerwartete öffentliche wie kommerzielle Erfolg dieser Strategie Recht: Statt der erwarteten 2000 Besucher kamen 20000 in nur vier Tagen zum ersten Kölner Kunstmarkt. Mit der Kommerzialisierung ging also eine Popularisierung einher, die zu einer damals noch ungeahnten Zahl von Galerieneugründungen führte. Während der erste Kölner Kunstmarkt nur 17 Teilnehmer hatte, sind es heute mehrere hundert, so daß sich die Messe immer wieder genötigt sieht, Bewerber auszujurieren. Auch die Vermarktungsform der Kunst auf einer Messe machte in einer Weise Schule, daß sie heute zur wichtigsten Vertriebsform des Kunsthandels überhaupt geworden ist.
Erst aus diesem Boom entwickelte sich die andere wichtige Vertriebsform für zeitgenössische Kunst, die Auktion. Bezeichnenderweise war es die zweite bedeutende New Yorker Pop Sammlung von Scull, die 1973 als erste Auktion mit zeitgenössischer Kunst in New York versteigert wurde. Seitdem veranstalten nicht nur die beiden großen Marktführer Sotheby’s und Christies, sondern auch alle anderen Auktionshäuser, zweimal im Jahr Versteigerungen von Werken zeitgenössischer Kunst, die oftmals erst im selben Jahr entstanden sind.
Nicht nur der Galerist und der Auktionator haben Warhols Botschaft der Buisiness- Kunst verstanden und in die Tat umgesetzt, sondern auch der Sammler. Hatte schon Peter Ludwig als Schokoladenfabrikant mit Sinn für die Bedeutung der Verpackung die Werbestrategie der Pop-Art richtig erkannt, so wurde der Sammler und Werbefachmann Saatchi mit der Erfindung des Labels Young British Art gewissermaßen selbst zum Schöpfer, Verkäufer und Sammler seiner eigenen Erfindung. Warhol: „Im Buisiness gut zu sein, ist die faszinierendste Art von Kunst.“
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