Wie Andy Warhol in Europa und Joseph Beuys in den USA ankam
1998
Zur Rezeptionsgeschichte zweier Protagonisten
Unbestreitbar waren Andy Warhol und Joseph Beuys in den 60er und 70er Jahren die exponiertesten Künstler in den USA und Europa. Dabei spielen die Medien eine zentrale Rolle. Nie zuvor haben die Medien in solchem Ausmaß zum Ruhm und zur Popularisierung bildender Künstler beigetragen. Nie zuvor haben bildende Künstler - vielleicht mit Ausnahme von Yves Klein - die große Bedeutung der Medien in der Gesellschaft in dieser Weise erkannt und zur Propagierung ihrer Arbeit bewußt eingesetzt. Deshalb ist es interessant, ihre Rezeptionsgeschichte in den ersten Jahren ihrer öffentlichen Anerkennung zu verfolgen und zu vergleichen. Beide Künstler trennt sicherlich mehr, als sie verbindet. Gemeinsam war ihnen zu Lebzeiten eine für bildende Künstler ungewöhnliche Publizität, die nicht zu letzt durch den Verdacht der Scharlatanerie oder des Schamanentums genährt wurde.
Diese Gemeinsamkeit ist mir Anlaß genug, um die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte beider Künstler zunächst getrennt zu verfolgen, um anschließend ihre großen Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich werden zu lassen. In Hinblick auf die wenigen unmittelbaren Begegnungen beider Künstler ist es bereits bezeichnend, wie unterschiedlich ihre wechselseitige Wahrnehmung war. Beuys nannte in einem Gespräch mit Lou Wrien Wijers 1980: „Warhol ist gewissermaßen mein Bruder, auch wenn er mit einer radikal anderen Methodik arbeitet.“ Warhol hingegen hätte Beuys gern als Superstar in einem seiner Filme gesehen.
I
Andy Warhol - Rezeptionsgeschichte 1961—1968
Bevor ich auf die hier zum Ausdruck kommende Unterschiedlichkeit beider Künstler eingehe, lassen Sie mich zunächst die einmalige Erfolgsgeschichte Andy Warhols in den USA und in Europa bis zu seiner ersten Museumsausstellung 1968 in Stockholm erzählen, um dann über Beuys von 1967, seiner ersten Museumsausstellung in Mönchengladbach, bis zu seiner Retrospektive im Guggenheim-Museum 1979/80 zu sprechen.
Wie und wo begann Warhols unvergleichliche Karriere und sein schneller Weltruhm? Der Kunsthändler Erwin Blum wurde 1961 aus New York kommend Juniorpartner der Ferus Galerie in Los Angeles, die Edward Kienholz und Walter Hopps 1957 in L..A. gemeinsam gegründet hatten. Kienholz verließ die Galerie 1961 enttäuscht wegen des zu geringen Interesses an der zeitgenössischen Kunst aus Los Angeles und Erwin Blum übernahm für $ 500,- seinen Galerieanteil, um von nun an zusammen mit Walter Hopps zusammen ein überregionales Programm, also vorwiegend auch junge Künstler aus New York zu zeigen. Erwin Blum war also auf der Suche nach jungen unbekannten Künstlern und fragte regelmäßig Dick Bellamy, Inhaber der Green Galerie in New York, Henry Geldzahler, Kunsthistoriker und zukünftiger Kurator am Metropolitain Museum, ebenso wie Bill Seitz, Kurator am Museum of Modern Art sowie Iwan Karp, damals noch Mitarbeiter der Galerie Leo Castelli. Bei einem seiner New Yorker Besuche im Herbst 1961 gemeinsam mit Walter Hopps nannten ihm alle vier Freunde den Namen von Andy Warhol. Der Besuch im Studio verlief jedoch insofern enttäuschend, als sie nur die Bilder nach Comic-Strips wie Dick Tracy oder Poppeye und nach Anzeigen aus Zeitungen wie „before“ und „after“, meist Acrylfarbe auf Leinwand und Kartons sahen, die sie ästhetisch noch nicht einordnen konnten. Es handelte sich dabei um Bilder, die Warhol bereits im April 1961 im Kaufhaus Bonvit Teller als Schaufensterdekoration ausgestellt hatte. Beide Kunsthändler irritierte, daß die meisten Bilder im Stile der Zeit flüchtig und meist mit tropfender Farbe gemalt waren und verließen ohne konkrete Absprachen mit dem Künstler sein Atelier, um schon wenige Tage darauf in der Galerie Castelli, Dias von Bildern eines ebenso unbekannten, wie jungen Künstlers zu sehen, der wiederum Comic-Themen malerisch verarbeitete, diesmal jedoch weit souveräner und für Erwin Blum ersichtlich in einer Auseinandersetzung mit dem Werk Fernand Légers. Es handelte sich um frühe Bilder von Roy Lichtenstein, der gleichzeitig an einer ähnlichen Thematik arbeitete wie Warhol. Dies veranlaßte ihn noch einmal Andy Warhol aufzusuchen, um mit ihm über diese Parallele zu sprechen. Zu seiner Überraschung sah er nun im Atelier 32 gerade fertiggestellte Leinwände im Format 50 x 40 cm mit den verschiedenen Labels sämtlicher Suppen der Firma Campell. Andy Warhol erklärte ihm, auch er habe dieselben Dias von Lichtensteins Bildern gesehen, als er kürzlich bei Iwan Karp, einem Mitarbeiter der Galerie Castelli, eine „Light-Bulb“ Zeichnung von Jasper Johns gekauft habe. Aus der Überzeugung heraus, daß Lichtensteins Comic-Bilder besser als die eigenen seien, habe er das Sujet gewechselt.
Erwin Blum beschloß, die Campell Suppen Bilder schon im Sommer desselben Jahres 1962 in seiner Galerie in Los Angeles zu zeigen. Die Ausstellung wurde ein Mißerfolg. Obwohl die Bilder zum Preis von $ 100,- einzeln verkauft werden konnten, wurden nur fünf Arbeiten verkauft, eines davon an den Schauspieler Denis Hopper. Erwin Blum beschloß, bevor er die Bilder im Herbst 1962 zurückschicken mußte, mit Warhol über den Ankauf der restlichen Arbeiten zu verhandeln und konnte für $ 1.000,- die unverkauften Bilder übernehmen, bei einer monatlichen Ratenzahlung von $100,-. Nun versuchte Erwin Blum die gerade verkauften Bilder von den Sammlern zurückzubekommen, um dem Wunsch des Künstlers entsprechend, die komplette Serie geschlossen zu verkaufen. Alle Käufer willigten ein und Erwin Blum behielt diese Gruppe von Bildern bis er sie 1997 an das Museum of Modern Art in New York für 15 Millionen Dollar verkaufte. Dieser finanzielle Erfolg des Kunsthändlers entspricht auch der allgemeinen Anerkennung des Künstlers. Ich berichte diese Anfangsepisode deshalb so ausführlich, weil sie belegt, wie nur in Ballungszentren, hier New York, und unter dem starken Konkurrenzdruck und dem intensiven Informationsaustausch Kunstwerke entstehen können. Dies galt ganz besonders für die Pop Art. Und noch ein aktuelles Beispiel zur ungeheuren Prestige- und Wertsteigerung von Andy Warhol: Ursula Pohl, Tochter des deutschen Sammlers Ströher verkaufte auf der diesjährigen Frühjahrsauktion bei Sotheby’s in New York die „Orange Marilyn“ aus der legendären Kraushar Sammlung für 17 Millionen Dollar. Ihr Vater hatte 1968 für 425.000 Dollar 130 Werke der Pop-Art gekauft, darunter 15 bedeutende Bilder von Andy Warhol, woraufhin die Kinder ihren Vater entmündigen wollten, davon jedoch Abstand nahmen, als Peter Ludwig das Rauschenberg Portrait von Andy Warhol und drei weitere Werke der Pop-Art erwarb.
Im selben Jahr 1962 stellte Andy Warhol seine Bilder in der New Yorker Stable Gallery aus. Schon zur Eröffnung kam es zu einem ungeheuren Andrang junger Menschen. Ebenfalls im Jahr 1962 zeigte die bereits renommierte Galerie Martha Jackson, die bisher Werke der amerikanischen Expressionisten gezeigt hatte, Arbeiten von Jim Dine; Dick Bellamy stellte in der Green Galerie Werke von James Rosenquist, Segal und Wesselmann aus; Leo Caselli zeigte Roy Lichtenstein, und Oldenbourg präsentierte in seinem Atelier die Arbeiten aus dem Store und last but not least zeigte die international angesehene Sidney Jannis Galerie unter dem Titel „New Realists“ Werke der eben genannten Künstler sowie ein Tanz Diagramm von Andy Warhol. Noch im Dezember 1962 veranstaltete das Museum of Modern Art eine Symposion über Pop Art. Die Diskussionsteilnehmer waren Dore Ashton, Henry Geldzahler, Peter Seltz, Leo Steinberg und Hilton Kramer von der New York Times. Die Diskussion war kontrovers, da die ganze Richtung von Hilton Kramer radikal abgelehnt wurde. Die Pop Art, besonders aber die Werke von Andy Warhol, wurden in New York sofort öffentlich wahrgenommen, diskutiert, und vom Establishment abgelehnt. Der Einfluß Hilton Kramers, aber noch mehr der des Kunsthistorikers und Kritikers Clement Greenberg verhinderte eine positive Aufnahme und die notwendige akademische Diskussion der Pop Art. Für Clement Greenberg war Andy Warhol kein Künstler, sondern ein Epochen Symptom. Das allgemeine Verdikt lautete „Novelty Art“, also keine Malerei im eigentlichen Sinne. Die Ablehnung wurde durch die meisten älteren Künstler der New York School geteilt, besonders aber durch die abstrakten Expressionisten. Dieses Ablehnung konzentrierte sich ganz besonders auf das Werk von Andy Warhol, allzumal er schon 1962 begann, seine Bilder im Siebdruckverfahren herzustellen bzw. die Siebe herstellen zu lassen. Selbst Leo Castelli hatte große Schwierigkeiten mit Warhols Werk und konnte die Idee der Factory als Produktionsstätte für dessen Arbeiten schwer akzeptieren und nannte ihn somit häufig einen Entertainer. 1963 zeigte Erwin Blum erneut Bilder von Andy Warhol, diesmal schon Hollywood spezifisch, Portraits von Liz Taylor und von Elvis Presley, jedoch kommerziell ebenfalls ein Mißerfolg. Es ist nur dem Einfluß Iwan Karps und seines Freundes Henry Geldzahler zu verdanken, daß Leo Castelli schließlich im November 1964 Andy Warhol eine Einzelausstellung gab. Vorher stellte jedoch Ileana Sonnabend, Leo Castellis geschiedene Ehefrau, im Mai 1964 in ihrer Pariser Galerie Warhols „Desaster“- Bilder aus und ein Jahr später die „Flower Paintings“. Der kommerzielle und publizistische Erfolg in Europa war unerwartet groß. Die damals noch unbekannte Pariser Galerie Sonnabend, die seit 1962 Ausstellungen von Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und anderen amerikanischen Künstlern zeigte, wurde bis zu den Mai Unruhen 1968 zur führenden Galerie für die Pop Art. Wie immer in der Geschichte des Kunsthandels wirkte sich die Gruppenbildung unter der plakativen Etikettierung „Pop Art“ auch für Warhol erfolgsfördernd aus. Ileana Sonnabend verkaufte allerdings nicht an französische Sammler, sondern vielmehr nach Deutschland, Italien und Schweden und vereinbarte darüber hinaus noch im selben Jahr 1964 Folgeausstellungen in der Turiner Galerie Gian Enzo Sperone und in der Stockholmer Galerie Eva Buren. Es schien, als hätte Europa auf dieses Ereignis gewartet, allerdings zunächst nur auf privater Ebene. Künstler wie Fernandez Arman, Raymond Hains, Jacques Villeglé und Yves Klein in Paris oder auch Mimmo Rotella in Rom hatten schon seit 1957 stärker die Wahrnehmung als die formale Gestaltung in das Zentrum ihrer Arbeit gestellt und als sogenenannte „Neue Realisten“ die Pop Art Künstler in New York beeinflußt. So stellte z. B. 1957 die Mailänder Galerie Apollinaire elf identische blaue Bilder von Yves Klein mit unterschiedlichen Preisen aus, um noch den metaphysischen gegen den Warencharakter auszuspielen. Von dieser Problematisierung des Kunstbegriffes war es nur noch eine konsequente Weiterentwicklung bis hin zu Warhols Konzept, das Kunstwerk auf seinen reinen Warencharakter zu reduzieren. Ebenso wie die Nouveau Realists, fiel auch Andy Warhol schon nach kurzer Zeit hinter seine anfängliche Radikalität zurück, da er den 1965 in Paris selbst verkündeten Verzicht auf Malerei zugunsten des Films nicht einhielt. Sein zunehmend gleichgültiger Umgang mit seinem eigenen Werk hat ihn zu seinen Remakes und Portraits von Menschen, Tieren und Autos geführt, aber auch zu den „Mao“- Portraits und den Schädelbildern, die ihn schließlich auch als Maler ausweisen.
Die dritte documenta 1964 ignorierte noch Warhols Werk; vielmehr erklärte Arnold Bode kategorisch, solange er die documenta leiten würde, käme keine Pop Art in sein Haus, was er jedoch schon bei der vierten documenta 1968 zurücknehmen mußte. Wie in den USA verweigerte auch in Europa das Establishment, besonders die Museen, die Anerkennung seines Werkes mit den rühmlichen Ausnahmen von Pontus Hulten vom Moderna Musset in Stockholm, der bereits 1964 bei Ileana Sonnabend zwei Bilder von Warhol erworben hatte, und Aldo Passoni, der 1965 ein orangefarbenes Desasterbild für die moderne Galerie in Turin in der Galerie Sperone erwarb. Auch in den Jahren 1965/66/67 zeigten ausschließlich private, meist junge Galerien sein Werk darunter vor allem Sperone in Turin. Ich selbst habe in Köln 1967 die Tapeten mit roten Kühen auf gelbem Grund und heliumgefüllte silbrige Kissen ausgestellt. Aus meiner zweiten Warhol Ausstellung „The 13 most wanted men“ ebenfalls 1967 verkaufte ich bereits auch Bilder in öffentliche Sammlungen u.a. an die Museen in Krefeld und Mönchengladbach. Schon vorher kaufte bei mir Wolfgang Hahn, der Restaurator des Wallraf-Richartz Museums Arbeiten von Andy Warhol u.z. „Bela Lugosi“ von 1963 nach einem Szenenbild aus dem Dracula-Film von 1931 nach dem Roman von Bram Stoker und eines seiner „Electric Chair“- Bilder von 1964. Wolfgang Hahn war damals der einflußreichste Sammler zeitgenössischer Kunst, der seine Sammlung besonders mit Werken des Nouveau Realisme, Fluxus und der Pop Art sowie Werken von Jospeh Beuys und Gerhard Richter bereits 1968 im Wallraf-Richartz Museum ausstellte und mit einem sehr detaillierten Katalog große Wirkung auf andere Sammler ausübte. Diese Ausstellung wurde für Peter Ludwig zum entscheidenden Anlaß, seine Sammlung zeitgenössischer Kunst im Bereich der Pop Art zu verstärken und dem Wallraf-Richartz Museum als Dauerleihgaben anzubieten. Schon 1968 kaufte Peter Ludwig bei mir das berühmte und ebenso bedeutende erste Desaster-Bild „129 Die“ aus der Sammlung von Henry Geldzahler, das Doppelbildnis von Elvis Presley, ein dreifaches Portrait der Jackelin Kennedy sowie das Bild Nr. 7 aus der Ausstellung „The Most Wanted Men“. Diese Bilder zusammen mit seiner großen Pop Art Sammlung wurden dem Wallraf-Richartz Museum zunächst als Dauerleihgabe übergeben und dort seit 1969 ausgestellt. In den Folgejahren wurde diese Sammlung mit weiteren wichtigen Werken von Warhol aufgestockt. Die Wirkung dieser Sammlung und der von Wolf Vostell gestaltete Bestandskatalog waren für die Rezeption seines Werkes auch in den USA von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dieser Katalog erfuhr bis 1971 fünf erweiterte Auflagen mit insgesamt 33.000 verkauften Exemplaren. Im Katalog von 1971 waren bereits die wichtigen Werke „Close Cover before Striking“ aus der Sammlung Tremain, das große Robert Rauschenberg Portrait aus der Sammlung Kraushar-Ströher sowie das große „Race Riot“ Bild aus der ersten Ausstellung der Galerie Sonnabend aufgeführt und abgebildet.
In Italien zeigte die Galerie Sperone seit 1965 die Arbeiten von Andy Warhol mit Erfolg, verkaufte jedoch nicht an den damals schon bekannten Sammler Panzer di Biume, der sich für Rauschenberg und Oldenbourg und später auch für Lichtenstein engagierte, jedoch Warhol und die Pop Art ablehnte. Vielmehr war es der Fiat Anwalt Remo Morone und der Architekt Conrado Levi aus Turin, die Werke von Andy Warhol kauften, sowie der bereits erwähnte Museumsdirektor Aldo Passoni. Überraschender Weise wurde Warhols Werk in London mit den „The Most wanted men“ erst 1968 in der Rowan Gallery gezeigt, obwohl doch gerade hier durch Richard Hamilton und Eduardo Paolozzi der Boden für die Pop Art vorbereitet war. Die Kritik war wie üblich ausschließlich auf seine Person bezogen, da der Künstler inzwischen zum Superstar avanciert war und mit seinem privaten Lifestile, seinen Bildern und Filmen ein ungeheures Medienecho auslöste. Andy Warhol wurde wie kein anderer Künstler seiner Generation mit der Öffnung seiner Factory auf der 47. Straße im November 1964 zum Medienstar. Von diesem Moment an wurde ununterbrochen über ihn, seine Superstars, seine Filme, die schon seit 1963 entstanden waren, berichtet. In nur drei Jahren zwischen 1962 und 1964, entstand sein heute kunsthistorisch bedeutsames Werk, das seinen Ruhm damals wie heute begründet.
Wer waren in diesen Jahren die Sammler? Natürlich, wie schon gesagt, keine Museen auch keine Firmensammlungen, sondern gesellschaftliche Outsider wie in den USA der Taxiunternehmer Robert Scull und der Haarkosmetikhersteller Leon Kraushar, die mit großem Engagement seine Bilder und die Werke der anderen Pop Art Künstler kauften. Es ist wiederum dem Einfluß von Iwan Karp und nicht von Leo Castelli zu verdanken, daß er auch bekannte Sammler wie Morton Newman, Brown Baker, das Ehepaar Tremain sowie Alfred Ordover aus New York überzeugen konnte, Warhols Bilder zu erwerben. Robert Rosenblum war der erste Kritiker, der bemerkte, daß mit den Bildern Warhols die moderne Welt in die Kunst gekommen sei. Er sah deutlich die Quellen seiner Inspiration und verteidigte seine Radikalität. Andy Warhol selber analysierte sein Werk nicht, sah jedoch sehr genau, was um ihn herum geschah. Seine Tätigkeit als Dekorateur beim Kaufhaus Bonvit Teller und dem Schuhhaus Miller, wo er bereits seine frühen Comic-Bilder als Schaufenster Dekoration ausgestellt hatte, ließ ihn den Unterschied zwischen High and Low, Kunst und Nichtkunst als nebensächlich erschienen, ein Lebensgefühl, das sich bereits vor allem in der Pop Musik zum Ausdruck kam, aber auch in den Werken zeitgenössischer Schriftsteller wie Allen Ginsberg oder William Burroughs.
In Europa waren die beiden deutschen Industriellen Peter Ludwig und Karl Ströher die wichtigsten Sammler seines Werkes, nicht so sehr, weil sie so viele Bilder von Warhol kauften, sondern mehr noch, weil sie beide ihre privaten Ankäufe in öffentlichen Museen zeigten. In Italien und Deutschland, den ehemaligen Achsenpartnern und Verlierern im Zweiten Weltkrieg, gelang die Durchsetzung der Pop Art und insbesondere des Werkes von Warhol am frühesten und vehementesten. In Turin und Mailand, den Industriezentren, wurden viele Bilder in private Sammlungen verkauft. Einen ebenso großen Einfluß auf die Durchsetzung seines Werkes in Europa hatte der Kauf der Kraushar Sammlung aus New York durch den Darmstädter Sammler Karl Ströher im Februar 1968, die er 1970 als Dauerleihgabe dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt zur Verfügung stellte. Durch die sehr umfangreiche und bedeutende Kraushar-Sammlung gelangten mit einem Schlage 15 Hauptwerke von Warhol zusammen mit wichtigen Werken der Pop Art und des sogenannten Beuys Blocks in das Hessische Landesmuseum in Darmstadt, die größte und bedeutendste frühe Werkgruppe des Künstlers in einer öffentlichen Sammlung. Sowohl der Darmstädter Beuys Block als auch die Kraushar Sammlung wurden durch die beiden deutschen Kunsthändler Heiner Friedrich und Franz Dahlem vermittelt, die dann in den 70er und 80er Jahren bedeutsame Ankäufe von Beuys und anderen europäischen und amerikanischen Künstlern für die Dia Art Foudation in New York vermittelten. Die Kraushar Sammlung sowie der Beuys Block wurden im Haus der Kunst-Neue Pinakothek München 1968, und anschließend im Kunstverein Hamburg, in der Nationalgalerie Berlin sowie in der Kunsthalle Düsseldorf ausgestellt und in drei verschiedenen umfangreichen Katalogen beschrieben. Diese Ausstellungstournee sorgte für eine sehr große Öffentlichkeit besonders in München, wo sich gerade der Galerie-Verein gegründet hatte und für diese Ausstellung verantwortlich zeichnete. Die Tournee und die anschließende Präsentation im Landesmuseum Darmstadt machte Andy Warhol auch in den vereinigten Staaten museumswürdig. Trotzdem war es damals für alle Sammler, besonders aber für die auf öffentliche Mittel angewiesenen Museumsdirektoren, ein kaum zu überwindendes Problem, daß seine Bilder vervielfältigt wurden und damit auch die Urheberschaft nicht mehr eindeutig war.
Der entscheidende Durchbruch für Warhol wurde jedoch seine erste Museumsausstellung 1968 im Moderna Museet in Stockholm, die anschließend im Stedelijk Museum in Amsterdam und in den Kunsthallen Bern und Oslo gezeigt wurde. Kasper König, der 1967 in New York lebte, kuratierte diese Ausstellung gemeinsam mit Andy Warhol und schlug Pontus Hulten vor, die Ausstellung nur mit Leihgaben des Künstlers zu bestücken, also die gesamte Ausstellung in der Factory speziell herzustellen. In konsequenter Anwendung seiner eigen Reproduktionsphilosophie druckte er all seine bis dahin bekannten Bildthemen noch einmal in umfangreichen Serien. Pontus Hulten hatte bereits 1964 bei Ileana Sonnabend ein großes Portrait von Marilyn Monroe und einen „Electric Chair“ erworben und war an der Pop Art ebenso stark interessiert wie am Nouveau Realisme. Warhol und König propagierten auch einen umfangreichen billigen Katalog im Zeitungsdruck auf Zeitungspapier mit 636 ganzseitigen schwarz-weiß Abbildungen und Statements nur von Andy Warhol. Sowohl die Ausstellung, als auch der Katalog wurden ein riesiger Erfolg. Der Katalog wurde in drei Auflagen von insgesamt 20.000 Exemplaren gedruckt und verkauft. Die ausgestellten „Brillo-Boxen“ kamen direkt aus der Brillo Seifenfabrik. Die gesamte Fassade des Museums war komplett mit Warhols Kuhtapete von 1966 beklebt. Trotz eisiger Kälte in den Monaten Februar/März 1968 sahen 25.000 Besucher die Ausstellung. Der Katalog erschien auch ironischerweise in wenigen Exemplaren als Luxusausgabe mit Goldschnitt und seiner Signatur in einem schwarzen Plexiglasschuber. Heute kostet diese Luxusedition $ 4.000,-. Der Erfolg dieser Ausstellung und die vielen Rezensionen machten Andy Warhol auch in Europa zum berühmtesten Pop Art Künstler überhaupt. Vier Monate nach der Eröffnung dieser Ausstellung wurde der Künstler von Valery Solanis, einer Besucherin der Factory und Gründerin der „Society for cutting up men“ angeschossen, womit der Mythos „Warhol“ begann und bis heute weiterlebt.
II
Joseph Beuys - Rezeptionsgeschichte 1967—1979
Joseph Beuys, der seine erste Museumsausstellung 1967 bei Johannes Cladders in Mönchengladbach hatte, ein Museum das wie auch in Krefeld bereits damals Werke von Joseph Beuys und Andy Warhol gekauft hatte, versuchte damals vergeblich, Kasper König zu bewegen, die Andy Warhol Ausstellung auch in Mönchengladbach zu zeigen. Dies belegt das frühe Interesse von Joseph Beuys am Werk von Andy Warhol. Erst in der Sammlung Hahn im Mai 1968 im Wallraf-Richartz Museum, bei der vierten documenta 1968 und in der Sammlung Ströher in München im Sommer desselben Jahres wurden Arbeiten beider Künstler gleichzeitig öffentlich sichtbar. Beuys zeigte auf der documenta eine große Rauminstallation, die auch später Bestandteil des Ströher-Blocks wurde, in unmittelbarer Nähe zu der großen Kienholz-Installation „Roxy“ und den anderen amerikanischen Pop Künstlern. Der bisher mehr oder weniger national geführte Diskurs über das Werk von Beuys weitete sich jetzt international aus. Der angebliche Ankauf der Beuys Ausstellung in Mönchengladbach 1967 durch Herrn Ströher fand in Wirklichkeit nie statt. Erst mit dem Ankauf der Kraushaar Sammlung und ihrer öffentlichen Präsentation in München wurden auch Leihgaben von Beuys ausgestellt, die jedoch bewußt irreführend unter dem Namen der Ströher Sammlung firmierten. Es war der zumindest für Joseph Beuys erfolgreiche Versuch von Franz Dahlem und Heiner Friedrich über die Kraushaar Sammlung auch junge deutsche Kunst museumswürdig zu machen. Im Mai 1968 schrieb Eduard Beaucamp in der FAZ unter dem Titel „Das große Werben“ vom Versuch des Münchner Generaldirektors Soehner, die Ströher Sammlung für die Neue Pinakothek als Dauerleihgabe im Haus der Kunst zu installieren. Beaucamp berichtete in seinem Artikel vom Erwerb der Beuys Ausstellung durch Ströher mit insgesamt 180 Werken des Künstlers, die nun in München der ehemaligen Kraushar-Sammlung gegenüberstanden. Diese Mitteilung war ein Ergebnis der bewußten Irreführung und griff den Tatsachen zwei Jahre voraus. Bis dahin hatte Ströher dem Künstler lediglich à Konto Zahlungen für die Produktion neuerer Arbeiten, insbesondere für die documenta Installation geleistet, aber selber noch keine Arbeiten erworben. Seinen ersten Ankauf von Beuys tätigte Ströher 1969 in der Galerie Schmela: die große Kupfer-Filz Installation „Fond III“ für 100.000,- DM. Erst als das Kunstmuseum in Basel 1969/70 den Beuys Block ausstellte, wurden auch internationale Händler wie Leo Castelli und Ileana Sonnabend auf sein Werk aufmerksam und machten dem Künstler bzw. seinem Sammler Ströher Kaufangebote. Ströher war bereit, gegen den Willen von Beuys und Dahlem Teile aus dem Beuys-Block zu verkaufen, um seine à Konto Zahlungen zurückzubekommen. Um das Auseinanderreißen dieser bedeutenden frühen Werkgruppe zu verhindern, wendete sich damals Franz Dahlem an Franz Mayer, damals Direktor im Baseler Kunstmuseum, dem er den gesamten Beuys Block für DM 600.000,- anbot. Der Ankauf scheiterte jedoch am Platzmangel. Erst zur Eröffnung der Ausstellung im Darmstädter Landesmuseum April 1970 erwarb Ströher den gesamten Beuys Block für DM 800.000,- unter Anrechnung der bis dahin geleisteten à Konto Zahlungen. Schon unmittelbar nach dem Tode des Sammlers 1977 verkauften seine Erben die ehemalige Kraushar-Sammlung an die Stadt Frankfurt und einige Jahre später den Beuys Block an den Sammler Marx, der seinerseits die Sammlung in den 80er Jahren an die Hessische Landesregierung verkaufte.
Eine Aktion bzw. auch Ausstellung von Beuys in den USA sollte jedoch erst 1974 stattfinden. Es ist heute schwer einzuschätzen, ob diese Verzögerung aus einem Mangel an konkreten Ausstellungsangeboten oder einer aktiven Verweigerungshaltung entsprang, eine Darstellung wie sie Joseph Beuys propagierte. Sicherlich spielten der Vietnam Krieg und die Politik Nixons auch eine Rolle für seine anti-amerikanische Haltung dieser Jahre. Trotzdem möchte ich betonen, daß Beuys ein langfristig denkender Stratege war, der mit Sicherheit bereits damals über einen gut vorbereiteten Auftritt in den USA zum richtigen Zeitpunkt nachgedacht hatte. Wie sehr Beuys langfristig strategisch denken konnte, erfuhr ich, als er im Frühjahr 1968 den damals schon bekannten Kölner Sammler Wolfgang Hahn in sein Atelier bat und ihm eine durch Explosion einseitig verbrannte Tür mit Vogelschädel und Hasenfellteilchen von 1956 für seine Sammlung schenkte. Beuys hatte erfahren, daß die Sammlung im Wallraff-Richartz Museum erstmalig ausgestellt werden sollte. Wolfgang Hahn besaß damals nur kleinere Arbeiten des Künstlers, die keinen Vergleich mit den Werken von Rauschenberg, Oldenbourg, Segal u.a. standgehalten hätte. In der Tat hatte der spezifisch europäisch-amerikanische Dialog dieser Sammlung eine außerordentlich große Wirkung, wie bereits erwähnt auch auf Peter Ludwig.
Beuys, der in Düsseldorf bereits das Medientalent Yves Klein kennengelernt hatte, bewunderte auch bei Andy Warhol seinen Umgang mit den Medien und wußte, daß eine erste Aktion oder Ausstellung in den USA auch ein Medienereignis werden mußte. So hatte er keine Einwände mehr, als Ronald Feldman in seiner New Yorker Galerie 1972 ohne seine Beteiligung zunächst nur Zeichnungen als Leihgaben von Lucio Amelio aus Neapel ausstellte, war doch bereits das Interesse des Museums of Modern Art an seinen Zeichnungen durch die damalige Kuratorin Bernice Rose bekundet worden. Als Ronald Feldman dann 1973 zum ersten Mal Beuys in Düsseldorf persönlich besuchte und ihn für 1974 zu einer Vortragsreise einlud, überraschte Beuys seine Umgebung durch eine spontane Zusage. Die erste öffentliche Vorlesung in New York fand in der New York School auf der 12. Straße im Januar 1974 vor einem überfüllten Auditorium von über 500 Personen statt mit einer anschließend äußerst lebhaften und kontroversen Diskussion. Am folgenden Tag stellte er sich selber in der Galerie Feldman als „soziale Plastik“ aus und beantwortete einen Tag lang in der Galerie auf- und abgehend die Fragen der Besucher, die überrascht waren zu erfahren, daß sie bereits durch ihre Fragen an der „sozialen Skulptur“ mitwirkten. Der Andrang zu seinen Vorlesungen im Art Instiute in Chicago und am Institute for Art and Technology in Minneapolis war noch größer. Der Leiter des de Moine Art Centers, Jim Dimitrion, kaufte für sein Museum eine während der Vorlesungen beschrifteten Schultafeln für $ 6.000,-, nachdem zuvor schon sowohl in New York, als auch in Chicago heftige Diskussionen über den kommerziellen Charakter der Veranstaltung ausgelöst worden waren, da vermutet wurde, daß die benutzten Tafeln anschließend verkauft werden sollten, was dazu führte, daß Ronald Feldman in New York die Tafel vor aller Augen auswischte. In Chicago aber erklärte der Künstler nun, daß diese Tafeln in die Welt müßten, um wirken zu können. Jim Dimitrion sollte auf Grund dieses Ankaufes mit sofortiger Wirkung entlassen werden, nur jedoch der Hinweis auf sein Recht als Leiter des Art Centers bis zu $ 6.000,- frei verfügen zu können, stand der Kündigung im Wege. Diese erste Erfahrung mit einem Ankauf einer Beuys Arbeit durch einen Museumsdirektor war symptomatisch für die offizielle Einstellung der Museen zum Werke von Beuys. Es darf nicht vergessen werden, daß Beuys 1974 in Europa bereits berühmt und ein international anerkannter Künstler war und auch in der Presse so vorgestellt wurde. Beuys war sicherlich von dem starken Interesse an seinen Vorlesungen beeindruckt und in seinem längst vorher gefaßten Entschluß bestärkt, in New York auch eine Aktion durchzuführen. Da sein Berliner Kunsthändler und Freund René Block in New York für seine deutschen Künstler Jospeh Beuys, Sigmar Polke, Gerhard Richter und den internationalen Fluxus Künstlern Nam June Paik, Georges Maciunas, Dick Higgins u.a., die ebenfalls noch nicht in New York repräsentiert waren, eine Galerie eröffnen wollte, dies aber abhängig machte von einer Zusage Beuys’, die Galerie mit einer Ausstellung oder Aktion zu eröffnen, kam es zur Gründung der René Block Gallery auf der Spring Street, Ecke West Broadway. René Block mietete zwei Etagen mit je ca. 100 qm 1974 für insgesamt nur $ 900,- an. Eine Etage wurde zur Galerie umgebaut, die andere Etage wurde seine Wohnung, die auch Beuys während seiner Aktion bewohnte, um das Haus nicht verlassen zu müssen. Die Tatsache, daß große, mehrstöckige Lofts noch in den 70er Jahren für $ 30.000,- gekauft oder entsprechend günstig angemietet werden konnten, zählt meines Erachtens zu den wesentlichen Gründe für den Aufschwung der New Yorker Kunstszene. Es ist heute schwer nachzuvollziehen, daß es Beuys damals wichtig erschien, seine erste Aktion in den USA in einer deutschen Galerie durchzuführen, also quasi auf europäischem Boden. Obwohl er sich mit der Vortragsreise bereits längere Zeit in den USA aufgehalten hatte, wollte er bei seiner ersten Aktion amerikanischen Boden nicht öffentlich betreten, und ließ sich bereits in der Ankunftshalle des Kennedy Airports verbinden und auf einer Bahre liegend in einem Krankenwagen in die Galerie René Block transportieren. Die Galerie war in einen Käfig mit Metallgitter umgestaltet, in den man einen Kojoten aus einer Tierfarm in New Jersey gebracht hatte, sowie weitere Requisition wie einen Hirtenstab, Filz, Stroh und mehrere Exemplare des Wall Street Journals, auf die der Kojote auch medienwirksam pinkelte. Das gesamte Ereignis wurde als ein Medienereignis in all seinen Stationen fotografiert und dokumentiert. Es wurde verlautbart, daß der Künstler während der gesamten 4tägigen Aktion den Käfig nicht verlassen werde. Die Wirklichkeit sah etwas anders aus, wie sich von selbst versteht. Der ebenso bezeichnende wie werbewirksame Titel dieser Aktion „I like America and America likes me“ stimmte nur bedingt, da nur der New Yorker Untergrund überhaupt von der Aktion Kenntnis nahm und die New York Times die Anwesenheit von Beuys mit keinem Worte erwähnte. Nur die Village Voice brachte ein Photo auf ihrem Cover. Warhol selber hat die Aktion nicht gesehen, dagegen waren viele jüngere Künstler aus Soho anwesend. Die New Yorker Kunsthändler sowie die Museumskuratoren mit Ausnahme von Ronald Feldman ignorierten das Ereignis vollkommen. Beuys ließ sich so wie gekommen auch per Ambulanz wieder zum Flughafen zurückbringen.
Schon während seiner ersten Vortragsreise überzeugte Beuys Ronald Feldman als seinen amerikanischen Händler, auch auf der Baseler Art mit einem Stand präsent zu sein, was tatsächlich durch die Mithilfe von Lucio Amelio, der im Auswahlkommité tätig war, noch im gleichen Jahr gelang. Beuys hatte Ronald Feldman eine Installation für seinen Stand versprochen. So kam es, daß Feldman die später sogenannte Installation „Feuerstätte 1“ in Basel zeigte und dafür auch den ersten Preis für die beste Koje erhielt. Der Kunsthändler verkaufte diese Arbeit während der Messe an die Kölner Herstatt Bank, las jedoch wenige Tage später in der internationalen Herold Tribune vom Konkurs dieser Bank. Kurzerhand verschickte Feldman die Arbeit nicht nach Köln, sondern in seine New Yorker Galerie. Die Käufer dieser Installation haben bis heute den Vertragsbruch nicht reklamiert und nichts von sich hören lassen. Diese Installation wurde dann im Herbst desselben Jahres in der Ronald Feldman Gallery in New York gezeigt, wo sie auch ihren Namen erhielt, da noch Reste einer Kaminbodenplatte in der Galerie sichtbar waren. Jedoch keiner der amerikanischen Sammler, auch kein Museum interessierte sich für diese Arbeit, obwohl sie im Anschluß auch noch im Darmouth-Collage in Hannover von dem Kurator Jan van der Mark gezeigt wurde. Die Kritiken dieser Ausstellung waren sehr allgemein gehalten aber positiv, die Newsweek brachte sogar eine ganze Seite und der Umschlag der Art News wurde der Person Beuys gewidmet. Immerhin wollte Bernice Rose, Kuratorin der Zeichnungsabteilung im Museum of Modern Art, eine der beiden Chicagoer Vorlesungstafeln auch für $ 6.000,- erwerben, was jedoch vom Vorstand des Museums abgelehnt und erst zehn Jahre später, nun allerdings für $ 60.000,- möglich wurde. Diese Fakten belegen deutlich, daß Beuys nun wie Andy Warhol auch in Amerika als Medienstar wahrgenommen, aber seine künstlerischen Arbeiten nicht ernst genommen wurden. Die in New York gezeigte Installation „Feuerstätte 1“ wurde dann drei Jahre später für $ 100.000,- auf Empfehlung von Dieter Koepplin durch das Kunstmuseum Basel angekauft und sofort bezahlt, damit der neu zu wählende Vorstand, diesen Entschluß nicht noch möglicherweise revidieren konnte. Der kommerzielle Erfolg von Beuys in den USA war niederschmetternd und ist es bis heute geblieben. Auch seine große Installation „Richtkräfte“, die zunächst in der Ausstellung „Art into Society - Society into Art“ im Institute of Contemporary Art in London 1974 gezeigt wurde und dann 1975 anschließend bei René Block in seiner New Yorker Galerie, blieb ebenfalls in New York unverkauft und wurde ein Jahr später von der Nationalgalerie in Berlin angekauft. Überhaupt waren die Ausstellungen der Galerie René Block kommerziell gesehen kein Erfolg, allenfalls in Hinblick auf europäische, besonders deutsche Sammler. Außer der Vitrine „Das Samuraischwert ist eine Blutwurst“ im Museum of Modern Art und einer Vitrine sowie der eher marginalen Arbeit eines Fiat Autos mit dem Aufdruck „FIU“ im Guggenheim Museum befinden sich größere und wichtige Werke nur in der Dia Art Foundation durch die schon erwähnte Vermittlung des Münchner Kunsthändlers Heiner Friedrich. Im Gegensatz zu Warhol, dessen Werk in Europa hervorragend und umfangreich in öffentlichen Sammlungen vertreten ist, wurden keine wesentlichen Werke von Beuys, insbesondere keine Installationen, in öffentlichen Sammlungen in den USA angekauft. Der Kritiker Harold Rosenberg hatte schon anläßlich seiner ersten Zeichnungsausstellung bei Feldman festgestellt, daß Beuys nicht zeichnen könne. Diese Kritik wirkte besonders verheerend, weil über die allgemein als qualitätvoll anerkannten Zeichnungen der Zugang zu seinem plastischen Werk erleichtert wurde. So dauerte es noch einmal fast vier Jahre bis Tom Messer, damaliger Leiter des Guggenheim Museums, sich auf Grund der Beuys’schen Beteiligung auf der Biennale 1976 und unter dem Eindruck seines Werkes „Tram“ zu einer großen Retrospektive in seinem Hause entschloß. Der Künstler konnte weitgehend Umfang und Durchführung der Ausstellung mit der von ihm selbst benannten englischen Kuratorin, Caroline Tisdal, bestimmen. Vorbedingung war jedoch, eine Werkausstellung einzurichten, und keine Aktionen zu planen. So kam es dann im November 1979 zu der ersten großen Museumsausstellung von Joseph Beuys in den USA. Beuys war auf der Höhe seines Ruhms und genoß mit großem persönlichen Gefolge seinen Auftritt in New York. So großartig die Ausstellung auch in 24 Lebensstationen inszeniert war und die wichtigsten Hauptwerke versammelt waren, so verhalf sie dem Künstler dennoch nicht zu einer stärkeren Präsenz in privaten oder öffentlichen Sammlung der USA. Die Kritik war dem Werk gegenüber im allgemeinen ratlos und vermißte Aktionen des Künstlers, für die er bereits bekannt geworden war. Einige Kritiker bescheinigten Beuys zwar, der wichtigste europäische Künstler der Nachkriegszeit zu sein, ohne dies jedoch kunsthistorisch zu begründen. Benjamin Buchloh ging im Artforum Januar 1980 allerdings umfassend auf das Werk ein und verglich das Phänomen Beuys mit Richard Wagner. Buchloh beklagte, daß der Künstler weit hinter Duchamp zurückfalle und seine Objekte wieder mit Bedeutungen auflade. Er kritisierte weiterhin, daß seine wissenschaftsfeindlichen Utopien regressiv seien und sah in seiner abstrakten Universalität privatistische und subjektivistische Qualitäten. Diese letztlich vernichtende Kritik wurde im Grundsatz auch von Werner Spies geteilt, der die Guggenheim Ausstellung in der FAZ eingehend besprach und ebenfalls bemerkte, daß sich Beuys außerhalb der Geschichte zu stellen versuche und dementsprechend auch im Katalog, Beuys nur mit Beuys zu erklären versucht werde. Eine kritische und historische Würdigung fände nicht statt. Es wurden ebenfalls die restaurativen Züge im Werk kritisiert, in der amerikanischen Presse sogar vom nordischen und völkischen Charakter seiner Arbeiten gesprochen. Hilton Kramer von der New York Times schwieg völlig, John Russel beschrieb im Times Magazine schon im Oktober, also vor der Ausstellungseröffnung im Guggenheim Museum Beuys als „sculptor of bizarre, crafter of cryptic actions, politician of utopian hopes.“ Im übrigen schrieb er in seinem langen Essay über seine Herkunft, seinen Lebenslauf und sein politisch soziales Engagement. Beuys wurde als Schamane vorgestellt mit unkritischer Übernahme biographischer Daten aus dem Katalog. „Weder Clown noch Gangster“ schriebt Jerry Talmer in der New York Post, der nur Beuys selber zitiert. In Time und Newsweek wurde Beuys als typisch deutsch gesehen, dessen Leben und Werk eine Einheit bilden und für den Künstler zu sein, wichtiger als das Werk sei. Viele Werke wie z.B. die „Honigpumpe“ wurden nur als Überbleibsel früherer Aktionen gesehen. In Time schreibt Robert Hughes „die Stapel aus Filzrechtecken mit Kupfer- und Eisenplatten bedeckt, ähneln der stummen sinnentleerten Minimal Art. Insgesamt sind die Kritiken uninteressant und eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk fand nicht statt. Die Person und sein Mythos standen im Vordergrund wie schon zehn Jahre zuvor bei Andy Warhol.
III
Warhol und Beuys - Zwei Künstlerlegenden
Beide Künstler waren Medienstars ihrer Zeit. Von 1970 bis 1978 führte jedoch Robert Rauschenberg die Liste der hundert wichtigsten Künstler im „Kunstkompaß“ der Zeitschrift Kapital, die von drei Millionen Lesern gelesen wird. Nicht zuletzt auf Grund seiner Ausstellung im Guggenheim Museum und dem enormen Medienecho rückte Beuys 1979 auf den ersten Platz dieser Künstler-Charts, die von Künstlern und Sammlern auch heute noch gerne gelesen werden. Rauschenberg beschwerte sich damals in einem zwölf Seiten langen Brief beim Herausgeber Willi Bongard über seinen Abstieg auf den zweiten Platz und verwies auf seine vielen Ehrendoktortitel und Ausstellungen. Auf Position drei war und blieb Warhol vor Jasper Johns und Claes Oldenbourg.
Zur ersten persönlichen Begegnung zwischen Beuys und Warhol kam es 1979, als die Galerie Hans Mayer in Düsseldorf ihre Warhol Ausstellung mit den „Indian Portraits“ eröffnete. Neben dem Weltranglisten Ersten Joseph Beuys war auch Robert Rauschenberg, nun Weltranglisten Zweiter, eingeladen, konnte aber nicht kommen. Bei dieser Gelegenheit traf Beuys zum ersten Mal Andy Warhol. Der Andrang war dementsprechend groß und machte die Eröffnung zu einem Medienereignis. Wie würde sich die Begegnung abspielen? Würde gar der eine das Werk des anderen kommentieren und Statements abgeben? Nichts von alledem. Andy Warhol versteckte sich wie immer hinter seiner Polaroid Kamera und fotografierte immer wieder Beuys wobei er erklärte, wie sehr er es bedaure, Beuys nicht als Superstar in einem seiner Filme gefilmt zu haben. Obwohl er dessen Werk in Darmstadt zuvor gesehen hatte, kommentierte er es jedoch nicht. Beuys hingegen sagte über Warhol an diesem Abend folgendes: „Der ist noch ganz jung geblieben, viel jünger als all die anderen hier. Mit dem ist was zu machen. Ich muß mal sehen, ob ich ihn nicht für die FIU (Freie Internationale Universität) kriegen kann. Muß mal mit dem reden. Denn wir wollen ja wirklich eine Factory, aber eine richtige.“ Beide Künstler signierten derweil Kataloge und mitgebrachte Dollarnoten, Andy Warhol mit seinem Namen und Joseph Beuys mit ‘John Dillinger’ (einem berühmten Mafia-Boss der 20er Jahre). Mit der „richtigen Factory“ meinte Beuys natürlich seine Freie Internationale Universität. Das Mißverständnis könnte nicht größer sein.
Das Verbindende beider Künstler war wohl eher ihr ausgeprägtes Medienbewußtsein. Während Andy Warhol jedoch die Medien und ihre Bedeutung für die Kunst und ihre Rezeption erkannt und in seinem Werk thematisiert hatte, indem er Zeitungsanzeigen, Titelseiten oder Werbungen zu eigenständigen Werken verarbeitete, stilisierte sich Beuys selber, um medienwirksam auftreten zu können und so seinem Werk sowie seinen Aktionen eine größere Öffentlichkeit zu verschaffen. Andy Warhol, der erfolgreich aus der Werbung kam, und Konsumprodukte zum Gegenstand seiner Werke machte, brachte seine Bilder nahtlos in den Kunstkontext und zeigte sie folgerichtig nur noch in Galerien und Museen. Während für Warhol die täglichen anonymen und bedeutungslosen Ereignisse zu seinen Themen wurden und durch ihn wieder Bedeutung erlangten, also die Oberfläche Bedeutungsträger wurde, stand für Beuys die Bedeutungshaftigkeit des Objekts im Zentrum seines Interesses. Die Materialien wie Kupfer, Filz oder Fett sollten persönliche Botschaften übermitteln, wobei er irrtümlicherweise annahm, daß diese Botschaften allgemeingültig und eindeutig waren. Damit gab er seinem Werk einen subjektiven Fetisch-Charakter. Während es für Warhol nichts hinter der Oberfläche zu sehen gab, begann für Beuys dort erst das Sehen. Nicht die Kritik an der Gesellschaft, sondern ihre scheinbare Affirmation ist das eigentlich Radikale im Werke Warhols. Die bisherige Produktionsgesellschaft mit ihrem spezifischen Ethos wurde für ihn zur Konsumgesellschaft, das Kunstwerk zur Ware, das Kaufhaus zum Museum und das Museum zum Kaufhaus. Im Gegensatz zu Beuys wollte er die Welt nicht verändern, aber sein Werk verändert die Welt. Deshalb wurde Warhol zum einflußreichsten Künstler seiner Generation. Beuys hingegen beschritt einen völlig anderen Weg, einen diamentral entgegengesetzten, indem er sein Werk aus der linearen Bindung an die Kunstgeschichte zu befreien und an magische und mythische Vorgänge zu koppeln versuchte. Für ihn wurden die Objekte Bedeutungsträger auch vergangener Zeiten, um so seine Zeit und ihre Gesellschaft zu verändern. Er versuchte, seine Werke mit gedanklicher Energie aufzuladen und vertraute darauf, daß sie so wirksam werden könnten. Für ihn war die Kunst kein Produkt mehr, sondern ein sozialer Prozeß und folgerichtig wurden auch das Gespräche, die Aktionen sowie die Organisationen ein wesentlichen Teil seiner Arbeit.
Völlig anders ging Andy Warhol vor. Die teilweise industriell und meist gemeinschaftlich hergestellten Werke waren das eigentliche Produkt. Die Factory war der Ort der Produktion, die Bühne, auf der seine Gesellschaft, meist von den sozialen Rändern her kommend, agierte und ihn inspirierte. Warhol beobachtete diese Gesellschaft ohne sie jedoch zu kommentieren. Erklärungen zu seinem Werk und zur Gesellschaft im Allgemeinen überließ er anderen, selbst in Pressekonferenzen zu seinen Ausstellungen ließ er die gestellten Fragen durch Freunde beantworten, falls er sich nicht, wie auch geschehen, überhaupt durch ein Double vertreten ließ. Er suchte nicht das Gespräch, auch nicht die Aktion, sondern bewirkte durch seine Affirmation, die Fragen bedeutungslos werden zu lassen. Auch sein permanenter Gebrauch der Kamera oder des Videos sollten nur die Bedeutungslosigkeit ihrer Inhalte verdeutlichen.
Es lassen sich sicherlich nur schwer Künstler finden, die in ihren Ideen und in ihrer Methodik gegensätzlicher waren, und doch gab es über ihr wechselseitiges Interesse an den Medien hinaus, tiefergreifende Gemeinsamkeiten und gegenseitiges Verständnis für das Werk des jeweils anderen. Dies wird klar, wenn man das Portrait „Joseph Beuys“ von Andy Warhol sieht. Der Künstler hat das Bildnis mit Diamantenstaub überzogen und damit auf das Amorphe und Kristalline im Beuys’schen Werk hingewiesen. Der Diamant, der für Beuys Inbegriff der Kälte war, sollte sein Anblick „zum Glühen bringen.“ Beide Künstler verband auch das Interesse an der Gesellschaft, die Liebe zum Menschen und es war sicherlich dieses gemeinsame Gefühl füreinander und für die Menschen, das Beuys in Hinblick auf Andy Warhol zu seinem schon zitierten Bruder-Zitat veranlaßte. Beide Künstler interessierten sich nicht mehr für die traditionellen Begriffe der Ästhetik und erweiterten damit unsere Vorstellung von Kunst. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ sagte Beuys und „alles ist schön“ Warhol. Beat Wyss formulierte den Unterschied als „Ästhetik der Aktion“ bei Beuys und „Ästhetik der Existenz“ bei Warhol. Meines Erachtens hat Theodora Vischer in ihrer Beuys Dissertation die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Beuys und Warhol am besten auf eine knappe Formel gebracht:
„Gemeinsam ist Warhol und Beuys, daß sie sich als Privatperson eliminiert und in einer bisher noch nicht gekannten Radikalität zum Medium gemacht haben. Gemeinsam ist ihnen dementsprechend, daß sie mit ihrem Schaffen die Grenze zwischen Kunst und Leben, der Kunst und Wirklichkeit verunsichert haben. Warhol hat diese Verunsicherung erreicht, indem er die Gesetze der Konsumgesellschaft in sein Verhalten und seine Arbeit aufgenommen hat. Die totale Bejahung des amerikanischen Pragmatismus, wie Warhol sie in seiner Kunst vornimmt, ist die dialektische Kehrseite, des gestaltenden Eingriffs in die europäische Gesellschaft nach dem Krieg, wie ihn Beuys - auf der Grundlage seiner Erfahrungen in der Kunst - gefordert und betrieben hat.
Diese pointierten Zuspitzung auf eine Dialektik aus Bejahung und Veränderungswillen der bestehenden Verhältnisse muß jedoch meines Erachtens noch etwas differenziert werden: In demselben Maße wie die Warholsche Affirmation durch Ironie gebrochen wird, ist das Beuyssche Sendungsbewußtsein auch durch ein persönliches Geltungsbedürfnis zu relativieren.
Es scheint mir an der Zeit, die durch Warhol und Beuys betriebene Verunklärung der Grenze zwischen Kunst und Leben, Kunst und Wirklichkeit auf einer wissenschaftlichen Ebene wieder zu klären.
Wie Andy Warhol in Europa und Joseph Beuys in den USA ankam
1998
Zur Rezeptionsgeschichte zweier Protagonisten
Unbestreitbar waren Andy Warhol und Joseph Beuys in den 60er und 70er Jahren die exponiertesten Künstler in den USA und Europa. Dabei spielen die Medien eine zentrale Rolle. Nie zuvor haben die Medien in solchem Ausmaß zum Ruhm und zur Popularisierung bildender Künstler beigetragen. Nie zuvor haben bildende Künstler - vielleicht mit Ausnahme von Yves Klein - die große Bedeutung der Medien in der Gesellschaft in dieser Weise erkannt und zur Propagierung ihrer Arbeit bewußt eingesetzt. Deshalb ist es interessant, ihre Rezeptionsgeschichte in den ersten Jahren ihrer öffentlichen Anerkennung zu verfolgen und zu vergleichen. Beide Künstler trennt sicherlich mehr, als sie verbindet. Gemeinsam war ihnen zu Lebzeiten eine für bildende Künstler ungewöhnliche Publizität, die nicht zu letzt durch den Verdacht der Scharlatanerie oder des Schamanentums genährt wurde.
Diese Gemeinsamkeit ist mir Anlaß genug, um die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte beider Künstler zunächst getrennt zu verfolgen, um anschließend ihre großen Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich werden zu lassen. In Hinblick auf die wenigen unmittelbaren Begegnungen beider Künstler ist es bereits bezeichnend, wie unterschiedlich ihre wechselseitige Wahrnehmung war. Beuys nannte in einem Gespräch mit Lou Wrien Wijers 1980: „Warhol ist gewissermaßen mein Bruder, auch wenn er mit einer radikal anderen Methodik arbeitet.“ Warhol hingegen hätte Beuys gern als Superstar in einem seiner Filme gesehen.
Andy Warhol - Rezeptionsgeschichte 1961—1968
Bevor ich auf die hier zum Ausdruck kommende Unterschiedlichkeit beider Künstler eingehe, lassen Sie mich zunächst die einmalige Erfolgsgeschichte Andy Warhols in den USA und in Europa bis zu seiner ersten Museumsausstellung 1968 in Stockholm erzählen, um dann über Beuys von 1967, seiner ersten Museumsausstellung in Mönchengladbach, bis zu seiner Retrospektive im Guggenheim-Museum 1979/80 zu sprechen.
Wie und wo begann Warhols unvergleichliche Karriere und sein schneller Weltruhm? Der Kunsthändler Erwin Blum wurde 1961 aus New York kommend Juniorpartner der Ferus Galerie in Los Angeles, die Edward Kienholz und Walter Hopps 1957 in L..A. gemeinsam gegründet hatten. Kienholz verließ die Galerie 1961 enttäuscht wegen des zu geringen Interesses an der zeitgenössischen Kunst aus Los Angeles und Erwin Blum übernahm für $ 500,- seinen Galerieanteil, um von nun an zusammen mit Walter Hopps zusammen ein überregionales Programm, also vorwiegend auch junge Künstler aus New York zu zeigen. Erwin Blum war also auf der Suche nach jungen unbekannten Künstlern und fragte regelmäßig Dick Bellamy, Inhaber der Green Galerie in New York, Henry Geldzahler, Kunsthistoriker und zukünftiger Kurator am Metropolitain Museum, ebenso wie Bill Seitz, Kurator am Museum of Modern Art sowie Iwan Karp, damals noch Mitarbeiter der Galerie Leo Castelli. Bei einem seiner New Yorker Besuche im Herbst 1961 gemeinsam mit Walter Hopps nannten ihm alle vier Freunde den Namen von Andy Warhol. Der Besuch im Studio verlief jedoch insofern enttäuschend, als sie nur die Bilder nach Comic-Strips wie Dick Tracy oder Poppeye und nach Anzeigen aus Zeitungen wie „before“ und „after“, meist Acrylfarbe auf Leinwand und Kartons sahen, die sie ästhetisch noch nicht einordnen konnten. Es handelte sich dabei um Bilder, die Warhol bereits im April 1961 im Kaufhaus Bonvit Teller als Schaufensterdekoration ausgestellt hatte. Beide Kunsthändler irritierte, daß die meisten Bilder im Stile der Zeit flüchtig und meist mit tropfender Farbe gemalt waren und verließen ohne konkrete Absprachen mit dem Künstler sein Atelier, um schon wenige Tage darauf in der Galerie Castelli, Dias von Bildern eines ebenso unbekannten, wie jungen Künstlers zu sehen, der wiederum Comic-Themen malerisch verarbeitete, diesmal jedoch weit souveräner und für Erwin Blum ersichtlich in einer Auseinandersetzung mit dem Werk Fernand Légers. Es handelte sich um frühe Bilder von Roy Lichtenstein, der gleichzeitig an einer ähnlichen Thematik arbeitete wie Warhol. Dies veranlaßte ihn noch einmal Andy Warhol aufzusuchen, um mit ihm über diese Parallele zu sprechen. Zu seiner Überraschung sah er nun im Atelier 32 gerade fertiggestellte Leinwände im Format 50 x 40 cm mit den verschiedenen Labels sämtlicher Suppen der Firma Campell. Andy Warhol erklärte ihm, auch er habe dieselben Dias von Lichtensteins Bildern gesehen, als er kürzlich bei Iwan Karp, einem Mitarbeiter der Galerie Castelli, eine „Light-Bulb“ Zeichnung von Jasper Johns gekauft habe. Aus der Überzeugung heraus, daß Lichtensteins Comic-Bilder besser als die eigenen seien, habe er das Sujet gewechselt.
Erwin Blum beschloß, die Campell Suppen Bilder schon im Sommer desselben Jahres 1962 in seiner Galerie in Los Angeles zu zeigen. Die Ausstellung wurde ein Mißerfolg. Obwohl die Bilder zum Preis von $ 100,- einzeln verkauft werden konnten, wurden nur fünf Arbeiten verkauft, eines davon an den Schauspieler Denis Hopper. Erwin Blum beschloß, bevor er die Bilder im Herbst 1962 zurückschicken mußte, mit Warhol über den Ankauf der restlichen Arbeiten zu verhandeln und konnte für $ 1.000,- die unverkauften Bilder übernehmen, bei einer monatlichen Ratenzahlung von $100,-. Nun versuchte Erwin Blum die gerade verkauften Bilder von den Sammlern zurückzubekommen, um dem Wunsch des Künstlers entsprechend, die komplette Serie geschlossen zu verkaufen. Alle Käufer willigten ein und Erwin Blum behielt diese Gruppe von Bildern bis er sie 1997 an das Museum of Modern Art in New York für 15 Millionen Dollar verkaufte. Dieser finanzielle Erfolg des Kunsthändlers entspricht auch der allgemeinen Anerkennung des Künstlers. Ich berichte diese Anfangsepisode deshalb so ausführlich, weil sie belegt, wie nur in Ballungszentren, hier New York, und unter dem starken Konkurrenzdruck und dem intensiven Informationsaustausch Kunstwerke entstehen können. Dies galt ganz besonders für die Pop Art. Und noch ein aktuelles Beispiel zur ungeheuren Prestige- und Wertsteigerung von Andy Warhol: Ursula Pohl, Tochter des deutschen Sammlers Ströher verkaufte auf der diesjährigen Frühjahrsauktion bei Sotheby’s in New York die „Orange Marilyn“ aus der legendären Kraushar Sammlung für 17 Millionen Dollar. Ihr Vater hatte 1968 für 425.000 Dollar 130 Werke der Pop-Art gekauft, darunter 15 bedeutende Bilder von Andy Warhol, woraufhin die Kinder ihren Vater entmündigen wollten, davon jedoch Abstand nahmen, als Peter Ludwig das Rauschenberg Portrait von Andy Warhol und drei weitere Werke der Pop-Art erwarb.
Im selben Jahr 1962 stellte Andy Warhol seine Bilder in der New Yorker Stable Gallery aus. Schon zur Eröffnung kam es zu einem ungeheuren Andrang junger Menschen. Ebenfalls im Jahr 1962 zeigte die bereits renommierte Galerie Martha Jackson, die bisher Werke der amerikanischen Expressionisten gezeigt hatte, Arbeiten von Jim Dine; Dick Bellamy stellte in der Green Galerie Werke von James Rosenquist, Segal und Wesselmann aus; Leo Caselli zeigte Roy Lichtenstein, und Oldenbourg präsentierte in seinem Atelier die Arbeiten aus dem Store und last but not least zeigte die international angesehene Sidney Jannis Galerie unter dem Titel „New Realists“ Werke der eben genannten Künstler sowie ein Tanz Diagramm von Andy Warhol. Noch im Dezember 1962 veranstaltete das Museum of Modern Art eine Symposion über Pop Art. Die Diskussionsteilnehmer waren Dore Ashton, Henry Geldzahler, Peter Seltz, Leo Steinberg und Hilton Kramer von der New York Times. Die Diskussion war kontrovers, da die ganze Richtung von Hilton Kramer radikal abgelehnt wurde. Die Pop Art, besonders aber die Werke von Andy Warhol, wurden in New York sofort öffentlich wahrgenommen, diskutiert, und vom Establishment abgelehnt. Der Einfluß Hilton Kramers, aber noch mehr der des Kunsthistorikers und Kritikers Clement Greenberg verhinderte eine positive Aufnahme und die notwendige akademische Diskussion der Pop Art. Für Clement Greenberg war Andy Warhol kein Künstler, sondern ein Epochen Symptom. Das allgemeine Verdikt lautete „Novelty Art“, also keine Malerei im eigentlichen Sinne. Die Ablehnung wurde durch die meisten älteren Künstler der New York School geteilt, besonders aber durch die abstrakten Expressionisten. Dieses Ablehnung konzentrierte sich ganz besonders auf das Werk von Andy Warhol, allzumal er schon 1962 begann, seine Bilder im Siebdruckverfahren herzustellen bzw. die Siebe herstellen zu lassen. Selbst Leo Castelli hatte große Schwierigkeiten mit Warhols Werk und konnte die Idee der Factory als Produktionsstätte für dessen Arbeiten schwer akzeptieren und nannte ihn somit häufig einen Entertainer. 1963 zeigte Erwin Blum erneut Bilder von Andy Warhol, diesmal schon Hollywood spezifisch, Portraits von Liz Taylor und von Elvis Presley, jedoch kommerziell ebenfalls ein Mißerfolg. Es ist nur dem Einfluß Iwan Karps und seines Freundes Henry Geldzahler zu verdanken, daß Leo Castelli schließlich im November 1964 Andy Warhol eine Einzelausstellung gab. Vorher stellte jedoch Ileana Sonnabend, Leo Castellis geschiedene Ehefrau, im Mai 1964 in ihrer Pariser Galerie Warhols „Desaster“- Bilder aus und ein Jahr später die „Flower Paintings“. Der kommerzielle und publizistische Erfolg in Europa war unerwartet groß. Die damals noch unbekannte Pariser Galerie Sonnabend, die seit 1962 Ausstellungen von Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und anderen amerikanischen Künstlern zeigte, wurde bis zu den Mai Unruhen 1968 zur führenden Galerie für die Pop Art. Wie immer in der Geschichte des Kunsthandels wirkte sich die Gruppenbildung unter der plakativen Etikettierung „Pop Art“ auch für Warhol erfolgsfördernd aus. Ileana Sonnabend verkaufte allerdings nicht an französische Sammler, sondern vielmehr nach Deutschland, Italien und Schweden und vereinbarte darüber hinaus noch im selben Jahr 1964 Folgeausstellungen in der Turiner Galerie Gian Enzo Sperone und in der Stockholmer Galerie Eva Buren. Es schien, als hätte Europa auf dieses Ereignis gewartet, allerdings zunächst nur auf privater Ebene. Künstler wie Fernandez Arman, Raymond Hains, Jacques Villeglé und Yves Klein in Paris oder auch Mimmo Rotella in Rom hatten schon seit 1957 stärker die Wahrnehmung als die formale Gestaltung in das Zentrum ihrer Arbeit gestellt und als sogenenannte „Neue Realisten“ die Pop Art Künstler in New York beeinflußt. So stellte z. B. 1957 die Mailänder Galerie Apollinaire elf identische blaue Bilder von Yves Klein mit unterschiedlichen Preisen aus, um noch den metaphysischen gegen den Warencharakter auszuspielen. Von dieser Problematisierung des Kunstbegriffes war es nur noch eine konsequente Weiterentwicklung bis hin zu Warhols Konzept, das Kunstwerk auf seinen reinen Warencharakter zu reduzieren. Ebenso wie die Nouveau Realists, fiel auch Andy Warhol schon nach kurzer Zeit hinter seine anfängliche Radikalität zurück, da er den 1965 in Paris selbst verkündeten Verzicht auf Malerei zugunsten des Films nicht einhielt. Sein zunehmend gleichgültiger Umgang mit seinem eigenen Werk hat ihn zu seinen Remakes und Portraits von Menschen, Tieren und Autos geführt, aber auch zu den „Mao“- Portraits und den Schädelbildern, die ihn schließlich auch als Maler ausweisen.
Die dritte documenta 1964 ignorierte noch Warhols Werk; vielmehr erklärte Arnold Bode kategorisch, solange er die documenta leiten würde, käme keine Pop Art in sein Haus, was er jedoch schon bei der vierten documenta 1968 zurücknehmen mußte. Wie in den USA verweigerte auch in Europa das Establishment, besonders die Museen, die Anerkennung seines Werkes mit den rühmlichen Ausnahmen von Pontus Hulten vom Moderna Musset in Stockholm, der bereits 1964 bei Ileana Sonnabend zwei Bilder von Warhol erworben hatte, und Aldo Passoni, der 1965 ein orangefarbenes Desasterbild für die moderne Galerie in Turin in der Galerie Sperone erwarb. Auch in den Jahren 1965/66/67 zeigten ausschließlich private, meist junge Galerien sein Werk darunter vor allem Sperone in Turin. Ich selbst habe in Köln 1967 die Tapeten mit roten Kühen auf gelbem Grund und heliumgefüllte silbrige Kissen ausgestellt. Aus meiner zweiten Warhol Ausstellung „The 13 most wanted men“ ebenfalls 1967 verkaufte ich bereits auch Bilder in öffentliche Sammlungen u.a. an die Museen in Krefeld und Mönchengladbach. Schon vorher kaufte bei mir Wolfgang Hahn, der Restaurator des Wallraf-Richartz Museums Arbeiten von Andy Warhol u.z. „Bela Lugosi“ von 1963 nach einem Szenenbild aus dem Dracula-Film von 1931 nach dem Roman von Bram Stoker und eines seiner „Electric Chair“- Bilder von 1964. Wolfgang Hahn war damals der einflußreichste Sammler zeitgenössischer Kunst, der seine Sammlung besonders mit Werken des Nouveau Realisme, Fluxus und der Pop Art sowie Werken von Jospeh Beuys und Gerhard Richter bereits 1968 im Wallraf-Richartz Museum ausstellte und mit einem sehr detaillierten Katalog große Wirkung auf andere Sammler ausübte. Diese Ausstellung wurde für Peter Ludwig zum entscheidenden Anlaß, seine Sammlung zeitgenössischer Kunst im Bereich der Pop Art zu verstärken und dem Wallraf-Richartz Museum als Dauerleihgaben anzubieten. Schon 1968 kaufte Peter Ludwig bei mir das berühmte und ebenso bedeutende erste Desaster-Bild „129 Die“ aus der Sammlung von Henry Geldzahler, das Doppelbildnis von Elvis Presley, ein dreifaches Portrait der Jackelin Kennedy sowie das Bild Nr. 7 aus der Ausstellung „The Most Wanted Men“. Diese Bilder zusammen mit seiner großen Pop Art Sammlung wurden dem Wallraf-Richartz Museum zunächst als Dauerleihgabe übergeben und dort seit 1969 ausgestellt. In den Folgejahren wurde diese Sammlung mit weiteren wichtigen Werken von Warhol aufgestockt. Die Wirkung dieser Sammlung und der von Wolf Vostell gestaltete Bestandskatalog waren für die Rezeption seines Werkes auch in den USA von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dieser Katalog erfuhr bis 1971 fünf erweiterte Auflagen mit insgesamt 33.000 verkauften Exemplaren. Im Katalog von 1971 waren bereits die wichtigen Werke „Close Cover before Striking“ aus der Sammlung Tremain, das große Robert Rauschenberg Portrait aus der Sammlung Kraushar-Ströher sowie das große „Race Riot“ Bild aus der ersten Ausstellung der Galerie Sonnabend aufgeführt und abgebildet.
In Italien zeigte die Galerie Sperone seit 1965 die Arbeiten von Andy Warhol mit Erfolg, verkaufte jedoch nicht an den damals schon bekannten Sammler Panzer di Biume, der sich für Rauschenberg und Oldenbourg und später auch für Lichtenstein engagierte, jedoch Warhol und die Pop Art ablehnte. Vielmehr war es der Fiat Anwalt Remo Morone und der Architekt Conrado Levi aus Turin, die Werke von Andy Warhol kauften, sowie der bereits erwähnte Museumsdirektor Aldo Passoni. Überraschender Weise wurde Warhols Werk in London mit den „The Most wanted men“ erst 1968 in der Rowan Gallery gezeigt, obwohl doch gerade hier durch Richard Hamilton und Eduardo Paolozzi der Boden für die Pop Art vorbereitet war. Die Kritik war wie üblich ausschließlich auf seine Person bezogen, da der Künstler inzwischen zum Superstar avanciert war und mit seinem privaten Lifestile, seinen Bildern und Filmen ein ungeheures Medienecho auslöste. Andy Warhol wurde wie kein anderer Künstler seiner Generation mit der Öffnung seiner Factory auf der 47. Straße im November 1964 zum Medienstar. Von diesem Moment an wurde ununterbrochen über ihn, seine Superstars, seine Filme, die schon seit 1963 entstanden waren, berichtet. In nur drei Jahren zwischen 1962 und 1964, entstand sein heute kunsthistorisch bedeutsames Werk, das seinen Ruhm damals wie heute begründet.
Wer waren in diesen Jahren die Sammler? Natürlich, wie schon gesagt, keine Museen auch keine Firmensammlungen, sondern gesellschaftliche Outsider wie in den USA der Taxiunternehmer Robert Scull und der Haarkosmetikhersteller Leon Kraushar, die mit großem Engagement seine Bilder und die Werke der anderen Pop Art Künstler kauften. Es ist wiederum dem Einfluß von Iwan Karp und nicht von Leo Castelli zu verdanken, daß er auch bekannte Sammler wie Morton Newman, Brown Baker, das Ehepaar Tremain sowie Alfred Ordover aus New York überzeugen konnte, Warhols Bilder zu erwerben. Robert Rosenblum war der erste Kritiker, der bemerkte, daß mit den Bildern Warhols die moderne Welt in die Kunst gekommen sei. Er sah deutlich die Quellen seiner Inspiration und verteidigte seine Radikalität. Andy Warhol selber analysierte sein Werk nicht, sah jedoch sehr genau, was um ihn herum geschah. Seine Tätigkeit als Dekorateur beim Kaufhaus Bonvit Teller und dem Schuhhaus Miller, wo er bereits seine frühen Comic-Bilder als Schaufenster Dekoration ausgestellt hatte, ließ ihn den Unterschied zwischen High and Low, Kunst und Nichtkunst als nebensächlich erschienen, ein Lebensgefühl, das sich bereits vor allem in der Pop Musik zum Ausdruck kam, aber auch in den Werken zeitgenössischer Schriftsteller wie Allen Ginsberg oder William Burroughs.
In Europa waren die beiden deutschen Industriellen Peter Ludwig und Karl Ströher die wichtigsten Sammler seines Werkes, nicht so sehr, weil sie so viele Bilder von Warhol kauften, sondern mehr noch, weil sie beide ihre privaten Ankäufe in öffentlichen Museen zeigten. In Italien und Deutschland, den ehemaligen Achsenpartnern und Verlierern im Zweiten Weltkrieg, gelang die Durchsetzung der Pop Art und insbesondere des Werkes von Warhol am frühesten und vehementesten. In Turin und Mailand, den Industriezentren, wurden viele Bilder in private Sammlungen verkauft. Einen ebenso großen Einfluß auf die Durchsetzung seines Werkes in Europa hatte der Kauf der Kraushar Sammlung aus New York durch den Darmstädter Sammler Karl Ströher im Februar 1968, die er 1970 als Dauerleihgabe dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt zur Verfügung stellte. Durch die sehr umfangreiche und bedeutende Kraushar-Sammlung gelangten mit einem Schlage 15 Hauptwerke von Warhol zusammen mit wichtigen Werken der Pop Art und des sogenannten Beuys Blocks in das Hessische Landesmuseum in Darmstadt, die größte und bedeutendste frühe Werkgruppe des Künstlers in einer öffentlichen Sammlung. Sowohl der Darmstädter Beuys Block als auch die Kraushar Sammlung wurden durch die beiden deutschen Kunsthändler Heiner Friedrich und Franz Dahlem vermittelt, die dann in den 70er und 80er Jahren bedeutsame Ankäufe von Beuys und anderen europäischen und amerikanischen Künstlern für die Dia Art Foudation in New York vermittelten. Die Kraushar Sammlung sowie der Beuys Block wurden im Haus der Kunst-Neue Pinakothek München 1968, und anschließend im Kunstverein Hamburg, in der Nationalgalerie Berlin sowie in der Kunsthalle Düsseldorf ausgestellt und in drei verschiedenen umfangreichen Katalogen beschrieben. Diese Ausstellungstournee sorgte für eine sehr große Öffentlichkeit besonders in München, wo sich gerade der Galerie-Verein gegründet hatte und für diese Ausstellung verantwortlich zeichnete. Die Tournee und die anschließende Präsentation im Landesmuseum Darmstadt machte Andy Warhol auch in den vereinigten Staaten museumswürdig. Trotzdem war es damals für alle Sammler, besonders aber für die auf öffentliche Mittel angewiesenen Museumsdirektoren, ein kaum zu überwindendes Problem, daß seine Bilder vervielfältigt wurden und damit auch die Urheberschaft nicht mehr eindeutig war.
Der entscheidende Durchbruch für Warhol wurde jedoch seine erste Museumsausstellung 1968 im Moderna Museet in Stockholm, die anschließend im Stedelijk Museum in Amsterdam und in den Kunsthallen Bern und Oslo gezeigt wurde. Kasper König, der 1967 in New York lebte, kuratierte diese Ausstellung gemeinsam mit Andy Warhol und schlug Pontus Hulten vor, die Ausstellung nur mit Leihgaben des Künstlers zu bestücken, also die gesamte Ausstellung in der Factory speziell herzustellen. In konsequenter Anwendung seiner eigen Reproduktionsphilosophie druckte er all seine bis dahin bekannten Bildthemen noch einmal in umfangreichen Serien. Pontus Hulten hatte bereits 1964 bei Ileana Sonnabend ein großes Portrait von Marilyn Monroe und einen „Electric Chair“ erworben und war an der Pop Art ebenso stark interessiert wie am Nouveau Realisme. Warhol und König propagierten auch einen umfangreichen billigen Katalog im Zeitungsdruck auf Zeitungspapier mit 636 ganzseitigen schwarz-weiß Abbildungen und Statements nur von Andy Warhol. Sowohl die Ausstellung, als auch der Katalog wurden ein riesiger Erfolg. Der Katalog wurde in drei Auflagen von insgesamt 20.000 Exemplaren gedruckt und verkauft. Die ausgestellten „Brillo-Boxen“ kamen direkt aus der Brillo Seifenfabrik. Die gesamte Fassade des Museums war komplett mit Warhols Kuhtapete von 1966 beklebt. Trotz eisiger Kälte in den Monaten Februar/März 1968 sahen 25.000 Besucher die Ausstellung. Der Katalog erschien auch ironischerweise in wenigen Exemplaren als Luxusausgabe mit Goldschnitt und seiner Signatur in einem schwarzen Plexiglasschuber. Heute kostet diese Luxusedition $ 4.000,-. Der Erfolg dieser Ausstellung und die vielen Rezensionen machten Andy Warhol auch in Europa zum berühmtesten Pop Art Künstler überhaupt. Vier Monate nach der Eröffnung dieser Ausstellung wurde der Künstler von Valery Solanis, einer Besucherin der Factory und Gründerin der „Society for cutting up men“ angeschossen, womit der Mythos „Warhol“ begann und bis heute weiterlebt.
Joseph Beuys - Rezeptionsgeschichte 1967—1979
Joseph Beuys, der seine erste Museumsausstellung 1967 bei Johannes Cladders in Mönchengladbach hatte, ein Museum das wie auch in Krefeld bereits damals Werke von Joseph Beuys und Andy Warhol gekauft hatte, versuchte damals vergeblich, Kasper König zu bewegen, die Andy Warhol Ausstellung auch in Mönchengladbach zu zeigen. Dies belegt das frühe Interesse von Joseph Beuys am Werk von Andy Warhol. Erst in der Sammlung Hahn im Mai 1968 im Wallraf-Richartz Museum, bei der vierten documenta 1968 und in der Sammlung Ströher in München im Sommer desselben Jahres wurden Arbeiten beider Künstler gleichzeitig öffentlich sichtbar. Beuys zeigte auf der documenta eine große Rauminstallation, die auch später Bestandteil des Ströher-Blocks wurde, in unmittelbarer Nähe zu der großen Kienholz-Installation „Roxy“ und den anderen amerikanischen Pop Künstlern. Der bisher mehr oder weniger national geführte Diskurs über das Werk von Beuys weitete sich jetzt international aus. Der angebliche Ankauf der Beuys Ausstellung in Mönchengladbach 1967 durch Herrn Ströher fand in Wirklichkeit nie statt. Erst mit dem Ankauf der Kraushaar Sammlung und ihrer öffentlichen Präsentation in München wurden auch Leihgaben von Beuys ausgestellt, die jedoch bewußt irreführend unter dem Namen der Ströher Sammlung firmierten. Es war der zumindest für Joseph Beuys erfolgreiche Versuch von Franz Dahlem und Heiner Friedrich über die Kraushaar Sammlung auch junge deutsche Kunst museumswürdig zu machen. Im Mai 1968 schrieb Eduard Beaucamp in der FAZ unter dem Titel „Das große Werben“ vom Versuch des Münchner Generaldirektors Soehner, die Ströher Sammlung für die Neue Pinakothek als Dauerleihgabe im Haus der Kunst zu installieren. Beaucamp berichtete in seinem Artikel vom Erwerb der Beuys Ausstellung durch Ströher mit insgesamt 180 Werken des Künstlers, die nun in München der ehemaligen Kraushar-Sammlung gegenüberstanden. Diese Mitteilung war ein Ergebnis der bewußten Irreführung und griff den Tatsachen zwei Jahre voraus. Bis dahin hatte Ströher dem Künstler lediglich à Konto Zahlungen für die Produktion neuerer Arbeiten, insbesondere für die documenta Installation geleistet, aber selber noch keine Arbeiten erworben. Seinen ersten Ankauf von Beuys tätigte Ströher 1969 in der Galerie Schmela: die große Kupfer-Filz Installation „Fond III“ für 100.000,- DM. Erst als das Kunstmuseum in Basel 1969/70 den Beuys Block ausstellte, wurden auch internationale Händler wie Leo Castelli und Ileana Sonnabend auf sein Werk aufmerksam und machten dem Künstler bzw. seinem Sammler Ströher Kaufangebote. Ströher war bereit, gegen den Willen von Beuys und Dahlem Teile aus dem Beuys-Block zu verkaufen, um seine à Konto Zahlungen zurückzubekommen. Um das Auseinanderreißen dieser bedeutenden frühen Werkgruppe zu verhindern, wendete sich damals Franz Dahlem an Franz Mayer, damals Direktor im Baseler Kunstmuseum, dem er den gesamten Beuys Block für DM 600.000,- anbot. Der Ankauf scheiterte jedoch am Platzmangel. Erst zur Eröffnung der Ausstellung im Darmstädter Landesmuseum April 1970 erwarb Ströher den gesamten Beuys Block für DM 800.000,- unter Anrechnung der bis dahin geleisteten à Konto Zahlungen. Schon unmittelbar nach dem Tode des Sammlers 1977 verkauften seine Erben die ehemalige Kraushar-Sammlung an die Stadt Frankfurt und einige Jahre später den Beuys Block an den Sammler Marx, der seinerseits die Sammlung in den 80er Jahren an die Hessische Landesregierung verkaufte.
Eine Aktion bzw. auch Ausstellung von Beuys in den USA sollte jedoch erst 1974 stattfinden. Es ist heute schwer einzuschätzen, ob diese Verzögerung aus einem Mangel an konkreten Ausstellungsangeboten oder einer aktiven Verweigerungshaltung entsprang, eine Darstellung wie sie Joseph Beuys propagierte. Sicherlich spielten der Vietnam Krieg und die Politik Nixons auch eine Rolle für seine anti-amerikanische Haltung dieser Jahre. Trotzdem möchte ich betonen, daß Beuys ein langfristig denkender Stratege war, der mit Sicherheit bereits damals über einen gut vorbereiteten Auftritt in den USA zum richtigen Zeitpunkt nachgedacht hatte. Wie sehr Beuys langfristig strategisch denken konnte, erfuhr ich, als er im Frühjahr 1968 den damals schon bekannten Kölner Sammler Wolfgang Hahn in sein Atelier bat und ihm eine durch Explosion einseitig verbrannte Tür mit Vogelschädel und Hasenfellteilchen von 1956 für seine Sammlung schenkte. Beuys hatte erfahren, daß die Sammlung im Wallraff-Richartz Museum erstmalig ausgestellt werden sollte. Wolfgang Hahn besaß damals nur kleinere Arbeiten des Künstlers, die keinen Vergleich mit den Werken von Rauschenberg, Oldenbourg, Segal u.a. standgehalten hätte. In der Tat hatte der spezifisch europäisch-amerikanische Dialog dieser Sammlung eine außerordentlich große Wirkung, wie bereits erwähnt auch auf Peter Ludwig.
Beuys, der in Düsseldorf bereits das Medientalent Yves Klein kennengelernt hatte, bewunderte auch bei Andy Warhol seinen Umgang mit den Medien und wußte, daß eine erste Aktion oder Ausstellung in den USA auch ein Medienereignis werden mußte. So hatte er keine Einwände mehr, als Ronald Feldman in seiner New Yorker Galerie 1972 ohne seine Beteiligung zunächst nur Zeichnungen als Leihgaben von Lucio Amelio aus Neapel ausstellte, war doch bereits das Interesse des Museums of Modern Art an seinen Zeichnungen durch die damalige Kuratorin Bernice Rose bekundet worden. Als Ronald Feldman dann 1973 zum ersten Mal Beuys in Düsseldorf persönlich besuchte und ihn für 1974 zu einer Vortragsreise einlud, überraschte Beuys seine Umgebung durch eine spontane Zusage. Die erste öffentliche Vorlesung in New York fand in der New York School auf der 12. Straße im Januar 1974 vor einem überfüllten Auditorium von über 500 Personen statt mit einer anschließend äußerst lebhaften und kontroversen Diskussion. Am folgenden Tag stellte er sich selber in der Galerie Feldman als „soziale Plastik“ aus und beantwortete einen Tag lang in der Galerie auf- und abgehend die Fragen der Besucher, die überrascht waren zu erfahren, daß sie bereits durch ihre Fragen an der „sozialen Skulptur“ mitwirkten. Der Andrang zu seinen Vorlesungen im Art Instiute in Chicago und am Institute for Art and Technology in Minneapolis war noch größer. Der Leiter des de Moine Art Centers, Jim Dimitrion, kaufte für sein Museum eine während der Vorlesungen beschrifteten Schultafeln für $ 6.000,-, nachdem zuvor schon sowohl in New York, als auch in Chicago heftige Diskussionen über den kommerziellen Charakter der Veranstaltung ausgelöst worden waren, da vermutet wurde, daß die benutzten Tafeln anschließend verkauft werden sollten, was dazu führte, daß Ronald Feldman in New York die Tafel vor aller Augen auswischte. In Chicago aber erklärte der Künstler nun, daß diese Tafeln in die Welt müßten, um wirken zu können. Jim Dimitrion sollte auf Grund dieses Ankaufes mit sofortiger Wirkung entlassen werden, nur jedoch der Hinweis auf sein Recht als Leiter des Art Centers bis zu $ 6.000,- frei verfügen zu können, stand der Kündigung im Wege. Diese erste Erfahrung mit einem Ankauf einer Beuys Arbeit durch einen Museumsdirektor war symptomatisch für die offizielle Einstellung der Museen zum Werke von Beuys. Es darf nicht vergessen werden, daß Beuys 1974 in Europa bereits berühmt und ein international anerkannter Künstler war und auch in der Presse so vorgestellt wurde. Beuys war sicherlich von dem starken Interesse an seinen Vorlesungen beeindruckt und in seinem längst vorher gefaßten Entschluß bestärkt, in New York auch eine Aktion durchzuführen. Da sein Berliner Kunsthändler und Freund René Block in New York für seine deutschen Künstler Jospeh Beuys, Sigmar Polke, Gerhard Richter und den internationalen Fluxus Künstlern Nam June Paik, Georges Maciunas, Dick Higgins u.a., die ebenfalls noch nicht in New York repräsentiert waren, eine Galerie eröffnen wollte, dies aber abhängig machte von einer Zusage Beuys’, die Galerie mit einer Ausstellung oder Aktion zu eröffnen, kam es zur Gründung der René Block Gallery auf der Spring Street, Ecke West Broadway. René Block mietete zwei Etagen mit je ca. 100 qm 1974 für insgesamt nur $ 900,- an. Eine Etage wurde zur Galerie umgebaut, die andere Etage wurde seine Wohnung, die auch Beuys während seiner Aktion bewohnte, um das Haus nicht verlassen zu müssen. Die Tatsache, daß große, mehrstöckige Lofts noch in den 70er Jahren für $ 30.000,- gekauft oder entsprechend günstig angemietet werden konnten, zählt meines Erachtens zu den wesentlichen Gründe für den Aufschwung der New Yorker Kunstszene. Es ist heute schwer nachzuvollziehen, daß es Beuys damals wichtig erschien, seine erste Aktion in den USA in einer deutschen Galerie durchzuführen, also quasi auf europäischem Boden. Obwohl er sich mit der Vortragsreise bereits längere Zeit in den USA aufgehalten hatte, wollte er bei seiner ersten Aktion amerikanischen Boden nicht öffentlich betreten, und ließ sich bereits in der Ankunftshalle des Kennedy Airports verbinden und auf einer Bahre liegend in einem Krankenwagen in die Galerie René Block transportieren. Die Galerie war in einen Käfig mit Metallgitter umgestaltet, in den man einen Kojoten aus einer Tierfarm in New Jersey gebracht hatte, sowie weitere Requisition wie einen Hirtenstab, Filz, Stroh und mehrere Exemplare des Wall Street Journals, auf die der Kojote auch medienwirksam pinkelte. Das gesamte Ereignis wurde als ein Medienereignis in all seinen Stationen fotografiert und dokumentiert. Es wurde verlautbart, daß der Künstler während der gesamten 4tägigen Aktion den Käfig nicht verlassen werde. Die Wirklichkeit sah etwas anders aus, wie sich von selbst versteht. Der ebenso bezeichnende wie werbewirksame Titel dieser Aktion „I like America and America likes me“ stimmte nur bedingt, da nur der New Yorker Untergrund überhaupt von der Aktion Kenntnis nahm und die New York Times die Anwesenheit von Beuys mit keinem Worte erwähnte. Nur die Village Voice brachte ein Photo auf ihrem Cover. Warhol selber hat die Aktion nicht gesehen, dagegen waren viele jüngere Künstler aus Soho anwesend. Die New Yorker Kunsthändler sowie die Museumskuratoren mit Ausnahme von Ronald Feldman ignorierten das Ereignis vollkommen. Beuys ließ sich so wie gekommen auch per Ambulanz wieder zum Flughafen zurückbringen.
Schon während seiner ersten Vortragsreise überzeugte Beuys Ronald Feldman als seinen amerikanischen Händler, auch auf der Baseler Art mit einem Stand präsent zu sein, was tatsächlich durch die Mithilfe von Lucio Amelio, der im Auswahlkommité tätig war, noch im gleichen Jahr gelang. Beuys hatte Ronald Feldman eine Installation für seinen Stand versprochen. So kam es, daß Feldman die später sogenannte Installation „Feuerstätte 1“ in Basel zeigte und dafür auch den ersten Preis für die beste Koje erhielt. Der Kunsthändler verkaufte diese Arbeit während der Messe an die Kölner Herstatt Bank, las jedoch wenige Tage später in der internationalen Herold Tribune vom Konkurs dieser Bank. Kurzerhand verschickte Feldman die Arbeit nicht nach Köln, sondern in seine New Yorker Galerie. Die Käufer dieser Installation haben bis heute den Vertragsbruch nicht reklamiert und nichts von sich hören lassen. Diese Installation wurde dann im Herbst desselben Jahres in der Ronald Feldman Gallery in New York gezeigt, wo sie auch ihren Namen erhielt, da noch Reste einer Kaminbodenplatte in der Galerie sichtbar waren. Jedoch keiner der amerikanischen Sammler, auch kein Museum interessierte sich für diese Arbeit, obwohl sie im Anschluß auch noch im Darmouth-Collage in Hannover von dem Kurator Jan van der Mark gezeigt wurde. Die Kritiken dieser Ausstellung waren sehr allgemein gehalten aber positiv, die Newsweek brachte sogar eine ganze Seite und der Umschlag der Art News wurde der Person Beuys gewidmet. Immerhin wollte Bernice Rose, Kuratorin der Zeichnungsabteilung im Museum of Modern Art, eine der beiden Chicagoer Vorlesungstafeln auch für $ 6.000,- erwerben, was jedoch vom Vorstand des Museums abgelehnt und erst zehn Jahre später, nun allerdings für $ 60.000,- möglich wurde. Diese Fakten belegen deutlich, daß Beuys nun wie Andy Warhol auch in Amerika als Medienstar wahrgenommen, aber seine künstlerischen Arbeiten nicht ernst genommen wurden. Die in New York gezeigte Installation „Feuerstätte 1“ wurde dann drei Jahre später für $ 100.000,- auf Empfehlung von Dieter Koepplin durch das Kunstmuseum Basel angekauft und sofort bezahlt, damit der neu zu wählende Vorstand, diesen Entschluß nicht noch möglicherweise revidieren konnte. Der kommerzielle Erfolg von Beuys in den USA war niederschmetternd und ist es bis heute geblieben. Auch seine große Installation „Richtkräfte“, die zunächst in der Ausstellung „Art into Society - Society into Art“ im Institute of Contemporary Art in London 1974 gezeigt wurde und dann 1975 anschließend bei René Block in seiner New Yorker Galerie, blieb ebenfalls in New York unverkauft und wurde ein Jahr später von der Nationalgalerie in Berlin angekauft. Überhaupt waren die Ausstellungen der Galerie René Block kommerziell gesehen kein Erfolg, allenfalls in Hinblick auf europäische, besonders deutsche Sammler. Außer der Vitrine „Das Samuraischwert ist eine Blutwurst“ im Museum of Modern Art und einer Vitrine sowie der eher marginalen Arbeit eines Fiat Autos mit dem Aufdruck „FIU“ im Guggenheim Museum befinden sich größere und wichtige Werke nur in der Dia Art Foundation durch die schon erwähnte Vermittlung des Münchner Kunsthändlers Heiner Friedrich. Im Gegensatz zu Warhol, dessen Werk in Europa hervorragend und umfangreich in öffentlichen Sammlungen vertreten ist, wurden keine wesentlichen Werke von Beuys, insbesondere keine Installationen, in öffentlichen Sammlungen in den USA angekauft. Der Kritiker Harold Rosenberg hatte schon anläßlich seiner ersten Zeichnungsausstellung bei Feldman festgestellt, daß Beuys nicht zeichnen könne. Diese Kritik wirkte besonders verheerend, weil über die allgemein als qualitätvoll anerkannten Zeichnungen der Zugang zu seinem plastischen Werk erleichtert wurde. So dauerte es noch einmal fast vier Jahre bis Tom Messer, damaliger Leiter des Guggenheim Museums, sich auf Grund der Beuys’schen Beteiligung auf der Biennale 1976 und unter dem Eindruck seines Werkes „Tram“ zu einer großen Retrospektive in seinem Hause entschloß. Der Künstler konnte weitgehend Umfang und Durchführung der Ausstellung mit der von ihm selbst benannten englischen Kuratorin, Caroline Tisdal, bestimmen. Vorbedingung war jedoch, eine Werkausstellung einzurichten, und keine Aktionen zu planen. So kam es dann im November 1979 zu der ersten großen Museumsausstellung von Joseph Beuys in den USA. Beuys war auf der Höhe seines Ruhms und genoß mit großem persönlichen Gefolge seinen Auftritt in New York. So großartig die Ausstellung auch in 24 Lebensstationen inszeniert war und die wichtigsten Hauptwerke versammelt waren, so verhalf sie dem Künstler dennoch nicht zu einer stärkeren Präsenz in privaten oder öffentlichen Sammlung der USA. Die Kritik war dem Werk gegenüber im allgemeinen ratlos und vermißte Aktionen des Künstlers, für die er bereits bekannt geworden war. Einige Kritiker bescheinigten Beuys zwar, der wichtigste europäische Künstler der Nachkriegszeit zu sein, ohne dies jedoch kunsthistorisch zu begründen. Benjamin Buchloh ging im Artforum Januar 1980 allerdings umfassend auf das Werk ein und verglich das Phänomen Beuys mit Richard Wagner. Buchloh beklagte, daß der Künstler weit hinter Duchamp zurückfalle und seine Objekte wieder mit Bedeutungen auflade. Er kritisierte weiterhin, daß seine wissenschaftsfeindlichen Utopien regressiv seien und sah in seiner abstrakten Universalität privatistische und subjektivistische Qualitäten. Diese letztlich vernichtende Kritik wurde im Grundsatz auch von Werner Spies geteilt, der die Guggenheim Ausstellung in der FAZ eingehend besprach und ebenfalls bemerkte, daß sich Beuys außerhalb der Geschichte zu stellen versuche und dementsprechend auch im Katalog, Beuys nur mit Beuys zu erklären versucht werde. Eine kritische und historische Würdigung fände nicht statt. Es wurden ebenfalls die restaurativen Züge im Werk kritisiert, in der amerikanischen Presse sogar vom nordischen und völkischen Charakter seiner Arbeiten gesprochen. Hilton Kramer von der New York Times schwieg völlig, John Russel beschrieb im Times Magazine schon im Oktober, also vor der Ausstellungseröffnung im Guggenheim Museum Beuys als „sculptor of bizarre, crafter of cryptic actions, politician of utopian hopes.“ Im übrigen schrieb er in seinem langen Essay über seine Herkunft, seinen Lebenslauf und sein politisch soziales Engagement. Beuys wurde als Schamane vorgestellt mit unkritischer Übernahme biographischer Daten aus dem Katalog. „Weder Clown noch Gangster“ schriebt Jerry Talmer in der New York Post, der nur Beuys selber zitiert. In Time und Newsweek wurde Beuys als typisch deutsch gesehen, dessen Leben und Werk eine Einheit bilden und für den Künstler zu sein, wichtiger als das Werk sei. Viele Werke wie z.B. die „Honigpumpe“ wurden nur als Überbleibsel früherer Aktionen gesehen. In Time schreibt Robert Hughes „die Stapel aus Filzrechtecken mit Kupfer- und Eisenplatten bedeckt, ähneln der stummen sinnentleerten Minimal Art. Insgesamt sind die Kritiken uninteressant und eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk fand nicht statt. Die Person und sein Mythos standen im Vordergrund wie schon zehn Jahre zuvor bei Andy Warhol.
Warhol und Beuys - Zwei Künstlerlegenden
Beide Künstler waren Medienstars ihrer Zeit. Von 1970 bis 1978 führte jedoch Robert Rauschenberg die Liste der hundert wichtigsten Künstler im „Kunstkompaß“ der Zeitschrift Kapital, die von drei Millionen Lesern gelesen wird. Nicht zuletzt auf Grund seiner Ausstellung im Guggenheim Museum und dem enormen Medienecho rückte Beuys 1979 auf den ersten Platz dieser Künstler-Charts, die von Künstlern und Sammlern auch heute noch gerne gelesen werden. Rauschenberg beschwerte sich damals in einem zwölf Seiten langen Brief beim Herausgeber Willi Bongard über seinen Abstieg auf den zweiten Platz und verwies auf seine vielen Ehrendoktortitel und Ausstellungen. Auf Position drei war und blieb Warhol vor Jasper Johns und Claes Oldenbourg.
Zur ersten persönlichen Begegnung zwischen Beuys und Warhol kam es 1979, als die Galerie Hans Mayer in Düsseldorf ihre Warhol Ausstellung mit den „Indian Portraits“ eröffnete. Neben dem Weltranglisten Ersten Joseph Beuys war auch Robert Rauschenberg, nun Weltranglisten Zweiter, eingeladen, konnte aber nicht kommen. Bei dieser Gelegenheit traf Beuys zum ersten Mal Andy Warhol. Der Andrang war dementsprechend groß und machte die Eröffnung zu einem Medienereignis. Wie würde sich die Begegnung abspielen? Würde gar der eine das Werk des anderen kommentieren und Statements abgeben? Nichts von alledem. Andy Warhol versteckte sich wie immer hinter seiner Polaroid Kamera und fotografierte immer wieder Beuys wobei er erklärte, wie sehr er es bedaure, Beuys nicht als Superstar in einem seiner Filme gefilmt zu haben. Obwohl er dessen Werk in Darmstadt zuvor gesehen hatte, kommentierte er es jedoch nicht. Beuys hingegen sagte über Warhol an diesem Abend folgendes: „Der ist noch ganz jung geblieben, viel jünger als all die anderen hier. Mit dem ist was zu machen. Ich muß mal sehen, ob ich ihn nicht für die FIU (Freie Internationale Universität) kriegen kann. Muß mal mit dem reden. Denn wir wollen ja wirklich eine Factory, aber eine richtige.“ Beide Künstler signierten derweil Kataloge und mitgebrachte Dollarnoten, Andy Warhol mit seinem Namen und Joseph Beuys mit ‘John Dillinger’ (einem berühmten Mafia-Boss der 20er Jahre). Mit der „richtigen Factory“ meinte Beuys natürlich seine Freie Internationale Universität. Das Mißverständnis könnte nicht größer sein.
Das Verbindende beider Künstler war wohl eher ihr ausgeprägtes Medienbewußtsein. Während Andy Warhol jedoch die Medien und ihre Bedeutung für die Kunst und ihre Rezeption erkannt und in seinem Werk thematisiert hatte, indem er Zeitungsanzeigen, Titelseiten oder Werbungen zu eigenständigen Werken verarbeitete, stilisierte sich Beuys selber, um medienwirksam auftreten zu können und so seinem Werk sowie seinen Aktionen eine größere Öffentlichkeit zu verschaffen. Andy Warhol, der erfolgreich aus der Werbung kam, und Konsumprodukte zum Gegenstand seiner Werke machte, brachte seine Bilder nahtlos in den Kunstkontext und zeigte sie folgerichtig nur noch in Galerien und Museen. Während für Warhol die täglichen anonymen und bedeutungslosen Ereignisse zu seinen Themen wurden und durch ihn wieder Bedeutung erlangten, also die Oberfläche Bedeutungsträger wurde, stand für Beuys die Bedeutungshaftigkeit des Objekts im Zentrum seines Interesses. Die Materialien wie Kupfer, Filz oder Fett sollten persönliche Botschaften übermitteln, wobei er irrtümlicherweise annahm, daß diese Botschaften allgemeingültig und eindeutig waren. Damit gab er seinem Werk einen subjektiven Fetisch-Charakter. Während es für Warhol nichts hinter der Oberfläche zu sehen gab, begann für Beuys dort erst das Sehen. Nicht die Kritik an der Gesellschaft, sondern ihre scheinbare Affirmation ist das eigentlich Radikale im Werke Warhols. Die bisherige Produktionsgesellschaft mit ihrem spezifischen Ethos wurde für ihn zur Konsumgesellschaft, das Kunstwerk zur Ware, das Kaufhaus zum Museum und das Museum zum Kaufhaus. Im Gegensatz zu Beuys wollte er die Welt nicht verändern, aber sein Werk verändert die Welt. Deshalb wurde Warhol zum einflußreichsten Künstler seiner Generation. Beuys hingegen beschritt einen völlig anderen Weg, einen diamentral entgegengesetzten, indem er sein Werk aus der linearen Bindung an die Kunstgeschichte zu befreien und an magische und mythische Vorgänge zu koppeln versuchte. Für ihn wurden die Objekte Bedeutungsträger auch vergangener Zeiten, um so seine Zeit und ihre Gesellschaft zu verändern. Er versuchte, seine Werke mit gedanklicher Energie aufzuladen und vertraute darauf, daß sie so wirksam werden könnten. Für ihn war die Kunst kein Produkt mehr, sondern ein sozialer Prozeß und folgerichtig wurden auch das Gespräche, die Aktionen sowie die Organisationen ein wesentlichen Teil seiner Arbeit.
Völlig anders ging Andy Warhol vor. Die teilweise industriell und meist gemeinschaftlich hergestellten Werke waren das eigentliche Produkt. Die Factory war der Ort der Produktion, die Bühne, auf der seine Gesellschaft, meist von den sozialen Rändern her kommend, agierte und ihn inspirierte. Warhol beobachtete diese Gesellschaft ohne sie jedoch zu kommentieren. Erklärungen zu seinem Werk und zur Gesellschaft im Allgemeinen überließ er anderen, selbst in Pressekonferenzen zu seinen Ausstellungen ließ er die gestellten Fragen durch Freunde beantworten, falls er sich nicht, wie auch geschehen, überhaupt durch ein Double vertreten ließ. Er suchte nicht das Gespräch, auch nicht die Aktion, sondern bewirkte durch seine Affirmation, die Fragen bedeutungslos werden zu lassen. Auch sein permanenter Gebrauch der Kamera oder des Videos sollten nur die Bedeutungslosigkeit ihrer Inhalte verdeutlichen.
Es lassen sich sicherlich nur schwer Künstler finden, die in ihren Ideen und in ihrer Methodik gegensätzlicher waren, und doch gab es über ihr wechselseitiges Interesse an den Medien hinaus, tiefergreifende Gemeinsamkeiten und gegenseitiges Verständnis für das Werk des jeweils anderen. Dies wird klar, wenn man das Portrait „Joseph Beuys“ von Andy Warhol sieht. Der Künstler hat das Bildnis mit Diamantenstaub überzogen und damit auf das Amorphe und Kristalline im Beuys’schen Werk hingewiesen. Der Diamant, der für Beuys Inbegriff der Kälte war, sollte sein Anblick „zum Glühen bringen.“ Beide Künstler verband auch das Interesse an der Gesellschaft, die Liebe zum Menschen und es war sicherlich dieses gemeinsame Gefühl füreinander und für die Menschen, das Beuys in Hinblick auf Andy Warhol zu seinem schon zitierten Bruder-Zitat veranlaßte. Beide Künstler interessierten sich nicht mehr für die traditionellen Begriffe der Ästhetik und erweiterten damit unsere Vorstellung von Kunst. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ sagte Beuys und „alles ist schön“ Warhol. Beat Wyss formulierte den Unterschied als „Ästhetik der Aktion“ bei Beuys und „Ästhetik der Existenz“ bei Warhol. Meines Erachtens hat Theodora Vischer in ihrer Beuys Dissertation die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Beuys und Warhol am besten auf eine knappe Formel gebracht:
„Gemeinsam ist Warhol und Beuys, daß sie sich als Privatperson eliminiert und in einer bisher noch nicht gekannten Radikalität zum Medium gemacht haben. Gemeinsam ist ihnen dementsprechend, daß sie mit ihrem Schaffen die Grenze zwischen Kunst und Leben, der Kunst und Wirklichkeit verunsichert haben. Warhol hat diese Verunsicherung erreicht, indem er die Gesetze der Konsumgesellschaft in sein Verhalten und seine Arbeit aufgenommen hat. Die totale Bejahung des amerikanischen Pragmatismus, wie Warhol sie in seiner Kunst vornimmt, ist die dialektische Kehrseite, des gestaltenden Eingriffs in die europäische Gesellschaft nach dem Krieg, wie ihn Beuys - auf der Grundlage seiner Erfahrungen in der Kunst - gefordert und betrieben hat.
Diese pointierten Zuspitzung auf eine Dialektik aus Bejahung und Veränderungswillen der bestehenden Verhältnisse muß jedoch meines Erachtens noch etwas differenziert werden: In demselben Maße wie die Warholsche Affirmation durch Ironie gebrochen wird, ist das Beuyssche Sendungsbewußtsein auch durch ein persönliches Geltungsbedürfnis zu relativieren.
Es scheint mir an der Zeit, die durch Warhol und Beuys betriebene Verunklärung der Grenze zwischen Kunst und Leben, Kunst und Wirklichkeit auf einer wissenschaftlichen Ebene wieder zu klären.
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