Die Entwicklung des Kunsthandels für moderne Kunst in Westdeutschland
2001
Vortrag an der HBK Braunschweig
Um die Entwicklung des Kunsthandels für moderne Kunst nach 1945 (also nicht Alte Meister oder Antiquitäten) verständlich zu machen, wird es zunächst nötig sein, die historischen Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg darzustellen. Eingebettet in einen europäisch-amerikanischen Dialog läßt sich die westdeutsche Situation sehr gut entlang der documenta-Ausstellungen rekonstruieren. Dabei rekuriere ich vor allem auf meine eigene Zeitzeugenschaft als 1933 Geborener, der seine ersten prägenden Eindrücke durch die documenta I 1955 erfahren hat, 1959 selbst Generalsekretär der zweiten documenta und von 1959-1992 als Kunsthändler tätig war und aus dieser Perspektive ein halbes Jahrhundert des Kunsthandels überblickt.
Aus der Verlagerung des Kunsthandelszentrums von Paris nach New York wird ein neuer Galerietypus entstehen, den ich O’Doherty zitierend, als White Cube, charakterisieren möchte. Mit der Entwicklung der Galerie vom Ausstellungs- zum künstlerischen und gesellschaftlichen Ereignisraum geht auch eine Ausdifferenzierung des Berufsbildes in den Galeristen einerseits und den Händler anderseits einher. Gegenüber dem Konzept des white cube als idealer Keimzelle künstlerischer Vermittlung wird sich dann eine pragmatische, ganz nach rein ökonomischen Gesichtspunkten konzipierte Vermarktungsform entwickeln: die Kunstmesse, die ich als ehemaliger Mitbegründer in meinem dritten Abschnitt unter dem Motto: „Die Mächte, die ich rief, werd’ ich nun nicht wieder los“ problematisieren möchte.
In der Folge komme ich auf die wachsende Macht der Auktionshäuser zu sprechen, die eine zunehmende Konkurrenz für die privaten Galerien darstellen. In dem Konkurrenzkampf zwischen Galerie und Auktion beginnt sich nun auch der Sammler zu einem neuen Typus zu entwickeln, der den spekulativen Aspekt mehr und mehr ins Zentrum seiner Sammlertätigkeit stellt. Und schließlich steht die den Wertbildungsprozeß sanktionierende Institution des Museum zur Diskussion.
I
Der europäisch-amerikanische Dialog
Die Kunst und ihr Handel wurden in der zweiten Jahrhunderthälfte zunehmend von einem europäisch-amerikanischen Dialog bestimmt. Während in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts der Dialog noch eurozentrisch geführt wurde, d.h. europäische Kunst nach Amerika, aber nicht umgekehrt verkauft wurde, entwickelt sich seit 1958 ein bilaterales Handelsverhältnis, das wesentlich auch die immanente Kunstentwicklung bestimmte.
Die Künstler und auch Sammler der Vereinigten Staaten von Amerika waren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ganz auf Paris fixiert, so daß auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der 50er Jahre eindeutig Paris das Kunstzentrum für moderne Kunst von den Impressionisten bis zur Gegenwartskunst war. Hingegen spielte der Handel mit amerikanischer Kunst oder gar der Verkauf von zeitgenössischer deutscher Kunst in die USA in den 50er Jahren noch keine Rolle. Auf der ersten documenta 1955, immerhin eine internationale Kunstausstellung, waren nur drei Amerikaner vertreten, Albers, Roesch und Calder, wobei die beiden erst genannten deutsche Emigranten waren und Calder bereits seit 1929 immer wieder für längere Zeit in Paris lebte und dort Ausstellungen hatte. Die Pariser Galerien und ihre Sammler übersahen zunächst mit Arroganz und Chauvinismus die künstlerische Entwicklung in New York. Das 1947 neu gegründete Musée Nationale d’Art Moderne, sowie der 1945 ins Leben gerufene Salon de Mai, das wichtigste Ausstellungsforum zeitgenössischer Kunst, waren ausschließlich auf europäische Kunst ausgerichtet mit eindeutigem Schwerpunkt auf die Ecole de Paris. Paris hatte händlerisch gesehen den ungeheuren Vorteil, daß seit der wirtschaftlichen Depression von 1929 und dem damit verbundenen starken Rückgang des Kunsthandels dennoch sehr viele Künstler in Paris lebten. Nicht nur Picasso, Braques, Miro, Chagall, Leger, Arp oder Brancusi arbeiteten dort, sondern bereits eine neue Künstlergeneration wie Dubuffet, Bazain, de Stael, Hans Hartung, Poliakoff oder Wols zeigten ihre Arbeiten in den wenigen Avantgardegalerien wie Carré, Cordier, Drouin, Galérie de France, Leiris, Maeght und Denise René. Während des Krieges wurden im Wesentlichen nur Impressionisten und Postimpressionisten gehandelt, die eigentliche zeitgenössische Kunst blieb unverkäuflich. Der internationale Kunstmarkt, auch der amerikanische, war auf Paris konzentriert, denn nur Werke von Künstlern, die auch in Paris ausstellten, konnten international verkauft werden. Als führender Theoretiker der 50er Jahre in Paris ermöglichte Michel Tapiè tatsächlich 1951 eine stark diskutierte Ausstellung mit dem Titel „Confrontation vehemente“ mit Werken von Pollock und de Kooning sowie Matthieu und Wols und veröffentlichte 1952 sein einflußreiches Buch „Un art autre“, in dem das europäische Informell gleichberechtigt mit der neuen amerikanische Kunst beschrieben und gewürdigt wurde. Obwohl die führenden Pariser Avantgardegalerien nicht zuletzt aus Kostengründen im wesentlichen Werke europäischer Künstler, die in Paris lebten, ausstellten, so muß doch erwähnt werden, daß ausgerechnet die Galerie de France in Zusammenarbeit mit Leo Castelli und Sidney Jannis 1952 Bilder von zwanzig amerikanischen Avantgardekünstlern ausstellte, sicherlich auch weil beide Galeristen Kunsten der französischen Galerien waren. Auch Sidney Jannis und Leo Castelli benötigten noch 1952 das Gütesiegel einer Pariser Galerie, obwohl sie sich so gut wie keine Chancen ausrechnen konnten, in Paris Arbeiten ihrer Künstler zu verkaufen.
In Deutschland begann man in den frühen 50er Jahren ebenfalls nach Paris zu fahren, um dort den lang entbehrten internationalen Anschluß wieder zu finden. Gekauft wurden in den Jahren des Wirtschaftswunders außer der klassischen Moderne, besonders der deutschen Expressionisten und die Künstler des Bauhauses, im wesentlichen Werke der Ecole de Paris. Der Handel mit der klassischen Moderne wurde seit 1947 - 1962 zunehmend von dem sehr erfolgreichen Auktionshaus Roman Norbert Ketterer in Stuttgart geführt. Hier wurden nach der Währungsreform bedeutende Kunstwerke der deutschen klassischen Moderne versteigert. Im Übrigen waren es in Deutschland die Rheinischen Galerien Werner Rusche, Ferdinand Möller, Änne Abels, Der Spiegel von Hein und Eva Stünke, Alex Vömel und Wilhelm Grosshennig, die Berliner Galerie Rudolf Springer, in München Otto Stangel und Günther Francke und in Frankfurt Hanna Bekker vom Rath, die mit klassischer Moderne und zeitgenössischer Kunst handelten. Die schnellen Preissteigerungen der völlig unterbewerteten Kunstwerke belebten den Kunstmarkt nach der Währungsreform, besonders durch die Auktionen von Ketterer, die zu einem Preisbarometer und gesellschaftlichen Ereignis wurden, an dem sich nicht nur die Händler, sondern auch private Käufer beteiligten. Das wieder erwachte Interesse an moderner Kunst führte zu einer Reihe von Galerie Neugründungen in den 50er Jahren wie z.B. die Galerie 22 und der Galerie Schmela in Düsseldorf, Hans-Jürgen Müller in Stuttgart, Otto van de Loo in München und meiner eigenen Galerie in Köln. Der seit 1929 durch die Inflation und dann seit 1933 durch die repressive Kunstpolitik der Nationalsozialisten verursachte Stau der sogenannten Entarteten Kunst löste sich nun als ein großes Bilderreservoir in Ateliers und privaten Sammlungen sowie in wenigen Galerien, die ihre Bilder aus der Vorkriegszeit retten konnten wie z.B. Ferdinand Möller und Günther Franke und bildete die Grundlage eines großen Angebotsmarktes in Deutschland. Dem angestauten Bilderschatz stand der schnelle wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik in den 50er Jahren gegenüber und ermöglichte auch den jüngeren deutschen Kunsthändlern einen Neubeginn, jedoch im Gegensatz zu den meisten älteren Kollegen ohne Kapital, so daß die notwendige Lagerbildung, wie sie noch in den 20er Jahren in Deutschland möglich war, unterblieb. Bis in die 80er Jahre hinein war es dem deutschen Kunsthandel nicht möglich, seine Geschäfte durch Bankkredite zu erweitern und mit der internationalen Konkurrenz gleichzuziehen. Hinzu kam das Fehlen der jüdischen Sammler und Händler, - in den 20er Jahren auch in Deutschland die wichtigste Säule des Kunsthandels. Es ist bezeichnend, daß mit Ausnahme der von Hause aus vermögenden Sammler und Galeristen Otto van de Loo und Otto Stangl keine großen Sammlungen durch deutsche Händler nach dem Kriege entstanden sind wie z.B. in Paris die Sammlung Heinz Berggruen oder in Basel die Sammlung Ernst Beyeler, so wie es vor 1933 dem Münchner Kunsthändler Tannhäuser, dessen Sammlung heute im Guggenheim Museum ausgestellt wird, möglich war. Die deutschen Galerien haben ihre internationale Bedeutung, die sie noch bis 1933 hatten, nach dem Kriege nie wieder bekommen. Die wirklich großen Umsätze mit der klassischen Moderne fanden in der Schweiz, in London oder in New York statt. Wegen des politisch bedingten Nachholbedarfs an moderner Kunst beschränkte sich der deutsche Handel im Wesentlichen auf die deutsche Vorkriegsmoderne sowie die international anerkannte Ecole de Paris. Jegliche Form von figurativer Kunst wie die der Neuen Sachlichkeit oder des Surrealismus waren auf Grund der scheinbaren Nähe zur gegenständlichen Kunst des Dritten Reiches wieder Tabu. Der abstrakte Stil des Informells hingegen versprach im Westen Deutschlands den internationalen Anschluß an die Moderne ohne konkrete Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, während im Osten des Landes der Handel mit dem dominierenden figurativen Stil bis zur 6. documenta 1977 keine Bedeutung hatte. Einzelne Versuche schon in den 50er und 60er Jahren durch die Galerien Springer und Brusberg, wenigstens das Werk von Gerhard Altenbourg in Westberlin und Westdeutschland zu zeigen, fanden wenig Resonanz, das Ausland aber auch der westdeutsche Kunsthandel nahmen sein Werk und das anderer Künstler der DDR nicht zur Kenntnis. Noch zur Eröffnung der 6. Documenta zogen Baselitz und Lüpertz aus Protest einer Beteiligung von Tübke und Heisig ihre Werke zurück. Erst Peter Ludwigs Engagement sorgte für einen nationalen Diskurs und ermöglichte einen leidlich funktionierenden staatlichen Kunsthandel, der jedoch im Jahr 1988 lediglich 3 Million Umsatz machte.
Im Januar 1959 wurde ich dann mit der organisatorischen Durchführung der zweiten documenta von Arnold Bode beauftragt. In dieser Zeit schien sich die Welt der Kunst und mit ihr auch die Welt des Handels zu verändern. Die Nouveaux Realisten Yves Klein, Jean Tinguely und Arman brachen mit ihren monochromen Bildern, Schrottskulturen und Müllakkumulationen die überkommenen Vorstellungen von Kunst, ebenso wie Jasper Johns, dessen Werke 1959 in der Pariser Galerie Rive Droite zum ersten Male gezeigt wurden. Eine weitere wichtige Wegmarke bei diesem Veränderungsprozeß bildete die große Wanderausstellung 1958/59 „The New American Painting“ mit Stationen in Berlin und in sieben weiteren europäischen Städten. Interessanterweise wurde diese Ausstellung vom International Council of the Museum of Modern Art in New York organisiert und mit Geldern der Rockefeller Stiftung finanziert. Jetzt dieser Zeit begann auch die amerikanische Regierung über die Kulturabteilungen ihrer Botschaften amerikanische zeitgenössische Kunst zu fördern und im Ausland auszustellen. Diese von Amerikanern finanzierte Ausstellungstournee war eine deutliche Kampfansage an die bis dahin gültige Vormachtstellung der europäischen Weltkunsthauptstadt Paris. Es ist deshalb nicht überraschend, daß 1959 in Kassel die zweite documenta, die noch von Werner Haftmann als Apotheose an das internationale Informell geplant war, durch den amerikanischen Beitrag, insbesondere durch die Sonderausstellung von Jackson Pollock mit 16 großformatigen Bildern, einen Paradigmenwechsel in der Kunst und im Kunsthandel mit sich brachte. Stellen Sie sich bitte vor, daß in der 2. documenta bereits zwei Combine Paintings von Rauschenberg ausgestellt waren sowie das 2,50 x 5,50 m große Bild „Katedra“ von Barnett Newman, heute im Stedelijk Museum von Amsterdam sowie großformatige Werke von Franz Kline und de Kooning. Es fand in den 100 Tagen der documenta ein ästhetischer Wettstreit zwischen der anerkannten und entsprechend hoch bezahlten Ecole de Paris und den neuen Arbeiten der New York School statt. Die Besucher mußten unwillkürlich die Gemälde von Soulage (ca. DM 100.000,-) aus den frühen 50er Jahren mit den Arbeiten von Franz Kline (ca. DM 40.000,-) aus dem gleichen Zeitraum vergleichen. Es ist wichtig anzumerken, daß der amerikanische Beitrag nicht vom documenta Komitee ausgewählt worden war, sondern von Porter McCray, Leiter für Auslandsausstellungen im Museum of Modern Art. Allein die für europäische Verhältnisse ungewöhnlich großen Formate brachten die gesamte Ausstellungskonzeption durcheinander, so daß zahlreiche europäische Exponate auf dem Dachboden des Friedericianums verbannt werden mußten. Diese völlig unangemessene Hängung in Verbindung mit der mittelmäßigen und zu großen Auswahl des Informell, die meist durch den Pariser Handel lanciert worden waren, ließen den amerikanischen Beitrag noch eindrucksvoller erscheinen und trug zum Niedergang der französischen Kunst und ihrer Handelsmetropole Paris wesentlich bei. Von nun an trat die amerikanische Kunst ihren Siegeszug in Europa an und eroberte den Markt für Europa und die USA. Die französischen Händler waren entsetzt, das ihre amerikanischen Kunden plötzlich mehr an amerikanischer Kunst interessiert waren und sich von ihren europäischen Erwerbungen zu trennen versuchten. Jedoch nicht nur die amerikanischen, sondern auch die europäischen Händler und Sammler kauften zunehmend amerikanische Kunst. Ich selbst stellte 1960 in meiner gerade gegründeten Galerie Werke von Cy Twombly aus, die ich zu meiner nicht geringen Überraschung auch verkaufen konnte. Die Galerie Änne Abels, die sich auf den Handel mit deutschen Expressionisten spezialisiert hatte, zeigte nun auch Werke von Pollock, Rothko und ebenfalls Cy Twombly. Im Gegenzug scheiterte der Versuch, deutsche Kunst der 50er und 60er Jahre in Amerika auszustellen oder gar zu verkaufen, oder wenigsten amerikanische Kollegen an deutscher Kunst zu interessieren völlig. Zu stark wirkte noch die Erinnerung an die deutschen Vergangenheit nach. Nur Ernst Wilhelm Nay, Emil Schumacher und Norbert Kricke konnten für kurze Zeit auch in New Yorker Galerien ihre Werke ausstellen. Der 1959 zwischen Emil Schumacher und Sam Kootz geschlossene fünf Jahresvertrag, der 1959 und 1960 zu Ausstellungen führte, wurde bereits 1961 mit Beginn des Eichmann Prozesses wieder beendet. Der amerikanische Markt blieb selbstbewußt unter sich und akzeptierte die deutschen Sammler und Händler nur als Käufer. Der programmatische Titel der ersten Joseph Beuys Aktion in der Galerie René Block in New York 1974 „I like America and America likes me“ blieb eine prononcierte Zweckbehauptung, die sich als falsch erweisen sollte. Auch alle anderen Bemühungen deutscher Händler, wie die von René Block oder Reinhard Onnasch, in ihren New Yorker Galerien deutsche Kunst an amerikanische Sammler zu verkaufen, scheiterten kläglich. In den 60er und 70er Jahren kauften die Amerikaner, soweit es sich um zeitgenössische Kunst handelte, nur Werke ihrer Künstler. Erst 1981 stellten Xavier Fourcarde und Brooke Alexander, 1982 Ileana Sonnabend Werke von Georg Baselitz aus. In diesen Jahren gab es in den USA keine eigene überzeugende Kunstrichtung mehr. Dies war der Augenblick, in dem amerikanische Händler und Sammler die europäische und damit auch deutsche Kunst für sich entdeckten. Die Preisunterschiede zwischen europäischen und amerikanischen Kunstwerken führten nun unter umgekehrten Vorzeichen zu einem erneuten Interesse an europäischer, insbesondere deutscher Kunst. In den Filmen von Rainer Werner Fassbinder und den Büchern von Heinrich Böll, Günther Grass und Uwe Johnson sowie in den Werken von Anselm Kiefer, Sigmar Polke oder Gerhard Richter fanden die amerikanischen Sammler die lange vermißte Auseinandersetzung deutscher Künstler mit ihrer Vergangenheit. Es war nun nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die New Yorker Händler sich um Ausstellungen deutscher Künstler in ihren Galerien bemühten. Der große Durchbruch für die deutsche Kunst in den USA erfolgte erst 1984, nachdem Rudi Fuchs auf der documenta 7 die deutsche, italienische und spanische figurative Malerei besonders herausgestellt hatte. Im Sog der italienischen Transavantguardia und ihres Propagandisten Archille Bonito Oliva wurden auch die deutschen Maler aufgewertet und in New York ausgestellt. 1982 stellt Holly Solomon in New York Bilder von Sigmar Polke, 1985 die Galerie Sperone-Fischer-Westwater, New York, Werke von Gerhard Richter aus, obwohl er schon 1980 auf der Biennale von Venedig vertreten gewesen war. Aber erst die erfolgreiche Ausstellung von Anselm Kiefer 1984 im Israel Museum von Tel Aviv fegte alle Bedenken amerikanischer Sammler deutscher Kunst gegenüber hinweg. Ein bisher nie dagewesener Boom deutscher Kunst setzte in den USA ein und wurde durch die Galeristen Hochzeit von Michael Werner mit Mary Boone gekrönt. Die Ehe von Werner und Boone, die auch zu wechselseitigen Ausstellung ihrer Künstler führte, hielt solange wie der Boom. Im Sog der Nachfrage bekamen auch andere deutsche Künstler wie Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Werner Büttner und Reinhard Mucha u.a. Anerkennung und ihren amerikanischen Markt. Diese Künstler erlebten in nur wenigen Jahren einen bis dahin nicht dagewesenen nationalen und internationalen Erfolg. Die dadurch ebenfalls einsetzende börsenhafte Spekulation mit deutscher Kunst mußte zwangsläufig auch zu einer Reaktion führen.
II
Die Galerie als white cube
Mit dem Niedergang des Informells und der Ecole de Paris, die letztlich immer noch das traditionelle Tafelbild repräsentierten, und dem Aufstieg der amerikanischen Kunst sowie den neuen europäischen Tendenzen der Nouveau Realisten und später auch der Arte Povera ging eine entscheidende Veränderung der Galerie einher.
Während es noch 1960 durchaus üblich war, Ladenlokale zu Galerien umzufunktionieren - wie ich es auch getan habe -, wurde in den 70er Jahren der spezifische Galerieraum zur Voraussetzung einer ernst zu nehmenden Galeriearbeit.¹ Die neuen Bildformate sowie die sperrigen Objekte und Raum umgreifenden Installationen forderten neue Räume. Die Vorbilder dazu lieferte einmal mehr New York, wo ganze Büro- oder Fabrikationsetagen zu riesigen Ausstellungsflächen umgebaut wurden. Der eigens als Galerie gebaute oder ausgebaute Raum mit entsprechend musealen Möglichkeiten zur Präsentation, Lagerhaltung und Beleuchtung ist ein Indikator für die Erweiterung des Kunstmarktes mit zeitgenössischer Kunst, dem die Professionalisierung eines neuen Berufsstandes des Galeristen korrespondiert. Der Lofttypus wurde auch für die Galerieneubauten bestimmend, so daß davon abweichende Modelle wie der Neubau der Galerie Richard Feigen in New York von Hans Hollein und die Galerie für Alfred Schmela von Aldor van Eyck nur kurz als Galerie genutzt werden konnten. Der Wiener Boutiquecharakter Holleins ebenso wie die dem de Stjil verpflichtete Architektur Aldor van Eycks waren für die neuen Anforderungen einer Galerie nicht mehr zeitgemäß. Auch ich ließ mir 1972 eine Loft ähnliche Galerie bauen, um der veränderten Kunstproduktion einen angemessenen Rahmen bieten zu können.
Wurden noch in den 50er Jahren die fertigen Arbeiten im Atelier ausgesucht und in der Galerie präsentiert, so kamen in den 60er Jahren die Künstler in die Galerie, um die räumlichen Vorgaben in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Die Galerie wurde somit zum integralen Bestandteil der Kunst, indem die Künstler zunehmend Bezug auf den Raum nahmen. Schon 1958 stellte Yves Klein in der Ausstellung „Le Vide“ bei Iris Clert nur die leere Galerie aus, während Arman dieselbe Galerie wenig später in einen Müllcontainer verwandelte, die nur noch von außen durchs Schaufenster eingesehen werden konnte. Die Galerie wurde somit vom reinen Ausstellungsraum zu einem künstlerischen Ereignisraum, der in den Folgejahren zwar sein gesellschaftliches Prestige erheblich vergrößerte, jedoch noch keinen wirtschaftlichen Erfolg garantierte. Im Gegenteil, der professionelle Galerieraum entwickelte sich paradoxerweise zunächst zum Garanten für eine künstlerische Verwirklichung jenseits ökonomischer und gesellschaftlicher Zwänge. „The white cube“, wie O’Doherty den Galerieraum 1986 treffend charakterisierte, war der ideologisch neutrale Rahmen einer vermeintlich autonomen, von jeglichen Zwängen befreiten Kunst. Ein typisches Beispiel für die historische Entwicklung des Galerieraumes ist die Galerie Leo Castelli, die ihre ersten Räume 1958 noch im eigenen Wohnhaus in der 77. Straße eröffnete, sie 1971 in umgebaute Lofträume am West-Broadway Downtown verlegte und Anfang der 80er Jahre mit dem riesigen weißen Kubus auf der Greenstreet erweiterte.
Die Entwicklung vom Ausstellungs- und Verkaufsraum zum künstlerischen Ereignisraum ging in den 60er Jahren parallel mit einem erneuten Interesse an Dada und Surrealismus. Nicht zuletzt durch Jasper Johns, Rauschenberg und die Pop Art rückte das Werk von Schwitters und Duchamp wieder in den Blick und in die Diskussion. Noch auf der zweiten documenta 1959 waren diese Richtungen nicht vertreten mit Ausnahme einer Arbeit von Schwitters von 1919 sowie zwei Bildern von Magritte und Delveaux. Schon 1938 hatte Marcel Duchamp die bis dahin übliche Ausstellungsarchitektur verändert, indem er die internationale Ausstellung der Surrealisten in der Galerie de Beaux-Arts in Paris durch seinen Beitrag mit 1200 Kohlensäcken, die von der Decke hingen, zu einer Installation und zu einem Medienereignis umfunktionierte. Die ausgestellten Bilder der Kollegen wurden somit zur Tapete, wie es dann buchstäblich in meiner Galerie 1967 geschah, als Warhol für seine Ausstellung Tapetenrollen mit Kuhmotiven und mit Helium aufgeblasene Silberkissen schickte. Diese Kissen schwebten analog den Kohlsäcken dicht gedrängt unter der Decke, während die auf die Galeriewände geklebten Kuhtapeten den traditionellen Platz der Kunst einnahmen. Da so von vornherein nichts verkauft werden konnte, wurde die Ausstellung zu einem Ereignis mit Diskussionen über den Standort der Kunst und des Handels.
Schon 1957 hatte Yves Klein den Unterschied zwischen dem materiellen und dem immateriellen Wert der Kunst zum Gegenstand seiner Ausstellung in der Galerie Apollinaire in Mailand gemacht, in der er seine monochromen blauen Bilder gleichen Formats mit unterschiedlichen Preisen versah. Während Yves Klein also noch den geistigen Mehrwert der Kunst zum Thema machte, erklärte Warhol die Kunst ganz unverblümt zur Ware, als er 1964 mit seinen Brillo und Campell Kisten die Stabel Gallery in New York in ein Warenlager verwandelte. In demselben Maße, wie Duchamp mit seinen Ready-Mades die Schleusen für eine beliebige Vervielfältigungs- und Objektkunst geöffnet hatte, bahnte Warhol den Weg für eine Entwicklung, die Kunst zunehmend auch als Anlageobjekt zu betrachten.
In demselben Maße, wie der white cube multifunktionale Möglichkeiten künstlerischer Ausdrucksformen wie Fluxusveranstaltungen, Installationen und Happenings eröffnete, übte er jedoch seinerseits schon bald eigene, nicht zuletzt auch wirtschaftliche Zwänge aus.
Es war eine Situation eingetreten, in der das öffentliche Interesse an moderner Kunst und der kommerzielle Erfolg in solch krassem Mißverhältnis standen, daß es für viele Galerien zwingend wurde, neue Vermittlungsformen und Verkaufsstrategien zu erproben.
Aus diesem Konflikt heraus begann sich das klassische Berufsbild des Kunsthändlers auszudifferenzieren in den Galeristen, der seine Galerie als adäquaten Rahmen für eine zeitgemäße Kunstproduktion zur Verfügung stellen wollte und den Händler, der die Kunst als Ware vermarktete. Hinter der Unterscheidung von Galerist und Kunsthändler steht der alte Gegensatz von Idealismus und Pragmatismus, der sich als immanenter Konflikt in der neu geschaffenen Vermarktungsform des Kunstmarktes für zeitgenössische Kunst potenzierte. Dieser Prozeß der Ausdifferenzierung eines Berufsbildes lief parallel mit anderen Differenzierungsprozessen wie auch im Bereich der Museen, wo Ausstellungen zeitgenössischer Kunst eine immer stärkere Rolle zu spielen begannen. Auch im Bereich des Buchhandels setzte eine Spezialisierung ein, die dem größer werdenden Markt zeitgenössischer Kunst Rechnung trug. Die erste deutsche Kunstbuchhandlung mit Schwerpunkt auf aktuelle Ausstellungskataloge und Kunstzeitschriften wurde nach dem New Yorker Vorbild der Kunstbuchhandlung Wittenborn von Walter König 1969 in Köln eröffnet, der mittlerweile in vielen deutschen Städten und Museen seine Filialen hat.
III
Suche nach neuen Vermarktungsformen: Gründung des ersten Kunstmarktes
Hein Stünke und ich luden 1967 zum ersten Kunstmarkt für zeitgenössische Kunst nur die Galerien ein, die sich auch mit der jüngsten Kunstentwicklung beschäftigten. Die Idee, die Kunst auf den Markt zu tragen, die Bilder aus der Galerie hinaus auf einem Messestand zu zeigen, wurde von vielen Kunsthändlern, die mit klassischer Moderne handelten abgelehnt, besonders vehement von Kahnweiler, dem Händler von Picasso und Juan Gris. Während der Münchner Kunst- und Antiquitätenmarkt, sowie die Stuttgarter Antiquariatsmesse längst vorher völlig problemlos angenommen wurde, stieß der Kölner Kunstmarkt bei den älteren Kollegen auf Ablehnung: Die vom Handel viel beschworene Aura und Diskretion schien gefährdet. Hein Stünke und ich fühlten uns durch die Produktionsweise und Vermarktungsstrategien Andy Warhols, der inzwischen sein Atelier zur Factory umfunktioniert hatte, sehr wohl berechtigt, für die Kunst dieser Generation die Aura der Galerie aufzugeben und sie analog der Konsumgüter auf einer Messe zu präsentieren. Jedoch mußten auch wir erkennen, daß die räumlichen Bedingungen einer temporären Messe im schärfsten Gegensatz zu den sich gerade herausbildenden Präsentationsmöglichkeiten in den Galerien standen.
Man versuchte diesen Konflikt immer wieder zu harmonisieren, indem man die Koje galeriemäßig installierte, oder wie es von den Organisatoren der Messen empfohlen wird, sich auf ein oder zwei Künstler zu beschränken, damit der verheerende Eindruck der Beliebigkeit vermindert wird. Es bleibt ein unlösbarer Widerspruch, die Kojen gleichzeitig als Ausstellungsraum und Markt nutzen zu wollen. Nur der spezifische Galerieraum kann auch in Zukunft wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Durchsetzung zeitgenössischer Kunst sein, aber andererseits finden die Verkäufe mehr und mehr auf den Kunstmärkten statt. Die Kunstmärkte wurden damals ins Leben gerufen, um die Schwellenangst vor den Galerien für zeitgenössische Kunst abzubauen. Das Konzept ging zunächst auf, wurde jedoch schon bald durch zu viele Kunstmärkte aufgeweicht. Schon 1970 entstand der zweite und noch erfolgreichere Kunstmarkt in Basel und 1973 die parallele Gegenmesse in Düsseldorf, gefolgt von weiteren Kunstmessen in Europa, Amerika und Asien. Mit den Kunstmärkten veränderte sich auch das Verhalten der Sammler, die allmählich hauptsächlich auf den Kunstmärkte kauften und somit ihre traditionelle Bindung an einen Händler aufgaben. Die Kunstwerke wurden auch für sie zunehmend zur Ware, die man dort kauft, wo sie am günstigsten angeboten wurde, ohne dabei zu bedenken, daß dadurch auch der lokale Standort der Galerien an Bedeutung verlor. Dennoch wurde die Eigendynamik der Messen so groß, daß sie für das Überleben einer Galerie gleichzeitig existentiell wie langfristig bedrohlich wurden. Deshalb kaufte oder verkaufte z.B. Kölns engagiertester Sammler Wolfgang Hahn nur über Kölner Galerien und nie über Auktionshäuser. Die Transparenz der Kunstmärkte führte die Sammler auch verstärkt zu den Auktionshäusern, die noch bis in die 70er Jahre im wesentlichen von den Händlern besucht wurden.
Mit dem kommerziellen Erfolg der Messen richtete sich nun auch das Interesse der Auktionshäuser auf die zeitgenössische Kunst und ihre Sammler, die zunehmend auch ihre Kunden wurden.
Die ersten erfolgreichen Kunstmärkte waren auch ein Medienereignis, die Presse berichtete über Preise und Preissteigerungen im Vergleich zum Vorjahr. Willy Bongard, einst Börsenredakteur bei der FAZ, veröffentlichte 1970 in der Zeitschrift Capital seinen Kunstkompaß mit einer Chartliste der 100 erfolgreichsten zeitgenössischen Künstler auf Grund einer von ihm entwickelten Punktliste, in der Ausstellungen, Verkäufe, Publikationen etc. berücksichtigt wurden. Diese jährlich zum Kölner Kunstmarkt erscheinende Liste blieb bis zum heutigen Tage nicht nur ungeheuer populär, sondern auch einflußreich. Die Kunst bekam zunehmend den Stellenwert von Aktien und wurde so auch von Bongard bewertet. Kunstferne Personen begannen sich für zeitgenössische Kunst als Anlagewert zu interessieren. In den 80er Jahren begannen dann auch Firmen, wie z.B. die Deutsche Bank, Kunst als Imageförderung oder auch als Investment zu kaufen. Auf der Höhe des Kunstmarktbooms im März 1989 erschien die erste Kunstmarktbeilage der FAZ mit Besprechungen der Auktionen und Galerieausstellungen, was bald in allen überregionalen Zeitungen Schule machte.
IV
Die Macht der Auktionshäuser
Während noch in den 50er Jahren die nationalen wie internationalen Auktionshäuser nur als Agenten der Einlieferer tätig waren und selbst keine Auktionsware aquirierten, veränderte Peter Wilson, Präsident des Auktionshauses Sotheby’s, diese Politik radikal. 1957 gelang es Wilson, die bedeutende New Yorker Impressionisten Sammlung des Berliner Bankiers Goldschmidt mit Werken von Manet, van Gogh und Cezanne u.a. dessen Bild „Junge mit roter Weste“ gegen ein Kaufangebot von 600.000,- Pfund (damals über 7 Millionen DM) des griechischen Reeders Niarchos durch ein höher liegendes Garantieversprechen für das Auktionshaus zu aquirieren. Der Gesamterlös von 780.000,- Pfund bestätigte die riskante, aber erfolgreiche Politik Peter Wilsons. Diese Auktion, die erstmals eigens durch eine Werbefirma vorbereitet wurde, fand als gesellschaftliches Ereignis mit Abendgarderobe und speziell dafür eingeladenen Celebrities statt. Es erschien ebenfalls erstmals ein eigener Katalog, in dem die sieben Bilder farbig reproduziert wurden. Von den sieben verkauften Bildern wurden sechs in die USA verkauft, ein unübersehbarer Hinweis, wo der eigentliche Markt sich bereits befand. Trotzdem wurde von nun an London zum Zentrum des Handels nicht nur für alte Kunst wie bisher, sondern auch für Impressionisten und die klassische Moderne. 1964 kaufte Sotheby’s das größte und traditionsreichste amerikanischen Auktionshaus Park-Bernet und verlegte die prestigträchtigen Impressionisten-Auktionen von London nach New York. Schon 1965 versteigert Sotheby’s in New York auch die belgische Sammlung Moderner Kunst von Dotrement mit Bildern zeitgenössischer europäischer und amerikanischer Kunst. Einige der verkauften Werke waren nicht einmal zehn Jahre alt. Ein neuer und ertragreicher Zweig der Auktionshäuser wurde damit eröffnet. Sotheby’s und im Gefolge Christie’s starteten in den folgenden Jahren eine aktive Werbung weltweit für ihre Häuser und eröffneten in den meisten großen Städten Europas und des fernen Ostens eigene Büros. Es gelang den Auktionshäusern, durch Werbekampagnen den Eindruck zu vermitteln, daß Kunstkäufe auch erfolgreiche Anlagekäufe sein. So wurden regelmäßig Art Index Listen veröffentlicht analog der Kurszettel von Aktien mit den Kursgewinnen, um verstärkt nicht nur Kunstliebhaber, sondern auch Investoren, insbesondere Investmentfonds zu Kunstkäufen bei ihren Auktionen zu animieren. Diese beginnende Spekulation wurde jedoch 1973 jäh durch die erste Ölkrise und den Yom Kippur Krieg unterbrochen und veranlaßte 1974 die beiden großen Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s ihren 30% Umsatzrückgang durch die Einführung eines 10% Käuferaufgeldes auszugleichen. Bis dahin zahlte nur der Einlieferer im Durchschnitt 14% Kommission. Diese Maßnahme löste den massiven Protest und vorübergehenden Boykott der Kunsthändler aus. Die Auktionshäuser begegneten dem Boykott mit verstärkten Kontakten zu den Privatkunden der Händler, wodurch ein verschärfter Konkurrenzkampf entstand, der schließlich zu der marktbeherrschenden Position der Auktionshäuser führte. Noch 1973 wurden 80% der Umsätze mit moderner Kunst mit dem Handel getätigt, in den 80er Jahren drehte sich dieses Verhältnis um und beträgt heute 20% mit dem Handel und 80% mit Privatkunden. Vollends wurde diese Entwicklung dadurch weiter angeheizt, daß Christie’s 1973 und Sotheby’s 1977 in Aktiengesellschaften umgewandelt wurden und Sotheby’s nun unter Führung des amerikanischen Großaktionärs Taubman Vorauszahlungen auf die eingelieferte Ware sowie Ankaufskredite bis zum halben Wert der Schätzpreise gewährte. Ganz im Gegensatz zu den alten Gepflogenheiten der Auktionshäuser, wonach der Auktionator verpflichtet war, nur in Ausnahmefällen Eigenware zu versteigern und diese Ware zu kennzeichnen, wurden immer mehr Kunstwerke für die Auktionen erworben, sogar ganze Sammlungen durch Garantieversprechen quasi angekauft, um so die Kennzeichnungspflicht der Eigenware zu umgehen. Damit verlor der Auktionator auch seine Unabhängigkeit gegenüber Käufern und Verkäufern. Die Auktionshäuser veränderten sich zu multinationalen Konzernen. Die Sammler wurden nun auf der ganzen Welt schon zu Lebzeiten von Spezialisten betreut und zum Kauf bzw. Verkauf bestimmter Teile ihrer Sammlung animiert. Diese traditionelle Aufgabe des Kunsthändlers ging in den 80er Jahren mehr und mehr in den Aufgabenbereich der großen Auktionshäuser über. Lagen die Umsätze 1957 bei Sotheby’s noch bei 3,2 Millionen Pfund, erreichten sie 1968/69 bereits 40 Millionen Pfund und stiegen im Boomjahr 1989/90 auf fast 2 Milliarden Pfund - immer dicht gefolgt vom Konkurrenten Christie’s. Die Preissteigerungen des Kunstmarktes lassen sich besonders gut am Verkauf des Selbstportraits „Io“ von Picasso von 1901 belegen, das Hugo von Hofmansthals bei Tannhauser in München 1912 für 13.000 Reichsmark aus Tantiemen des Rosenkavaliers gekauft hatte und die Erben es durch Christie’s 1970 für 1.280.000, - DM, versteigerten. Dasselbe Bild erschien dann noch mehrmals auf New Yorker Auktionen und stieg 1975 auf 1.650,000 DM, 1981 bereits auf 13,4 Millionen DM und schließlich 1989 auf 91,3 Millionen DM. Heute befindet sich das Bild als private Leihgabe in der Kunsthalle Zürich und wartet vermutlich auf einen neuen Verkauf. Ebenso rasant stiegen auch die Preise für die zeitgenössische Kunst, um nur das Gemälde „Interchange“ von Wilhelm de Kooning als Beispiel zu nehmen, das von 10.000 $ in den 50er Jahren 1989 auf 20,7 Millionen Dollar stieg. Die Preisspirale begann 1985 gefährlich zu werden, als Japan auf Grund eines internationalen Abkommens den Yen aufwertete, und dadurch die neuen Yen Milliardäre neben den Immobilien auch die Kunst als Anlageobjekt entdeckten. Bereits 1988 importierten japanische Sammler Kunstwerke im Wert von 2,5 Milliarden Dollar, was mehr als die Hälfte des gesamten Auktionsgeschäftes der Welt mit Impressionisten und moderner Kunst ausmachte. Der 16. Oktober 1987, ein Tag, der als zweiter schwarzer Freitag in die Geschichte des Aktienhandels einging und einer der schwersten Zusammenbrüche der Finanzmärkte seit 1929 war, führte im November jedoch noch nicht wie allgemein erwartet zum Zusammenbruch des bereits aufgeblähten Kunstmarktes, sondern ganz im Gegensatz und wider jede Vernunft zu bisher unerreichten und auch unvorstellbaren Preisen. Alan Bond, ein Industrieller aus Sidney, kaufte am 11. November 1987 mit zur Hälfte von Sotheby’s geliehenem Geld für 50 Millionen Dollar die „Schwertlilien“ von van Gogh, das er jedoch später nicht bezahlen konnte und deshalb von Sotheby’s zu einem ungenannten Preis ans Getty Museum in Los Angeles verkauft wurde. Zuvor im Januar desselben Jahres hatte Christie’s eines der sieben „Sonnenblumen“- Bilder van Goghs an eine japanische Hausratsversicherung für 40 Millionen Dollar verkauft. Dieser Preis sollte jedoch noch nicht der höchste sein, sondern ein anderes Gemälde von van Gogh, das Portrait „Dr. Gachet“, das 1990 für 82,5 Millionen Dollar verkauft wurde und bis heute der höchste Preis für ein Kunstwerk ist. Dieses Bild hatte Siegfried Kramarsky aus Hamburg-Altona, der in den 30er Jahren Deutschland verlassen mußte und über Holland nach Amerika auswanderte, noch kurz vor dem Zweiten Weltkrieg von der Städtischen Galerie im Städl in Frankfurt gekauft. Die Erbengemeinschaft verkaufte das Bild über Christie’s an einen japanischen Industriellen, der gleichzeitig noch für 78 Millionen Dollar Renoirs Gemälde „Au Moulin de la Palette“ erwarb. Der spekulative Charakter dieser Preise, die weitgehend auf der Grundlage von Krediten erzielt wurden, verstärkte das Mißtrauen der Sammler weltweit. Dies führte schon sechs Monate später zu einer seit 1929 nicht dagewesenen Krise im internationalen Kunsthandel. Vor dem Hintergrund der großen Umbrüche in Osteuropa suchte das 1987 in den Kunsthandel eingebrachte spekulative Kapital andere Anlagemöglichkeiten.
Diese gigantischen Umsatz- und Preissteigerungen wurden nicht zuletzt deshalb möglich, weil immer mehr Kunst als Anlage, besonders von Japanern, auf den Auktionen erworben wurde. Seit 1973 begannen die Auktionshäuser auch zweimal jährlich große Auktionen zeitgenössischer Kunst durchzuführen. Während die Witwe Kraushar ihre 150 Werke umfassende Pop Art Sammlung noch an den deutschen Sammler Ströher aus Darmstadt 1968 für 1,2 Millionen DM diskret verkaufte (nur die „Marilyn Monroe von Andy Warhol aus dieser Sammlung allein brachte kürzlich 17 Millionen Dollar), wurde die ebenso bedeutende Pop Sammlung von Scull 1973 als erste Auktion mit zeitgenössischer Kunst in New York versteigert. Die großen Wertsteigerungen in relativ kurzer Zeit wurden stark diskutiert und förderten das Interesse an zeitgenössischer Kunst. Damit wurden die Auktionshäuser auch unmittelbare Konkurrenten der Galerien für zeitgenössische Kunst. Diese Auktionen waren durch ihre weltweite Publizität zunächst verkaufsfördernd für die Galerien, so kehrte sich dieser Trend jedoch nach und nach um, da der für Galerien wirtschaftlich effizientere Secondary Market zunehmend von den Auktionshäusern abgewickelt wurde. Dabei spielt die Diskretion und die geringere Steuerbelastung eine maßgebliche Rolle. Während die Galerien in Europa nicht zuletzt auf Grund der Transparenz der Messen, der Steuern und des Folgerechts diese Diskretion nicht mehr erfüllen konnten, haben Einlieferer wie Käufer auf Auktionen die Möglichkeit, anonym zu bleiben. Die multinationalen Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s weichen der in Europa zunehmenden Bürokratisierung und Reglementierung aus, indem sie ihre großen Auktionen in den USA veranstalten. Über einige Galerien werden die Auktionshäuser in Zukunft auch vertragliche Absprachen mit den Künstlern treffen, um die Galerien von ihren letzten noch verbleibenden Aufgaben zu verdrängen. Das Auktionshaus Christie’s verfolgt bisher eine etwas diskretere Politik und gibt nicht bekannt, mit welchen Galerien sie wirtschaftlich verbunden ist. Statt dessen sponsort Christie’s Ausstellungen zeitgenössischer Kunst als Investition für das zukünftige Auktionsgeschäft wie z.B. die Finanzierung der Londoner Ausstellung der Royal Academy „Sensation“ 1998, die anschließend in der Nationalgalerie in Berlin zu sehen war, deren einziger Leihgeber Charles Saatchi bereits in den 80 Jahren für seine spekulativen Gewinne mit zeitgenössischer Kunst berühmt geworden ist und aus dessen Sammlung 130 Werke junger englischer Künstler kurz darauf bei Christie’s versteigert wurden, die meisten davon nicht älter als vier Jahre.
V
Der neue Sammler
Schon Peter Ludwig und nach ihm Karl Ströher erkannten durchaus die kostensparende und wertsteigernde Möglichkeit der musealen Präsentation ihrer großen Sammlungsbestände. Sie beide hatten aber das erklärte Ziel, ihre Sammlungen der Öffentlichkeit zu stiften, was in Darmstadt nur auf Grund der Borniertheit der Wiesbadener Landesregierung verhindert wurde. Während Peter Ludwig als Sammler alter Schule Weltkunst vom Mittelalter bis zur Neuzeit für die Museen sammelte und dabei als erster großer Sammler auch Pop-Art für das Walraff-Richartz Museum in Köln kaufte, setzt Saatchi die Museen bisher unverholen in den Dienst seiner Marktstrategien ein. Als Inhaber einer erfolgreichen Werbeagentur erkannte er wie kein anderer, wie sich die Nachfrage für zeitgenössische Kunst durch das Prestige anerkannter Museen steigern läßt, die er allerdings nicht mehr als Endstation anvisiert, sondern als wertsteigernde Durchgangsstationen für die erfolgreiche Vermarktung auf Auktionen oder im Handel. Mit Charles Saatchi kam in den 80er Jahren ein neuer, ganz auf zeitgenössische Kunst spezialisierter Sammlertypus in die Kunstszene, der seine Erwerbungen unter marktstrategischen Gesichtspunkten tätigt und Ateliers, Galerien sowie Auktionshäuser in seine Strategien miteinbezieht. Dabei scheint das für eine Sammlung maßgebliche Kriterium der Dauerhaftigkeit keine Rolle mehr zu spielen, was zu der Frage Anlaß gibt, was diese Art des Sammlens dann vom Handeln noch unterscheidet. Die Antwort lautet schlicht: nichts, nur daß diese Sammler ihre An- und Verkäufe nicht als Gewerbe deklarieren und somit auch nicht den vielen verschieden Steuerarten des Kunsthandels unterworfen sind. Während noch bis in die 70er Jahre hinein die Umschlaggeschwindigkeit von Kunstwerken in Europa 30 Jahre betrug, verkürzt sich diese Zeit heute auf wenige Jahre. Die Sammler werden immer mehr zu Händlern. Gleichzeitig übernehmen sie bereitwillig Aufgaben der Museen, die durch das Ausbleiben öffentlicher Gelder brach liegen, wobei sie mehr und mehr ihre ureigensten Interessen durchzusetzen versuchen wie in Deutschland z.B. der Sammler Marx, der seine Sammlung im Hamburger Bahnhof in Berlin ausstellt und seinen Händler Heiner Bastian als Kurator eingestellt hat.
Zusammenfassend läßt sich eine enorme Vergrößerung, Beschleunigung und Globalisierung des Kunstmarktes seit den 60er Jahren konstatieren. Die Pop Art, besonders aber der Medienstar Andy Warhol hat den Kunsthandel durch das öffentliche Interesse an seiner Person und seinem Werk mehr verändert, als irgendeine Kunstrichtung oder ein Künstler je zuvor. Die revolutionäre Erweiterung des Kunstbegriffs durch Marcel Duchamp beeinflußte zunächst nur die Fachwelt, der radikal veränderte Kunstbegriff Andy Warhols hingegen sofort eine breite Öffentlichkeit. Warhols Ununterscheidbarkeit der Wirklichkeit und ihrer medialen Repräsentationen ermöglichten uns in den 60er Jahren die Fotografie als Kunst wahrzunehmen. Die fortschreitende Computerisierung und Digitalisierung wird diese Wahrnehmung weiter verändern. Die Pop Art und in ihrem Gefolge die Kunstmärkte erreichten neue Sammler und Märkte besonders in den USA. Noch bis 1960 war der Kreis der Künstler, Händler und Sammler sehr, sehr klein, der Dialog unter ihnen jedoch um so intensiver. Die rasante Industrialisierung des Kunsthandels und mit ihr die neuen technischen Errungenschaften wie die schnellen und bequemen Flugverbindungen, das Faxgerät und der Computer beschleunigte in den 80er Jahren den Kunsthandel wie nie zuvor. Darüberhinaus erzeugten und erzeugen die Möglichkeiten der Datenverarbeitung und des Informationsservice durch Computer und Internet hohe Erwartungen an neuartige Vermittlungs- und Vermarktungsformen. So verlegte die Frankfurter Galerie Hans Neuendorf ihr Geschäft ganz vom traditionellen Kunsthandel weg zur Aufbereitung von Daten des Kunsthandels wie z.B. Auktionsergebnissen, das Suchen und Verkaufen sowie Auktionen von Kunstwerken über Internet. Das von Hans Neuendorf ins Leben gerufene „Art Net“ speichert Daten von Kunstwerken inklusive ihrer Abbildungen, die durch Auktionshäuser weltweit seit 1985 verkauft worden sind. Hierbei werden auch kleinere und weniger bekannte Auktionshäuser erfaßt, sofern sie Kataloge publizieren. Rund Tausend Kunsthändler und Galeristen offerieren oder annoncieren im „ArtNet“ Kunstwerke oder Ausstellungen, was allerdings gemessen an der Globalität des Internetmarktes noch keine wirtschaftliche Rolle spielt. Art-Net veranstaltete durch Internet Auktionen, meist im unteren Preissegment, die jedoch unwirtschaftlich waren und inzwischen eingestellt worden sind. Auch die Internet-Auktionen von Sotheby’s sind z.Zt. noch große Verlustgeschäfte (DM 100 Millionen im letzten Geschäftsjahr) und werden möglicherweise auch eingestellt, da das Handling zu personalintensiv wird. Auch die reinen Information, die man über „Art-Net“ beziehen kann, sind noch nicht kostendeckend. Hingegen rechnet es sich für die Galeristen, ihr Lager oder Teile davon bzw. Installationsaufnahmen ihrer Ausstellungen über die eigene Website anzubieten oder auch bestimmte Werke zu suchen.
Als ehemaliger Kunsthändler möchte ich darum abschließend die Frage thematisieren, ob der Galerist oder Kunsthändler in diesem Jahrhundert den Konkurrenzkampf mit den immer stärker werdenden Auktionshäusern bestehen wird?
Der Ausverkauf der Moderne, der in den 80er Jahren zu immer größeren Umsätzen und gigantischen Preisen führte und in den 90er Jahren eine erhebliche Rezession und Preiskorrektur erfuhr, um nun wieder neue Höchstpreise zu erreichen (van Gogh 110 Millionen DM), wird auch in Zukunft vor allem von den Auktionshäusern übernommen. Bereits Peter Wilson von Sotheby’s hat schon lange das Ende der Galerien vorausgesagt. Zu Unrecht, wie ich glaube. Schon allein deshalb, weil auch die Auktionshäuser die Mitarbeit der Händler und der Galeristen für ihre eigene Zukunft brauchen. Jedoch werden meiner Einschätzung nach nur diejenigen Galerien mittel- und längerfristig überleben, die sich mit gleichgesinnten Kollegen im In- und Ausland vernetzen und gemeinsame Ausstellungen sowie Lagerhaltung bestreiten. Noch stärker als bisher wird die Professionalität des Galeristen gefordert sein, um den globalisierten Konkurrenzkampf bestehen zu können. Die allgemeine Verfügbarkeit von Informationen führt zu einem Verlust an Informationsvorsprung, der noch zu meiner Zeit ein wesentliches Kapital des Kunsthändlers darstellte und der heute nur durch eine zunehmend spezialisierte Serviceleistung kompensiert werden kann. Intensive Kundenbetreuung, auch im Bereich der neuen Firmenkunden, Entwicklung von maßgefertigten Sammlungskonzepte und Verträge mit Künstlern gehören zu den Möglichkeiten, mit denen sich Galerien noch von den Auktionshäusern absetzen können. Aber auch in Zukunft werden engagierte Galerien es leichter und kostengünstiger als die Auktionshäuser haben, ihre Künstler individuell zu betreuen und ihre Werke in gewünschte Sammlungen gezielt zu plazieren, was zumindest über Auktion nicht möglich ist. Gerade in diesem Bereich wird sich in Zukunft der Konkurrenzkampf zwischen den Galerien und den Auktionshäusern verstärken. Dabei erscheint mir ein Partner in den USA erscheint mir heute bereits zwingend für deutsche Händler und Galeristen, da alle Kommissionsgeschäfte in Deutschland neben allen anderen Steuern allein mit 5% Folgerecht plus der MWSt. belastet werden, die Vermittlungsprovision hochwertiger Kunstwerke im Allgemeinen jedoch nur 10% beträgt. Nur wenn der Kunsthandel die Konditionen der Auktionshäuser im Verkauf unterbietet und mehr individuelle Betreuung als sie leistet, kann er die Sammler wieder stärker an sich binden. Dabei wird entscheidend sein, ob trotz immer stärker werdender europäischer Reglementierung die europäischen Galerien mit den amerikanischen Schritt halten werden. Voraussetzung dafür ist ein wesentlich größeres Kapital, damit der Aufbau eines immer größer werdenden Eigenlagers möglich wird, um so dem sekundär Markt der Auktionshäuser begegenen zu können. Bildete nach dem Zweiten Weltkrieg der Dialog mit Amerika die entscheidende Herausforderung für den europäischen und damit auch den deutschen Kunsthandel, so gilt es heute für die Galerien, den Prozeß der Globalisierung zu akzeptieren, ihr Profil als lokale Keimzelle künstlerischer Vermittlung zu wahren und sich dabei gleichzeitig international zu vernetzen.
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Die Notwendigkeit, einen spezifischen Raum für die Kunst der Zeit zu bauen, wurde bereits im Bauhaus propagiert und in der Nachkriegszeit von Sandberg und Riedfeld in Amsterdem und in Deutschland von Arnod Bode in einer spezifischen Ausstellungsarchitektur fortgeführt.
Die Entwicklung des Kunsthandels für moderne Kunst in Westdeutschland
Vortrag an der HBK Braunschweig
2001
Um die Entwicklung des Kunsthandels für moderne Kunst nach 1945 (also nicht Alte Meister oder Antiquitäten) verständlich zu machen, wird es zunächst nötig sein, die historischen Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg darzustellen. Eingebettet in einen europäisch-amerikanischen Dialog läßt sich die westdeutsche Situation sehr gut entlang der documenta-Ausstellungen rekonstruieren. Dabei rekuriere ich vor allem auf meine eigene Zeitzeugenschaft als 1933 Geborener, der seine ersten prägenden Eindrücke durch die documenta I 1955 erfahren hat, 1959 selbst Generalsekretär der zweiten documenta und von 1959-1992 als Kunsthändler tätig war und aus dieser Perspektive ein halbes Jahrhundert des Kunsthandels überblickt.
Aus der Verlagerung des Kunsthandelszentrums von Paris nach New York wird ein neuer Galerietypus entstehen, den ich O’Doherty zitierend, als White Cube, charakterisieren möchte. Mit der Entwicklung der Galerie vom Ausstellungs- zum künstlerischen und gesellschaftlichen Ereignisraum geht auch eine Ausdifferenzierung des Berufsbildes in den Galeristen einerseits und den Händler anderseits einher. Gegenüber dem Konzept des white cube als idealer Keimzelle künstlerischer Vermittlung wird sich dann eine pragmatische, ganz nach rein ökonomischen Gesichtspunkten konzipierte Vermarktungsform entwickeln: die Kunstmesse, die ich als ehemaliger Mitbegründer in meinem dritten Abschnitt unter dem Motto: „Die Mächte, die ich rief, werd’ ich nun nicht wieder los“ problematisieren möchte.
In der Folge komme ich auf die wachsende Macht der Auktionshäuser zu sprechen, die eine zunehmende Konkurrenz für die privaten Galerien darstellen. In dem Konkurrenzkampf zwischen Galerie und Auktion beginnt sich nun auch der Sammler zu einem neuen Typus zu entwickeln, der den spekulativen Aspekt mehr und mehr ins Zentrum seiner Sammlertätigkeit stellt. Und schließlich steht die den Wertbildungsprozeß sanktionierende Institution des Museum zur Diskussion.
Der europäisch-amerikanische Dialog
Die Kunst und ihr Handel wurden in der zweiten Jahrhunderthälfte zunehmend von einem europäisch-amerikanischen Dialog bestimmt. Während in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts der Dialog noch eurozentrisch geführt wurde, d.h. europäische Kunst nach Amerika, aber nicht umgekehrt verkauft wurde, entwickelt sich seit 1958 ein bilaterales Handelsverhältnis, das wesentlich auch die immanente Kunstentwicklung bestimmte.
Die Künstler und auch Sammler der Vereinigten Staaten von Amerika waren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ganz auf Paris fixiert, so daß auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der 50er Jahre eindeutig Paris das Kunstzentrum für moderne Kunst von den Impressionisten bis zur Gegenwartskunst war. Hingegen spielte der Handel mit amerikanischer Kunst oder gar der Verkauf von zeitgenössischer deutscher Kunst in die USA in den 50er Jahren noch keine Rolle. Auf der ersten documenta 1955, immerhin eine internationale Kunstausstellung, waren nur drei Amerikaner vertreten, Albers, Roesch und Calder, wobei die beiden erst genannten deutsche Emigranten waren und Calder bereits seit 1929 immer wieder für längere Zeit in Paris lebte und dort Ausstellungen hatte. Die Pariser Galerien und ihre Sammler übersahen zunächst mit Arroganz und Chauvinismus die künstlerische Entwicklung in New York. Das 1947 neu gegründete Musée Nationale d’Art Moderne, sowie der 1945 ins Leben gerufene Salon de Mai, das wichtigste Ausstellungsforum zeitgenössischer Kunst, waren ausschließlich auf europäische Kunst ausgerichtet mit eindeutigem Schwerpunkt auf die Ecole de Paris. Paris hatte händlerisch gesehen den ungeheuren Vorteil, daß seit der wirtschaftlichen Depression von 1929 und dem damit verbundenen starken Rückgang des Kunsthandels dennoch sehr viele Künstler in Paris lebten. Nicht nur Picasso, Braques, Miro, Chagall, Leger, Arp oder Brancusi arbeiteten dort, sondern bereits eine neue Künstlergeneration wie Dubuffet, Bazain, de Stael, Hans Hartung, Poliakoff oder Wols zeigten ihre Arbeiten in den wenigen Avantgardegalerien wie Carré, Cordier, Drouin, Galérie de France, Leiris, Maeght und Denise René. Während des Krieges wurden im Wesentlichen nur Impressionisten und Postimpressionisten gehandelt, die eigentliche zeitgenössische Kunst blieb unverkäuflich. Der internationale Kunstmarkt, auch der amerikanische, war auf Paris konzentriert, denn nur Werke von Künstlern, die auch in Paris ausstellten, konnten international verkauft werden. Als führender Theoretiker der 50er Jahre in Paris ermöglichte Michel Tapiè tatsächlich 1951 eine stark diskutierte Ausstellung mit dem Titel „Confrontation vehemente“ mit Werken von Pollock und de Kooning sowie Matthieu und Wols und veröffentlichte 1952 sein einflußreiches Buch „Un art autre“, in dem das europäische Informell gleichberechtigt mit der neuen amerikanische Kunst beschrieben und gewürdigt wurde. Obwohl die führenden Pariser Avantgardegalerien nicht zuletzt aus Kostengründen im wesentlichen Werke europäischer Künstler, die in Paris lebten, ausstellten, so muß doch erwähnt werden, daß ausgerechnet die Galerie de France in Zusammenarbeit mit Leo Castelli und Sidney Jannis 1952 Bilder von zwanzig amerikanischen Avantgardekünstlern ausstellte, sicherlich auch weil beide Galeristen Kunsten der französischen Galerien waren. Auch Sidney Jannis und Leo Castelli benötigten noch 1952 das Gütesiegel einer Pariser Galerie, obwohl sie sich so gut wie keine Chancen ausrechnen konnten, in Paris Arbeiten ihrer Künstler zu verkaufen.
In Deutschland begann man in den frühen 50er Jahren ebenfalls nach Paris zu fahren, um dort den lang entbehrten internationalen Anschluß wieder zu finden. Gekauft wurden in den Jahren des Wirtschaftswunders außer der klassischen Moderne, besonders der deutschen Expressionisten und die Künstler des Bauhauses, im wesentlichen Werke der Ecole de Paris. Der Handel mit der klassischen Moderne wurde seit 1947 - 1962 zunehmend von dem sehr erfolgreichen Auktionshaus Roman Norbert Ketterer in Stuttgart geführt. Hier wurden nach der Währungsreform bedeutende Kunstwerke der deutschen klassischen Moderne versteigert. Im Übrigen waren es in Deutschland die Rheinischen Galerien Werner Rusche, Ferdinand Möller, Änne Abels, Der Spiegel von Hein und Eva Stünke, Alex Vömel und Wilhelm Grosshennig, die Berliner Galerie Rudolf Springer, in München Otto Stangel und Günther Francke und in Frankfurt Hanna Bekker vom Rath, die mit klassischer Moderne und zeitgenössischer Kunst handelten. Die schnellen Preissteigerungen der völlig unterbewerteten Kunstwerke belebten den Kunstmarkt nach der Währungsreform, besonders durch die Auktionen von Ketterer, die zu einem Preisbarometer und gesellschaftlichen Ereignis wurden, an dem sich nicht nur die Händler, sondern auch private Käufer beteiligten. Das wieder erwachte Interesse an moderner Kunst führte zu einer Reihe von Galerie Neugründungen in den 50er Jahren wie z.B. die Galerie 22 und der Galerie Schmela in Düsseldorf, Hans-Jürgen Müller in Stuttgart, Otto van de Loo in München und meiner eigenen Galerie in Köln. Der seit 1929 durch die Inflation und dann seit 1933 durch die repressive Kunstpolitik der Nationalsozialisten verursachte Stau der sogenannten Entarteten Kunst löste sich nun als ein großes Bilderreservoir in Ateliers und privaten Sammlungen sowie in wenigen Galerien, die ihre Bilder aus der Vorkriegszeit retten konnten wie z.B. Ferdinand Möller und Günther Franke und bildete die Grundlage eines großen Angebotsmarktes in Deutschland. Dem angestauten Bilderschatz stand der schnelle wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik in den 50er Jahren gegenüber und ermöglichte auch den jüngeren deutschen Kunsthändlern einen Neubeginn, jedoch im Gegensatz zu den meisten älteren Kollegen ohne Kapital, so daß die notwendige Lagerbildung, wie sie noch in den 20er Jahren in Deutschland möglich war, unterblieb. Bis in die 80er Jahre hinein war es dem deutschen Kunsthandel nicht möglich, seine Geschäfte durch Bankkredite zu erweitern und mit der internationalen Konkurrenz gleichzuziehen. Hinzu kam das Fehlen der jüdischen Sammler und Händler, - in den 20er Jahren auch in Deutschland die wichtigste Säule des Kunsthandels. Es ist bezeichnend, daß mit Ausnahme der von Hause aus vermögenden Sammler und Galeristen Otto van de Loo und Otto Stangl keine großen Sammlungen durch deutsche Händler nach dem Kriege entstanden sind wie z.B. in Paris die Sammlung Heinz Berggruen oder in Basel die Sammlung Ernst Beyeler, so wie es vor 1933 dem Münchner Kunsthändler Tannhäuser, dessen Sammlung heute im Guggenheim Museum ausgestellt wird, möglich war. Die deutschen Galerien haben ihre internationale Bedeutung, die sie noch bis 1933 hatten, nach dem Kriege nie wieder bekommen. Die wirklich großen Umsätze mit der klassischen Moderne fanden in der Schweiz, in London oder in New York statt. Wegen des politisch bedingten Nachholbedarfs an moderner Kunst beschränkte sich der deutsche Handel im Wesentlichen auf die deutsche Vorkriegsmoderne sowie die international anerkannte Ecole de Paris. Jegliche Form von figurativer Kunst wie die der Neuen Sachlichkeit oder des Surrealismus waren auf Grund der scheinbaren Nähe zur gegenständlichen Kunst des Dritten Reiches wieder Tabu. Der abstrakte Stil des Informells hingegen versprach im Westen Deutschlands den internationalen Anschluß an die Moderne ohne konkrete Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, während im Osten des Landes der Handel mit dem dominierenden figurativen Stil bis zur 6. documenta 1977 keine Bedeutung hatte. Einzelne Versuche schon in den 50er und 60er Jahren durch die Galerien Springer und Brusberg, wenigstens das Werk von Gerhard Altenbourg in Westberlin und Westdeutschland zu zeigen, fanden wenig Resonanz, das Ausland aber auch der westdeutsche Kunsthandel nahmen sein Werk und das anderer Künstler der DDR nicht zur Kenntnis. Noch zur Eröffnung der 6. Documenta zogen Baselitz und Lüpertz aus Protest einer Beteiligung von Tübke und Heisig ihre Werke zurück. Erst Peter Ludwigs Engagement sorgte für einen nationalen Diskurs und ermöglichte einen leidlich funktionierenden staatlichen Kunsthandel, der jedoch im Jahr 1988 lediglich 3 Million Umsatz machte.
Im Januar 1959 wurde ich dann mit der organisatorischen Durchführung der zweiten documenta von Arnold Bode beauftragt. In dieser Zeit schien sich die Welt der Kunst und mit ihr auch die Welt des Handels zu verändern. Die Nouveaux Realisten Yves Klein, Jean Tinguely und Arman brachen mit ihren monochromen Bildern, Schrottskulturen und Müllakkumulationen die überkommenen Vorstellungen von Kunst, ebenso wie Jasper Johns, dessen Werke 1959 in der Pariser Galerie Rive Droite zum ersten Male gezeigt wurden. Eine weitere wichtige Wegmarke bei diesem Veränderungsprozeß bildete die große Wanderausstellung 1958/59 „The New American Painting“ mit Stationen in Berlin und in sieben weiteren europäischen Städten. Interessanterweise wurde diese Ausstellung vom International Council of the Museum of Modern Art in New York organisiert und mit Geldern der Rockefeller Stiftung finanziert. Jetzt dieser Zeit begann auch die amerikanische Regierung über die Kulturabteilungen ihrer Botschaften amerikanische zeitgenössische Kunst zu fördern und im Ausland auszustellen. Diese von Amerikanern finanzierte Ausstellungstournee war eine deutliche Kampfansage an die bis dahin gültige Vormachtstellung der europäischen Weltkunsthauptstadt Paris. Es ist deshalb nicht überraschend, daß 1959 in Kassel die zweite documenta, die noch von Werner Haftmann als Apotheose an das internationale Informell geplant war, durch den amerikanischen Beitrag, insbesondere durch die Sonderausstellung von Jackson Pollock mit 16 großformatigen Bildern, einen Paradigmenwechsel in der Kunst und im Kunsthandel mit sich brachte. Stellen Sie sich bitte vor, daß in der 2. documenta bereits zwei Combine Paintings von Rauschenberg ausgestellt waren sowie das 2,50 x 5,50 m große Bild „Katedra“ von Barnett Newman, heute im Stedelijk Museum von Amsterdam sowie großformatige Werke von Franz Kline und de Kooning. Es fand in den 100 Tagen der documenta ein ästhetischer Wettstreit zwischen der anerkannten und entsprechend hoch bezahlten Ecole de Paris und den neuen Arbeiten der New York School statt. Die Besucher mußten unwillkürlich die Gemälde von Soulage (ca. DM 100.000,-) aus den frühen 50er Jahren mit den Arbeiten von Franz Kline (ca. DM 40.000,-) aus dem gleichen Zeitraum vergleichen. Es ist wichtig anzumerken, daß der amerikanische Beitrag nicht vom documenta Komitee ausgewählt worden war, sondern von Porter McCray, Leiter für Auslandsausstellungen im Museum of Modern Art. Allein die für europäische Verhältnisse ungewöhnlich großen Formate brachten die gesamte Ausstellungskonzeption durcheinander, so daß zahlreiche europäische Exponate auf dem Dachboden des Friedericianums verbannt werden mußten. Diese völlig unangemessene Hängung in Verbindung mit der mittelmäßigen und zu großen Auswahl des Informell, die meist durch den Pariser Handel lanciert worden waren, ließen den amerikanischen Beitrag noch eindrucksvoller erscheinen und trug zum Niedergang der französischen Kunst und ihrer Handelsmetropole Paris wesentlich bei. Von nun an trat die amerikanische Kunst ihren Siegeszug in Europa an und eroberte den Markt für Europa und die USA. Die französischen Händler waren entsetzt, das ihre amerikanischen Kunden plötzlich mehr an amerikanischer Kunst interessiert waren und sich von ihren europäischen Erwerbungen zu trennen versuchten. Jedoch nicht nur die amerikanischen, sondern auch die europäischen Händler und Sammler kauften zunehmend amerikanische Kunst. Ich selbst stellte 1960 in meiner gerade gegründeten Galerie Werke von Cy Twombly aus, die ich zu meiner nicht geringen Überraschung auch verkaufen konnte. Die Galerie Änne Abels, die sich auf den Handel mit deutschen Expressionisten spezialisiert hatte, zeigte nun auch Werke von Pollock, Rothko und ebenfalls Cy Twombly. Im Gegenzug scheiterte der Versuch, deutsche Kunst der 50er und 60er Jahre in Amerika auszustellen oder gar zu verkaufen, oder wenigsten amerikanische Kollegen an deutscher Kunst zu interessieren völlig. Zu stark wirkte noch die Erinnerung an die deutschen Vergangenheit nach. Nur Ernst Wilhelm Nay, Emil Schumacher und Norbert Kricke konnten für kurze Zeit auch in New Yorker Galerien ihre Werke ausstellen. Der 1959 zwischen Emil Schumacher und Sam Kootz geschlossene fünf Jahresvertrag, der 1959 und 1960 zu Ausstellungen führte, wurde bereits 1961 mit Beginn des Eichmann Prozesses wieder beendet. Der amerikanische Markt blieb selbstbewußt unter sich und akzeptierte die deutschen Sammler und Händler nur als Käufer. Der programmatische Titel der ersten Joseph Beuys Aktion in der Galerie René Block in New York 1974 „I like America and America likes me“ blieb eine prononcierte Zweckbehauptung, die sich als falsch erweisen sollte. Auch alle anderen Bemühungen deutscher Händler, wie die von René Block oder Reinhard Onnasch, in ihren New Yorker Galerien deutsche Kunst an amerikanische Sammler zu verkaufen, scheiterten kläglich. In den 60er und 70er Jahren kauften die Amerikaner, soweit es sich um zeitgenössische Kunst handelte, nur Werke ihrer Künstler. Erst 1981 stellten Xavier Fourcarde und Brooke Alexander, 1982 Ileana Sonnabend Werke von Georg Baselitz aus. In diesen Jahren gab es in den USA keine eigene überzeugende Kunstrichtung mehr. Dies war der Augenblick, in dem amerikanische Händler und Sammler die europäische und damit auch deutsche Kunst für sich entdeckten. Die Preisunterschiede zwischen europäischen und amerikanischen Kunstwerken führten nun unter umgekehrten Vorzeichen zu einem erneuten Interesse an europäischer, insbesondere deutscher Kunst. In den Filmen von Rainer Werner Fassbinder und den Büchern von Heinrich Böll, Günther Grass und Uwe Johnson sowie in den Werken von Anselm Kiefer, Sigmar Polke oder Gerhard Richter fanden die amerikanischen Sammler die lange vermißte Auseinandersetzung deutscher Künstler mit ihrer Vergangenheit. Es war nun nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die New Yorker Händler sich um Ausstellungen deutscher Künstler in ihren Galerien bemühten. Der große Durchbruch für die deutsche Kunst in den USA erfolgte erst 1984, nachdem Rudi Fuchs auf der documenta 7 die deutsche, italienische und spanische figurative Malerei besonders herausgestellt hatte. Im Sog der italienischen Transavantguardia und ihres Propagandisten Archille Bonito Oliva wurden auch die deutschen Maler aufgewertet und in New York ausgestellt. 1982 stellt Holly Solomon in New York Bilder von Sigmar Polke, 1985 die Galerie Sperone-Fischer-Westwater, New York, Werke von Gerhard Richter aus, obwohl er schon 1980 auf der Biennale von Venedig vertreten gewesen war. Aber erst die erfolgreiche Ausstellung von Anselm Kiefer 1984 im Israel Museum von Tel Aviv fegte alle Bedenken amerikanischer Sammler deutscher Kunst gegenüber hinweg. Ein bisher nie dagewesener Boom deutscher Kunst setzte in den USA ein und wurde durch die Galeristen Hochzeit von Michael Werner mit Mary Boone gekrönt. Die Ehe von Werner und Boone, die auch zu wechselseitigen Ausstellung ihrer Künstler führte, hielt solange wie der Boom. Im Sog der Nachfrage bekamen auch andere deutsche Künstler wie Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Werner Büttner und Reinhard Mucha u.a. Anerkennung und ihren amerikanischen Markt. Diese Künstler erlebten in nur wenigen Jahren einen bis dahin nicht dagewesenen nationalen und internationalen Erfolg. Die dadurch ebenfalls einsetzende börsenhafte Spekulation mit deutscher Kunst mußte zwangsläufig auch zu einer Reaktion führen.
Die Galerie als white cube
Mit dem Niedergang des Informells und der Ecole de Paris, die letztlich immer noch das traditionelle Tafelbild repräsentierten, und dem Aufstieg der amerikanischen Kunst sowie den neuen europäischen Tendenzen der Nouveau Realisten und später auch der Arte Povera ging eine entscheidende Veränderung der Galerie einher.
Während es noch 1960 durchaus üblich war, Ladenlokale zu Galerien umzufunktionieren - wie ich es auch getan habe -, wurde in den 70er Jahren der spezifische Galerieraum zur Voraussetzung einer ernst zu nehmenden Galeriearbeit.¹ Die neuen Bildformate sowie die sperrigen Objekte und Raum umgreifenden Installationen forderten neue Räume. Die Vorbilder dazu lieferte einmal mehr New York, wo ganze Büro- oder Fabrikationsetagen zu riesigen Ausstellungsflächen umgebaut wurden. Der eigens als Galerie gebaute oder ausgebaute Raum mit entsprechend musealen Möglichkeiten zur Präsentation, Lagerhaltung und Beleuchtung ist ein Indikator für die Erweiterung des Kunstmarktes mit zeitgenössischer Kunst, dem die Professionalisierung eines neuen Berufsstandes des Galeristen korrespondiert. Der Lofttypus wurde auch für die Galerieneubauten bestimmend, so daß davon abweichende Modelle wie der Neubau der Galerie Richard Feigen in New York von Hans Hollein und die Galerie für Alfred Schmela von Aldor van Eyck nur kurz als Galerie genutzt werden konnten. Der Wiener Boutiquecharakter Holleins ebenso wie die dem de Stjil verpflichtete Architektur Aldor van Eycks waren für die neuen Anforderungen einer Galerie nicht mehr zeitgemäß. Auch ich ließ mir 1972 eine Loft ähnliche Galerie bauen, um der veränderten Kunstproduktion einen angemessenen Rahmen bieten zu können.
Wurden noch in den 50er Jahren die fertigen Arbeiten im Atelier ausgesucht und in der Galerie präsentiert, so kamen in den 60er Jahren die Künstler in die Galerie, um die räumlichen Vorgaben in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Die Galerie wurde somit zum integralen Bestandteil der Kunst, indem die Künstler zunehmend Bezug auf den Raum nahmen. Schon 1958 stellte Yves Klein in der Ausstellung „Le Vide“ bei Iris Clert nur die leere Galerie aus, während Arman dieselbe Galerie wenig später in einen Müllcontainer verwandelte, die nur noch von außen durchs Schaufenster eingesehen werden konnte. Die Galerie wurde somit vom reinen Ausstellungsraum zu einem künstlerischen Ereignisraum, der in den Folgejahren zwar sein gesellschaftliches Prestige erheblich vergrößerte, jedoch noch keinen wirtschaftlichen Erfolg garantierte. Im Gegenteil, der professionelle Galerieraum entwickelte sich paradoxerweise zunächst zum Garanten für eine künstlerische Verwirklichung jenseits ökonomischer und gesellschaftlicher Zwänge. „The white cube“, wie O’Doherty den Galerieraum 1986 treffend charakterisierte, war der ideologisch neutrale Rahmen einer vermeintlich autonomen, von jeglichen Zwängen befreiten Kunst. Ein typisches Beispiel für die historische Entwicklung des Galerieraumes ist die Galerie Leo Castelli, die ihre ersten Räume 1958 noch im eigenen Wohnhaus in der 77. Straße eröffnete, sie 1971 in umgebaute Lofträume am West-Broadway Downtown verlegte und Anfang der 80er Jahre mit dem riesigen weißen Kubus auf der Greenstreet erweiterte.
Die Entwicklung vom Ausstellungs- und Verkaufsraum zum künstlerischen Ereignisraum ging in den 60er Jahren parallel mit einem erneuten Interesse an Dada und Surrealismus. Nicht zuletzt durch Jasper Johns, Rauschenberg und die Pop Art rückte das Werk von Schwitters und Duchamp wieder in den Blick und in die Diskussion. Noch auf der zweiten documenta 1959 waren diese Richtungen nicht vertreten mit Ausnahme einer Arbeit von Schwitters von 1919 sowie zwei Bildern von Magritte und Delveaux. Schon 1938 hatte Marcel Duchamp die bis dahin übliche Ausstellungsarchitektur verändert, indem er die internationale Ausstellung der Surrealisten in der Galerie de Beaux-Arts in Paris durch seinen Beitrag mit 1200 Kohlensäcken, die von der Decke hingen, zu einer Installation und zu einem Medienereignis umfunktionierte. Die ausgestellten Bilder der Kollegen wurden somit zur Tapete, wie es dann buchstäblich in meiner Galerie 1967 geschah, als Warhol für seine Ausstellung Tapetenrollen mit Kuhmotiven und mit Helium aufgeblasene Silberkissen schickte. Diese Kissen schwebten analog den Kohlsäcken dicht gedrängt unter der Decke, während die auf die Galeriewände geklebten Kuhtapeten den traditionellen Platz der Kunst einnahmen. Da so von vornherein nichts verkauft werden konnte, wurde die Ausstellung zu einem Ereignis mit Diskussionen über den Standort der Kunst und des Handels.
Schon 1957 hatte Yves Klein den Unterschied zwischen dem materiellen und dem immateriellen Wert der Kunst zum Gegenstand seiner Ausstellung in der Galerie Apollinaire in Mailand gemacht, in der er seine monochromen blauen Bilder gleichen Formats mit unterschiedlichen Preisen versah. Während Yves Klein also noch den geistigen Mehrwert der Kunst zum Thema machte, erklärte Warhol die Kunst ganz unverblümt zur Ware, als er 1964 mit seinen Brillo und Campell Kisten die Stabel Gallery in New York in ein Warenlager verwandelte. In demselben Maße, wie Duchamp mit seinen Ready-Mades die Schleusen für eine beliebige Vervielfältigungs- und Objektkunst geöffnet hatte, bahnte Warhol den Weg für eine Entwicklung, die Kunst zunehmend auch als Anlageobjekt zu betrachten.
In demselben Maße, wie der white cube multifunktionale Möglichkeiten künstlerischer Ausdrucksformen wie Fluxusveranstaltungen, Installationen und Happenings eröffnete, übte er jedoch seinerseits schon bald eigene, nicht zuletzt auch wirtschaftliche Zwänge aus.
Es war eine Situation eingetreten, in der das öffentliche Interesse an moderner Kunst und der kommerzielle Erfolg in solch krassem Mißverhältnis standen, daß es für viele Galerien zwingend wurde, neue Vermittlungsformen und Verkaufsstrategien zu erproben.
Aus diesem Konflikt heraus begann sich das klassische Berufsbild des Kunsthändlers auszudifferenzieren in den Galeristen, der seine Galerie als adäquaten Rahmen für eine zeitgemäße Kunstproduktion zur Verfügung stellen wollte und den Händler, der die Kunst als Ware vermarktete. Hinter der Unterscheidung von Galerist und Kunsthändler steht der alte Gegensatz von Idealismus und Pragmatismus, der sich als immanenter Konflikt in der neu geschaffenen Vermarktungsform des Kunstmarktes für zeitgenössische Kunst potenzierte. Dieser Prozeß der Ausdifferenzierung eines Berufsbildes lief parallel mit anderen Differenzierungsprozessen wie auch im Bereich der Museen, wo Ausstellungen zeitgenössischer Kunst eine immer stärkere Rolle zu spielen begannen. Auch im Bereich des Buchhandels setzte eine Spezialisierung ein, die dem größer werdenden Markt zeitgenössischer Kunst Rechnung trug. Die erste deutsche Kunstbuchhandlung mit Schwerpunkt auf aktuelle Ausstellungskataloge und Kunstzeitschriften wurde nach dem New Yorker Vorbild der Kunstbuchhandlung Wittenborn von Walter König 1969 in Köln eröffnet, der mittlerweile in vielen deutschen Städten und Museen seine Filialen hat.
Suche nach neuen Vermarktungsformen: Gründung des ersten Kunstmarktes
Hein Stünke und ich luden 1967 zum ersten Kunstmarkt für zeitgenössische Kunst nur die Galerien ein, die sich auch mit der jüngsten Kunstentwicklung beschäftigten. Die Idee, die Kunst auf den Markt zu tragen, die Bilder aus der Galerie hinaus auf einem Messestand zu zeigen, wurde von vielen Kunsthändlern, die mit klassischer Moderne handelten abgelehnt, besonders vehement von Kahnweiler, dem Händler von Picasso und Juan Gris. Während der Münchner Kunst- und Antiquitätenmarkt, sowie die Stuttgarter Antiquariatsmesse längst vorher völlig problemlos angenommen wurde, stieß der Kölner Kunstmarkt bei den älteren Kollegen auf Ablehnung: Die vom Handel viel beschworene Aura und Diskretion schien gefährdet. Hein Stünke und ich fühlten uns durch die Produktionsweise und Vermarktungsstrategien Andy Warhols, der inzwischen sein Atelier zur Factory umfunktioniert hatte, sehr wohl berechtigt, für die Kunst dieser Generation die Aura der Galerie aufzugeben und sie analog der Konsumgüter auf einer Messe zu präsentieren. Jedoch mußten auch wir erkennen, daß die räumlichen Bedingungen einer temporären Messe im schärfsten Gegensatz zu den sich gerade herausbildenden Präsentationsmöglichkeiten in den Galerien standen.
Man versuchte diesen Konflikt immer wieder zu harmonisieren, indem man die Koje galeriemäßig installierte, oder wie es von den Organisatoren der Messen empfohlen wird, sich auf ein oder zwei Künstler zu beschränken, damit der verheerende Eindruck der Beliebigkeit vermindert wird. Es bleibt ein unlösbarer Widerspruch, die Kojen gleichzeitig als Ausstellungsraum und Markt nutzen zu wollen. Nur der spezifische Galerieraum kann auch in Zukunft wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Durchsetzung zeitgenössischer Kunst sein, aber andererseits finden die Verkäufe mehr und mehr auf den Kunstmärkten statt. Die Kunstmärkte wurden damals ins Leben gerufen, um die Schwellenangst vor den Galerien für zeitgenössische Kunst abzubauen. Das Konzept ging zunächst auf, wurde jedoch schon bald durch zu viele Kunstmärkte aufgeweicht. Schon 1970 entstand der zweite und noch erfolgreichere Kunstmarkt in Basel und 1973 die parallele Gegenmesse in Düsseldorf, gefolgt von weiteren Kunstmessen in Europa, Amerika und Asien. Mit den Kunstmärkten veränderte sich auch das Verhalten der Sammler, die allmählich hauptsächlich auf den Kunstmärkte kauften und somit ihre traditionelle Bindung an einen Händler aufgaben. Die Kunstwerke wurden auch für sie zunehmend zur Ware, die man dort kauft, wo sie am günstigsten angeboten wurde, ohne dabei zu bedenken, daß dadurch auch der lokale Standort der Galerien an Bedeutung verlor. Dennoch wurde die Eigendynamik der Messen so groß, daß sie für das Überleben einer Galerie gleichzeitig existentiell wie langfristig bedrohlich wurden. Deshalb kaufte oder verkaufte z.B. Kölns engagiertester Sammler Wolfgang Hahn nur über Kölner Galerien und nie über Auktionshäuser. Die Transparenz der Kunstmärkte führte die Sammler auch verstärkt zu den Auktionshäusern, die noch bis in die 70er Jahre im wesentlichen von den Händlern besucht wurden.
Mit dem kommerziellen Erfolg der Messen richtete sich nun auch das Interesse der Auktionshäuser auf die zeitgenössische Kunst und ihre Sammler, die zunehmend auch ihre Kunden wurden.
Die ersten erfolgreichen Kunstmärkte waren auch ein Medienereignis, die Presse berichtete über Preise und Preissteigerungen im Vergleich zum Vorjahr. Willy Bongard, einst Börsenredakteur bei der FAZ, veröffentlichte 1970 in der Zeitschrift Capital seinen Kunstkompaß mit einer Chartliste der 100 erfolgreichsten zeitgenössischen Künstler auf Grund einer von ihm entwickelten Punktliste, in der Ausstellungen, Verkäufe, Publikationen etc. berücksichtigt wurden. Diese jährlich zum Kölner Kunstmarkt erscheinende Liste blieb bis zum heutigen Tage nicht nur ungeheuer populär, sondern auch einflußreich. Die Kunst bekam zunehmend den Stellenwert von Aktien und wurde so auch von Bongard bewertet. Kunstferne Personen begannen sich für zeitgenössische Kunst als Anlagewert zu interessieren. In den 80er Jahren begannen dann auch Firmen, wie z.B. die Deutsche Bank, Kunst als Imageförderung oder auch als Investment zu kaufen. Auf der Höhe des Kunstmarktbooms im März 1989 erschien die erste Kunstmarktbeilage der FAZ mit Besprechungen der Auktionen und Galerieausstellungen, was bald in allen überregionalen Zeitungen Schule machte.
Die Macht der Auktionshäuser
Während noch in den 50er Jahren die nationalen wie internationalen Auktionshäuser nur als Agenten der Einlieferer tätig waren und selbst keine Auktionsware aquirierten, veränderte Peter Wilson, Präsident des Auktionshauses Sotheby’s, diese Politik radikal. 1957 gelang es Wilson, die bedeutende New Yorker Impressionisten Sammlung des Berliner Bankiers Goldschmidt mit Werken von Manet, van Gogh und Cezanne u.a. dessen Bild „Junge mit roter Weste“ gegen ein Kaufangebot von 600.000,- Pfund (damals über 7 Millionen DM) des griechischen Reeders Niarchos durch ein höher liegendes Garantieversprechen für das Auktionshaus zu aquirieren. Der Gesamterlös von 780.000,- Pfund bestätigte die riskante, aber erfolgreiche Politik Peter Wilsons. Diese Auktion, die erstmals eigens durch eine Werbefirma vorbereitet wurde, fand als gesellschaftliches Ereignis mit Abendgarderobe und speziell dafür eingeladenen Celebrities statt. Es erschien ebenfalls erstmals ein eigener Katalog, in dem die sieben Bilder farbig reproduziert wurden. Von den sieben verkauften Bildern wurden sechs in die USA verkauft, ein unübersehbarer Hinweis, wo der eigentliche Markt sich bereits befand. Trotzdem wurde von nun an London zum Zentrum des Handels nicht nur für alte Kunst wie bisher, sondern auch für Impressionisten und die klassische Moderne. 1964 kaufte Sotheby’s das größte und traditionsreichste amerikanischen Auktionshaus Park-Bernet und verlegte die prestigträchtigen Impressionisten-Auktionen von London nach New York. Schon 1965 versteigert Sotheby’s in New York auch die belgische Sammlung Moderner Kunst von Dotrement mit Bildern zeitgenössischer europäischer und amerikanischer Kunst. Einige der verkauften Werke waren nicht einmal zehn Jahre alt. Ein neuer und ertragreicher Zweig der Auktionshäuser wurde damit eröffnet. Sotheby’s und im Gefolge Christie’s starteten in den folgenden Jahren eine aktive Werbung weltweit für ihre Häuser und eröffneten in den meisten großen Städten Europas und des fernen Ostens eigene Büros. Es gelang den Auktionshäusern, durch Werbekampagnen den Eindruck zu vermitteln, daß Kunstkäufe auch erfolgreiche Anlagekäufe sein. So wurden regelmäßig Art Index Listen veröffentlicht analog der Kurszettel von Aktien mit den Kursgewinnen, um verstärkt nicht nur Kunstliebhaber, sondern auch Investoren, insbesondere Investmentfonds zu Kunstkäufen bei ihren Auktionen zu animieren. Diese beginnende Spekulation wurde jedoch 1973 jäh durch die erste Ölkrise und den Yom Kippur Krieg unterbrochen und veranlaßte 1974 die beiden großen Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s ihren 30% Umsatzrückgang durch die Einführung eines 10% Käuferaufgeldes auszugleichen. Bis dahin zahlte nur der Einlieferer im Durchschnitt 14% Kommission. Diese Maßnahme löste den massiven Protest und vorübergehenden Boykott der Kunsthändler aus. Die Auktionshäuser begegneten dem Boykott mit verstärkten Kontakten zu den Privatkunden der Händler, wodurch ein verschärfter Konkurrenzkampf entstand, der schließlich zu der marktbeherrschenden Position der Auktionshäuser führte. Noch 1973 wurden 80% der Umsätze mit moderner Kunst mit dem Handel getätigt, in den 80er Jahren drehte sich dieses Verhältnis um und beträgt heute 20% mit dem Handel und 80% mit Privatkunden. Vollends wurde diese Entwicklung dadurch weiter angeheizt, daß Christie’s 1973 und Sotheby’s 1977 in Aktiengesellschaften umgewandelt wurden und Sotheby’s nun unter Führung des amerikanischen Großaktionärs Taubman Vorauszahlungen auf die eingelieferte Ware sowie Ankaufskredite bis zum halben Wert der Schätzpreise gewährte. Ganz im Gegensatz zu den alten Gepflogenheiten der Auktionshäuser, wonach der Auktionator verpflichtet war, nur in Ausnahmefällen Eigenware zu versteigern und diese Ware zu kennzeichnen, wurden immer mehr Kunstwerke für die Auktionen erworben, sogar ganze Sammlungen durch Garantieversprechen quasi angekauft, um so die Kennzeichnungspflicht der Eigenware zu umgehen. Damit verlor der Auktionator auch seine Unabhängigkeit gegenüber Käufern und Verkäufern. Die Auktionshäuser veränderten sich zu multinationalen Konzernen. Die Sammler wurden nun auf der ganzen Welt schon zu Lebzeiten von Spezialisten betreut und zum Kauf bzw. Verkauf bestimmter Teile ihrer Sammlung animiert. Diese traditionelle Aufgabe des Kunsthändlers ging in den 80er Jahren mehr und mehr in den Aufgabenbereich der großen Auktionshäuser über. Lagen die Umsätze 1957 bei Sotheby’s noch bei 3,2 Millionen Pfund, erreichten sie 1968/69 bereits 40 Millionen Pfund und stiegen im Boomjahr 1989/90 auf fast 2 Milliarden Pfund - immer dicht gefolgt vom Konkurrenten Christie’s. Die Preissteigerungen des Kunstmarktes lassen sich besonders gut am Verkauf des Selbstportraits „Io“ von Picasso von 1901 belegen, das Hugo von Hofmansthals bei Tannhauser in München 1912 für 13.000 Reichsmark aus Tantiemen des Rosenkavaliers gekauft hatte und die Erben es durch Christie’s 1970 für 1.280.000, - DM, versteigerten. Dasselbe Bild erschien dann noch mehrmals auf New Yorker Auktionen und stieg 1975 auf 1.650,000 DM, 1981 bereits auf 13,4 Millionen DM und schließlich 1989 auf 91,3 Millionen DM. Heute befindet sich das Bild als private Leihgabe in der Kunsthalle Zürich und wartet vermutlich auf einen neuen Verkauf. Ebenso rasant stiegen auch die Preise für die zeitgenössische Kunst, um nur das Gemälde „Interchange“ von Wilhelm de Kooning als Beispiel zu nehmen, das von 10.000 $ in den 50er Jahren 1989 auf 20,7 Millionen Dollar stieg. Die Preisspirale begann 1985 gefährlich zu werden, als Japan auf Grund eines internationalen Abkommens den Yen aufwertete, und dadurch die neuen Yen Milliardäre neben den Immobilien auch die Kunst als Anlageobjekt entdeckten. Bereits 1988 importierten japanische Sammler Kunstwerke im Wert von 2,5 Milliarden Dollar, was mehr als die Hälfte des gesamten Auktionsgeschäftes der Welt mit Impressionisten und moderner Kunst ausmachte. Der 16. Oktober 1987, ein Tag, der als zweiter schwarzer Freitag in die Geschichte des Aktienhandels einging und einer der schwersten Zusammenbrüche der Finanzmärkte seit 1929 war, führte im November jedoch noch nicht wie allgemein erwartet zum Zusammenbruch des bereits aufgeblähten Kunstmarktes, sondern ganz im Gegensatz und wider jede Vernunft zu bisher unerreichten und auch unvorstellbaren Preisen. Alan Bond, ein Industrieller aus Sidney, kaufte am 11. November 1987 mit zur Hälfte von Sotheby’s geliehenem Geld für 50 Millionen Dollar die „Schwertlilien“ von van Gogh, das er jedoch später nicht bezahlen konnte und deshalb von Sotheby’s zu einem ungenannten Preis ans Getty Museum in Los Angeles verkauft wurde. Zuvor im Januar desselben Jahres hatte Christie’s eines der sieben „Sonnenblumen“- Bilder van Goghs an eine japanische Hausratsversicherung für 40 Millionen Dollar verkauft. Dieser Preis sollte jedoch noch nicht der höchste sein, sondern ein anderes Gemälde von van Gogh, das Portrait „Dr. Gachet“, das 1990 für 82,5 Millionen Dollar verkauft wurde und bis heute der höchste Preis für ein Kunstwerk ist. Dieses Bild hatte Siegfried Kramarsky aus Hamburg-Altona, der in den 30er Jahren Deutschland verlassen mußte und über Holland nach Amerika auswanderte, noch kurz vor dem Zweiten Weltkrieg von der Städtischen Galerie im Städl in Frankfurt gekauft. Die Erbengemeinschaft verkaufte das Bild über Christie’s an einen japanischen Industriellen, der gleichzeitig noch für 78 Millionen Dollar Renoirs Gemälde „Au Moulin de la Palette“ erwarb. Der spekulative Charakter dieser Preise, die weitgehend auf der Grundlage von Krediten erzielt wurden, verstärkte das Mißtrauen der Sammler weltweit. Dies führte schon sechs Monate später zu einer seit 1929 nicht dagewesenen Krise im internationalen Kunsthandel. Vor dem Hintergrund der großen Umbrüche in Osteuropa suchte das 1987 in den Kunsthandel eingebrachte spekulative Kapital andere Anlagemöglichkeiten.
Diese gigantischen Umsatz- und Preissteigerungen wurden nicht zuletzt deshalb möglich, weil immer mehr Kunst als Anlage, besonders von Japanern, auf den Auktionen erworben wurde. Seit 1973 begannen die Auktionshäuser auch zweimal jährlich große Auktionen zeitgenössischer Kunst durchzuführen. Während die Witwe Kraushar ihre 150 Werke umfassende Pop Art Sammlung noch an den deutschen Sammler Ströher aus Darmstadt 1968 für 1,2 Millionen DM diskret verkaufte (nur die „Marilyn Monroe von Andy Warhol aus dieser Sammlung allein brachte kürzlich 17 Millionen Dollar), wurde die ebenso bedeutende Pop Sammlung von Scull 1973 als erste Auktion mit zeitgenössischer Kunst in New York versteigert. Die großen Wertsteigerungen in relativ kurzer Zeit wurden stark diskutiert und förderten das Interesse an zeitgenössischer Kunst. Damit wurden die Auktionshäuser auch unmittelbare Konkurrenten der Galerien für zeitgenössische Kunst. Diese Auktionen waren durch ihre weltweite Publizität zunächst verkaufsfördernd für die Galerien, so kehrte sich dieser Trend jedoch nach und nach um, da der für Galerien wirtschaftlich effizientere Secondary Market zunehmend von den Auktionshäusern abgewickelt wurde. Dabei spielt die Diskretion und die geringere Steuerbelastung eine maßgebliche Rolle. Während die Galerien in Europa nicht zuletzt auf Grund der Transparenz der Messen, der Steuern und des Folgerechts diese Diskretion nicht mehr erfüllen konnten, haben Einlieferer wie Käufer auf Auktionen die Möglichkeit, anonym zu bleiben. Die multinationalen Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s weichen der in Europa zunehmenden Bürokratisierung und Reglementierung aus, indem sie ihre großen Auktionen in den USA veranstalten. Über einige Galerien werden die Auktionshäuser in Zukunft auch vertragliche Absprachen mit den Künstlern treffen, um die Galerien von ihren letzten noch verbleibenden Aufgaben zu verdrängen. Das Auktionshaus Christie’s verfolgt bisher eine etwas diskretere Politik und gibt nicht bekannt, mit welchen Galerien sie wirtschaftlich verbunden ist. Statt dessen sponsort Christie’s Ausstellungen zeitgenössischer Kunst als Investition für das zukünftige Auktionsgeschäft wie z.B. die Finanzierung der Londoner Ausstellung der Royal Academy „Sensation“ 1998, die anschließend in der Nationalgalerie in Berlin zu sehen war, deren einziger Leihgeber Charles Saatchi bereits in den 80 Jahren für seine spekulativen Gewinne mit zeitgenössischer Kunst berühmt geworden ist und aus dessen Sammlung 130 Werke junger englischer Künstler kurz darauf bei Christie’s versteigert wurden, die meisten davon nicht älter als vier Jahre.
Der neue Sammler
Schon Peter Ludwig und nach ihm Karl Ströher erkannten durchaus die kostensparende und wertsteigernde Möglichkeit der musealen Präsentation ihrer großen Sammlungsbestände. Sie beide hatten aber das erklärte Ziel, ihre Sammlungen der Öffentlichkeit zu stiften, was in Darmstadt nur auf Grund der Borniertheit der Wiesbadener Landesregierung verhindert wurde. Während Peter Ludwig als Sammler alter Schule Weltkunst vom Mittelalter bis zur Neuzeit für die Museen sammelte und dabei als erster großer Sammler auch Pop-Art für das Walraff-Richartz Museum in Köln kaufte, setzt Saatchi die Museen bisher unverholen in den Dienst seiner Marktstrategien ein. Als Inhaber einer erfolgreichen Werbeagentur erkannte er wie kein anderer, wie sich die Nachfrage für zeitgenössische Kunst durch das Prestige anerkannter Museen steigern läßt, die er allerdings nicht mehr als Endstation anvisiert, sondern als wertsteigernde Durchgangsstationen für die erfolgreiche Vermarktung auf Auktionen oder im Handel. Mit Charles Saatchi kam in den 80er Jahren ein neuer, ganz auf zeitgenössische Kunst spezialisierter Sammlertypus in die Kunstszene, der seine Erwerbungen unter marktstrategischen Gesichtspunkten tätigt und Ateliers, Galerien sowie Auktionshäuser in seine Strategien miteinbezieht. Dabei scheint das für eine Sammlung maßgebliche Kriterium der Dauerhaftigkeit keine Rolle mehr zu spielen, was zu der Frage Anlaß gibt, was diese Art des Sammlens dann vom Handeln noch unterscheidet. Die Antwort lautet schlicht: nichts, nur daß diese Sammler ihre An- und Verkäufe nicht als Gewerbe deklarieren und somit auch nicht den vielen verschieden Steuerarten des Kunsthandels unterworfen sind. Während noch bis in die 70er Jahre hinein die Umschlaggeschwindigkeit von Kunstwerken in Europa 30 Jahre betrug, verkürzt sich diese Zeit heute auf wenige Jahre. Die Sammler werden immer mehr zu Händlern. Gleichzeitig übernehmen sie bereitwillig Aufgaben der Museen, die durch das Ausbleiben öffentlicher Gelder brach liegen, wobei sie mehr und mehr ihre ureigensten Interessen durchzusetzen versuchen wie in Deutschland z.B. der Sammler Marx, der seine Sammlung im Hamburger Bahnhof in Berlin ausstellt und seinen Händler Heiner Bastian als Kurator eingestellt hat.
Zusammenfassend läßt sich eine enorme Vergrößerung, Beschleunigung und Globalisierung des Kunstmarktes seit den 60er Jahren konstatieren. Die Pop Art, besonders aber der Medienstar Andy Warhol hat den Kunsthandel durch das öffentliche Interesse an seiner Person und seinem Werk mehr verändert, als irgendeine Kunstrichtung oder ein Künstler je zuvor. Die revolutionäre Erweiterung des Kunstbegriffs durch Marcel Duchamp beeinflußte zunächst nur die Fachwelt, der radikal veränderte Kunstbegriff Andy Warhols hingegen sofort eine breite Öffentlichkeit. Warhols Ununterscheidbarkeit der Wirklichkeit und ihrer medialen Repräsentationen ermöglichten uns in den 60er Jahren die Fotografie als Kunst wahrzunehmen. Die fortschreitende Computerisierung und Digitalisierung wird diese Wahrnehmung weiter verändern. Die Pop Art und in ihrem Gefolge die Kunstmärkte erreichten neue Sammler und Märkte besonders in den USA. Noch bis 1960 war der Kreis der Künstler, Händler und Sammler sehr, sehr klein, der Dialog unter ihnen jedoch um so intensiver. Die rasante Industrialisierung des Kunsthandels und mit ihr die neuen technischen Errungenschaften wie die schnellen und bequemen Flugverbindungen, das Faxgerät und der Computer beschleunigte in den 80er Jahren den Kunsthandel wie nie zuvor. Darüberhinaus erzeugten und erzeugen die Möglichkeiten der Datenverarbeitung und des Informationsservice durch Computer und Internet hohe Erwartungen an neuartige Vermittlungs- und Vermarktungsformen. So verlegte die Frankfurter Galerie Hans Neuendorf ihr Geschäft ganz vom traditionellen Kunsthandel weg zur Aufbereitung von Daten des Kunsthandels wie z.B. Auktionsergebnissen, das Suchen und Verkaufen sowie Auktionen von Kunstwerken über Internet. Das von Hans Neuendorf ins Leben gerufene „Art Net“ speichert Daten von Kunstwerken inklusive ihrer Abbildungen, die durch Auktionshäuser weltweit seit 1985 verkauft worden sind. Hierbei werden auch kleinere und weniger bekannte Auktionshäuser erfaßt, sofern sie Kataloge publizieren. Rund Tausend Kunsthändler und Galeristen offerieren oder annoncieren im „ArtNet“ Kunstwerke oder Ausstellungen, was allerdings gemessen an der Globalität des Internetmarktes noch keine wirtschaftliche Rolle spielt. Art-Net veranstaltete durch Internet Auktionen, meist im unteren Preissegment, die jedoch unwirtschaftlich waren und inzwischen eingestellt worden sind. Auch die Internet-Auktionen von Sotheby’s sind z.Zt. noch große Verlustgeschäfte (DM 100 Millionen im letzten Geschäftsjahr) und werden möglicherweise auch eingestellt, da das Handling zu personalintensiv wird. Auch die reinen Information, die man über „Art-Net“ beziehen kann, sind noch nicht kostendeckend. Hingegen rechnet es sich für die Galeristen, ihr Lager oder Teile davon bzw. Installationsaufnahmen ihrer Ausstellungen über die eigene Website anzubieten oder auch bestimmte Werke zu suchen.
Als ehemaliger Kunsthändler möchte ich darum abschließend die Frage thematisieren, ob der Galerist oder Kunsthändler in diesem Jahrhundert den Konkurrenzkampf mit den immer stärker werdenden Auktionshäusern bestehen wird?
Der Ausverkauf der Moderne, der in den 80er Jahren zu immer größeren Umsätzen und gigantischen Preisen führte und in den 90er Jahren eine erhebliche Rezession und Preiskorrektur erfuhr, um nun wieder neue Höchstpreise zu erreichen (van Gogh 110 Millionen DM), wird auch in Zukunft vor allem von den Auktionshäusern übernommen. Bereits Peter Wilson von Sotheby’s hat schon lange das Ende der Galerien vorausgesagt. Zu Unrecht, wie ich glaube. Schon allein deshalb, weil auch die Auktionshäuser die Mitarbeit der Händler und der Galeristen für ihre eigene Zukunft brauchen. Jedoch werden meiner Einschätzung nach nur diejenigen Galerien mittel- und längerfristig überleben, die sich mit gleichgesinnten Kollegen im In- und Ausland vernetzen und gemeinsame Ausstellungen sowie Lagerhaltung bestreiten. Noch stärker als bisher wird die Professionalität des Galeristen gefordert sein, um den globalisierten Konkurrenzkampf bestehen zu können. Die allgemeine Verfügbarkeit von Informationen führt zu einem Verlust an Informationsvorsprung, der noch zu meiner Zeit ein wesentliches Kapital des Kunsthändlers darstellte und der heute nur durch eine zunehmend spezialisierte Serviceleistung kompensiert werden kann. Intensive Kundenbetreuung, auch im Bereich der neuen Firmenkunden, Entwicklung von maßgefertigten Sammlungskonzepte und Verträge mit Künstlern gehören zu den Möglichkeiten, mit denen sich Galerien noch von den Auktionshäusern absetzen können. Aber auch in Zukunft werden engagierte Galerien es leichter und kostengünstiger als die Auktionshäuser haben, ihre Künstler individuell zu betreuen und ihre Werke in gewünschte Sammlungen gezielt zu plazieren, was zumindest über Auktion nicht möglich ist. Gerade in diesem Bereich wird sich in Zukunft der Konkurrenzkampf zwischen den Galerien und den Auktionshäusern verstärken. Dabei erscheint mir ein Partner in den USA erscheint mir heute bereits zwingend für deutsche Händler und Galeristen, da alle Kommissionsgeschäfte in Deutschland neben allen anderen Steuern allein mit 5% Folgerecht plus der MWSt. belastet werden, die Vermittlungsprovision hochwertiger Kunstwerke im Allgemeinen jedoch nur 10% beträgt. Nur wenn der Kunsthandel die Konditionen der Auktionshäuser im Verkauf unterbietet und mehr individuelle Betreuung als sie leistet, kann er die Sammler wieder stärker an sich binden. Dabei wird entscheidend sein, ob trotz immer stärker werdender europäischer Reglementierung die europäischen Galerien mit den amerikanischen Schritt halten werden. Voraussetzung dafür ist ein wesentlich größeres Kapital, damit der Aufbau eines immer größer werdenden Eigenlagers möglich wird, um so dem sekundär Markt der Auktionshäuser begegenen zu können. Bildete nach dem Zweiten Weltkrieg der Dialog mit Amerika die entscheidende Herausforderung für den europäischen und damit auch den deutschen Kunsthandel, so gilt es heute für die Galerien, den Prozeß der Globalisierung zu akzeptieren, ihr Profil als lokale Keimzelle künstlerischer Vermittlung zu wahren und sich dabei gleichzeitig international zu vernetzen.
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Die Notwendigkeit, einen spezifischen Raum für die Kunst der Zeit zu bauen, wurde bereits im Bauhaus propagiert und in der Nachkriegszeit von Sandberg und Riedfeld in Amsterdem und in Deutschland von Arnod Bode in einer spezifischen Ausstellungsarchitektur fortgeführt.
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